Norwegen: Die Mär vom Ende des Förder-Paradieses.

Das Subventionsprogramm für Elektroautos in Norwegen, so glaubt es Spiegel Online zu wissen, drohe am eigenen Erfolg zu scheitern. Bald könne Schluss sein mit den Kaufanreizen. Und Fritz Indra, tapferer Kämpfer für das ewige Leben des Verbrennungsmotors, gibt sich in der „WirtschaftsWoche“ überzeugt, dass Norwegen die „immensen Förderungen […] einstellt“. Was ist wirklich los im skandinavischen Paradies der Elektromobilität? Wir haben bei norwegischen Organisationen wie dem Institute of Transport Economics recherchiert: Von einem Stopp der staatlichen Förderung kann keine Rede sein.

Wahr ist, dass die massiven Fördermaßnahmen ungekürzt in Kraft bleiben. Die beiden wichtigsten Faktoren hierbei sind der Erlass der Mehrwertsteuer von 25 Prozent (gilt mindestens bis Ende 2017) sowie der Wegfall der einmaligen Registrierungssteuer (wird frühestens 2020 eingeschränkt).

Letztere ist ein Steuerungsinstrument beim Neukauf, wie es in Deutschland kaum vorstellbar ist. Aus der Motorleistung, dem CO2-Ausstoß, dem Leergewicht und den Stickoxidemissionen wird diese Abgabe errechnet, deren Höhe gestaffelt ansteigt. Bei einem schweren und starken Fahrzeug kommen so leicht mehrere zehntausend Euro zusammen.

Das wiederum erklärt den Erfolg des Tesla Model S in Norwegen. Es ist im Vergleich zu Konkurrenten wie dem Audi A7 TDI Quattro einfach günstig; der Preis ist ungefähr halb so hoch. Und die Tempolimits von maximal 100 km/h auf Autobahnen sowie 80 oder 90 km/h auf Überlandstraßen führen bei allen Batterie-elektrischen Autos dazu, dass die praktischen nicht allzu weit von den theoretischen Reichweiten entfernt liegen. Allerdings, das entnehmen wir mehreren Gesprächen, widerspricht gerade die massive Förderung der kalifornischen Sportlimousine dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Norweger. Luxus soll hoch besteuert werden, das ist gesellschaftlicher Konsens.

Wenn der Verbrennungsmotor Aufpreis kostet

Weg von den Ausnahmen, hin zum Durchschnittsauto: Beim Volkswagen Golf, dem Liebling der Norweger, bewirkt die Steuerstreichung eine aus deutscher Sicht verdrehte Welt. Der Wolfsburger mit dem kleinsten verfügbaren Verbrennungsmotor mit 63 kW (85 PS) ist teurer als der e-Golf, der außerdem eine bessere Grundausstattung hat. Es ist ein Gedanke wert – wie wäre es, wenn die Flexibilität des Benziners in Verbindung mit der kurzen Betankungszeit auch bei uns Aufpreis kosten würde und der Stromer die bei allen Kosten billigere Alternative?


 

Registrierte E-Fahrzeuge (EV + PHEV) in Norwegen. 2014 ging die Post ab. Quelle: evnorway.no
Registrierte Elektro-Fahrzeuge (EV & PHEV) in Norwegen. 2014 ging die Post ab. Quelle: evnorway.no

 

Neben den fiskalischen Anreizen ist es mutmaßlich hilfreich, dass die Norweger schon lange den Umgang mit Ladekabeln gewohnt sind. Auf vielen Parkplätzen, zum Beispiel vorm Supermarkt, gibt es Steckdosen, mit denen Kühlwasser und Innenraum der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor elektrisch vorgeheizt werden können. Das verkürzt die materialmordende Kaltstartphase, und freie Scheiben erhöhen die Sicherheit (jetzt auch bei Elektroautos).

Es liegt auf der Hand: Norwegen und Deutschland unterscheiden sich bei den Rahmenbedingungen sehr stark. Der skandinavische Staat, reich geworden durch die Ölförderung, Nichtmitglied der EU, aber im Schengenraum, kann vorübergehend auf Steuereinnahmen verzichten und darum großzügige Anreize setzen. Die Bürger erkennen vor dem Hintergrund des 100-prozentigen Grünstroms aus Wasserkraft den Umweltnutzen der Elektromobilität. Und obwohl Norwegen mehr Fläche hat als Deutschland, wohnen dort nur gut fünf Millionen Menschen.

Nicht übertragbar, aber unbedingt zu beobachten

Das Fördermodell ist also nicht vorbildlich im Sinn einer direkten Übertragbarkeit. Trotzdem eignet sich das Land als eine Art Versuchslabor. Wir sollten intensiv beobachten, welche Auswirkungen es auf die Verkaufszahlen hat, wenn Batterie-elektrische Autos der heutigen Machart günstiger sind als die gleichen Fahrzeuge mit Benzinmotor. Und wie entwickelt sich der Markt in naher Zukunft, wenn ein e-Golf nicht mehr 24, sondern über 40 Kilowattstunden Batteriekapazität hat?

In den Genuss des norwegischen Preisgefüges werden deutsche Käufer wohl erst kommen, wenn die Verkaufspreise mit fallenden Batteriekursen deutlich abgesunken sind. Eine Abwrackprämie 2.0 ist allen hoffnungsvollen Gerüchten zum Trotz zwischen Flensburg und Füssen nicht absehbar. Aber dass die Prognose von Fritz Indra, „das Thema (Elektromobilität, Anm. des Autors)“ werde „verschwinden“, eintritt, darf dennoch munter bezweifelt werden.

Autor: Christoph M. Schwarzer

In der Folge stellen wir die wichtigsten Änderungsvorschläge vom Mai – einen finalen Beschluss gibt es noch nicht – des norwegischen Förderungsprogramms genauer vor:

Registrierungssteuer aktuell

Befreiung von der einmaligen Registrierungssteuer (gilt seit 1996), die auf Basis von Motorleistung, CO2-Ausstoß, Leergewicht und Stickoxidemissionen erhoben wird. Bei einem Volkswagen Golf können das 6.000 bis 9.000 Euro sein.

>> Idee für die Zukunft

Wird bis mindestens 2020 weitergeführt. Einschränkung danach in Abhängigkeit des norwegischen Erfolgs bei der landesweiten CO2-Reduzierung. Ein „phasing in“ bei Leergewicht und Motorleistung könnte die Förderung besonders schwerer und starker E-Autos begrenzen.

Mehrwertsteuer aktuell

Befreiung von der 25-prozentigen Mehrwertsteuer (seit 2001).

>> Idee für die Zukunft

Bleibt bis mindestens Ende 2017 bestehen. Danach könnte die Mehrwertsteuer komplett erhoben, aber durch eine gleich hohe Einmalzahlung ausgeglichen werden. Deren Höhe wiederum soll schrittweise abgeschmolzen werden.

Kfz-Steuer aktuell

Reduzierte Jahressteuer (seit 2004). E-Autos inklusive Brennstoffzellenfahrzeuge zahlen 52 Euro pro Jahr, Verbrenner zwischen 360 und 420 Euro.

>> Idee für die Zukunft

Ab 2018 zahlen Besitzer von Elektroautos die Hälfte des Betrags der Benziner und Diesel; ab 2020 werden die Sätze angeglichen.

Sonstige Privilegien

Freie Benutzung der Busspuren während der Rush-hour. Die Gefahr der Verstopfung wurde erkannt.

>> Idee für die Zukunft

Kommunen sollen, ähnlich wie in Deutschland, selbst entscheiden, ob sie die Regelung aufrechterhalten. Der öffentliche Nahverkehr soll nicht durch Elektroautos behindert werden.

3 Kommentare

zu „Norwegen: Die Mär vom Ende des Förder-Paradieses.“
Reinhardt
09.06.2015 um 22:58
Danke für den Norwegen-Bericht Herr Schwarzer. Obwohl Norwegen vorbildlich informiert gibt es immer wieder diese "Enten" in Sachen Kürzung der Förderung. Norwegen hat schon Dank 5% Elektrofahrzeuge Gesamtanteil die verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 5% senken können. Und die Verbreitung der E-Fahrzeuge findet landesweit statt, nicht nur im urbanen Raum Oslo. Rd. 19 T E-Fahrzeuge in Oslo und die Mehrzahl im Lande.
Dennis - Auto-und-Motors.de
10.06.2015 um 09:44
Hallo Herr Schwarzer, informativer Bericht, ich hab da bei den Norwegern nicht mehr so ganz durchgeblickt. In punkto Steuern bleibt also alles beim alten...
DanielB
10.06.2015 um 09:53
Ein super Bericht und vielen Dank dafür. Dieser erklärt mir nun deutlich und detailliert die einzelnen Unterschiede und auch, wieso gerade dort Elektromobilität so stark ansteigt.

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