E-Landwirtschaft: Von Feldern und neuen Geschäftsfeldern

Landmaschinen sind groß, aber nicht annähernd groß genug, um tonnenschwere Batterien zu schultern, welche die Feldarbeit über Stunden am Laufen halten würden. Im Projekt „GridCon“ aus dem Technologieprogramm „IKT für Elektromobilität“ hat der Landmaschinenhersteller John Deere trotzdem die Elektrifizierung eines Acker-Schwergewichts gewagt.

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Wie das gelungen ist? Die Initiatoren des Projekts versorgen die Maschine auf dem Feld durch ein mitgeführtes Kabel mit Strom. Als Zugmaschine für eine Egge und mit einer Reichweite von maximal einem Kilometer wurde das GridCon-System schon erprobt.

Im Interview gibt der verantwortliche Projektkoordinator Prof. Dr. Peter Pickel vom European Technology Innovation Center des amerikanischen Landmaschinen-Herstellers preis, dass bei dieser Reichweite nicht Schluss sein soll. Und im Nachfolgeprojekt GridCon 2 nun sogar die Basisideen der klassischen Universalmaschine „Traktor“ neu gedacht wird. Außerdem betont er im Gespräch mit electrive.net-Redakteurin Cora Werwitzke die Sinnhaftigkeit, E-Maschinen in ein Smart-Grid-Hofkonzept zu integrieren. Auf diese Weise könnten sich für Landwirte unter anderem völlig neue Felder auftun – Geschäftsfelder versteht sich.

Prof. Dr. Peter Pickel, das Projekt GridCon erschließt sich auch Laien recht schnell: Ein Elektro-Traktor mit langem Stromkabel beackert autonom oder manuell gesteuert die Felder und holt sich den benötigten Strom aus einem mobilen Trafo am Feldrand. Klingt simpel, ist es aber sicher nur auf den ersten Blick, oder?

Tatsächlich handelt es sich um eine komplizierte Aufgabe. Die Entwicklung des GridCON basiert auf dem Vorgängerprojekt „SESAM-Traktor“. Beim SESAM-Traktor handelte es sich um einen voll batterieelektrischen Traktor. Wir haben auf dem Weg zum GridCON-Traktor die Batterie durch die Kabeltrommel und den Netzanschluss ersetzt. Eine der großen Aufgaben war dabei, das Kabel beschädigungsfrei während der Fahrt in die eine Richtung auf dem Boden neben dem Traktor und dem Arbeitsgerät abzulegen und bei der Rückfahrt wieder aufzunehmen. Dabei muss das Kabel unter einer definierten Zugkraft gespannt gehalten werden. Hinzu kommen viele weitere Aufgaben. So muss die Leistungsübertragung über das lange Kabel verlustarm erfolgen. Auch Wendemanöver sind nicht trivial. Wir mussten uns auch elektrische Antriebe für die Arbeitsgeräte ausdenken. Schließlich ist die Anbindung an das Netz auch mit gewissem Aufwand verbunden. 300 kW sind eine doch beachtliche Leistung, für die besondere Vorkehrungen zu treffen sind. Und: wir planen, das Leistungsniveau und auch die Kabellänge – und damit die Reichweite – weiter zu erhöhen.

Das Thema Netzanbindung interessiert uns: Wie sehen die von Ihnen erwähnten Vorkehrungen aus? Und inwiefern spielt es eine Rolle, dass wir hier von unter Umständen wenig robusten Stromnetzen auf dem Land sprechen?

Ihre Frage berührt ein hochkomplexes und kompliziertes Themengebiet und wir haben längst noch keine fertige Lösung. Aber wir arbeiten daran. Hier ein paar Bemerkungen von meiner Seite: Landwirte erzeugen mittlerweile nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Energie. Eine besondere Schlüsselrolle kommt der Elektrizität zu, da die stationäre Energieerzeugung fast immer mit Elektrizität verbunden ist. In keinem anderen Sektor kann die gewünschte Wechselwirkung zwischen dem stationären Netz und den mobilen Fahrzeug so gut gestaltet werden, wie in der Landwirtschaft, da der Landwirt gleichzeitig die Hoheit über die Steuerung der betrieblichen Mobilität und des stationären Energiebedarfs besitzt. Der betriebsinterne Energiebedarf und auch die betriebliche Energieerzeugung können perspektivisch mit externen Energieerzeugern und mit dem regionalen Netz abgestimmt werden. Hierzu ist natürlich eine Kommunikation mit regionalen Netzbetreibern und auch Energieversorgern zu entwickeln. Wir glauben, dass landwirtschaftliche Betriebe so mittel- bis langfristig mit ihren Energieerzeugungsanlagen und ihren Verbrauchen – darunter die mobilen Maschinen – auch Netzdienstleistungen erbringen können. Das wiederum könnte einen Beitrag für stabile Netzstrukturen geben und für Landwirte ein neues Geschäftsfeld darstellen und gleichzeitig landwirtschaftliche Elektromobilität ermöglichen.

Richtig Sinn macht ein E-Traktor nach Ihren Worten also, wenn Landwirtschaftsbetriebe selbst Energie erzeugen und die Maschine mit diesem lokal generierten Strom antreiben. Hat sich dieser „Smart Grid“-Ansatz in Ihrem Pilotprojekt bewährt?

Oh ja, insbesondere für verschiedene Grid-Plug-In-Hybridisierungskonzepte! Wir verfolgen hier die Idee, die immer noch teure Batterie mehrfach und damit möglichst rund um die Uhr zu nutzen: Erstens natürlich auf der Arbeitsmaschine, dann zweitens, zur Pufferung der erneuerbaren Energieerzeugung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb und damit zur Erhöhung des Eigenenergieverbrauchs, sowie drittens zur Erbringung von Netzdienstleistungen. So könnte etwa die Beteiligung von landwirtschaftlichen Betrieben am Primärregelenergiemarkt ein völlig neues Geschäftsfeld für Landwirte erschließen. Im Übrigen verkürzt sich durch die Mehrfachnutzung der Batterie natürlich die Abschreibung. Die Investition in die immer noch sehr teure Batterie wird lukrativer!

Auf eine Fahrerkabine haben Sie beim GridCon auf Anhieb vollständig verzichtet, warum?

Wir mussten feststellen, dass die oben beschriebene, erforderliche Regelungsaufgabe für einen menschlichen Maschinenführer nicht zu bewältigen ist. Daher haben wir für die Kabelführung eine komplexe Steuerung einschließlich eines Roboterarms entwickeln müssen und das Fahrzeug fährt (auf dem Feld) vollständig autonom.

Elektrifizierte Landmaschinen sind in Europa aktuell noch rar. Als Serienprodukt fällt uns einzig ein Hoftraktor von Fendt ein – und der ist mit seinem Kompaktformat nicht für die Feldarbeit geschaffen. Dabei werden Prototypen elektrifizierter Landmaschinen durchaus auf Messen vorgestellt. Was macht die Serienproduktion so schwierig?

Vollelektrische mobile Landmaschinen waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt. Diese wurden durch Verbrennungsmotoren mit ihrer einfachen und kompakten Energiespeichermöglichkeit „Onboard“ verdrängt. Inzwischen gibt es seit einiger Zeit teilelektrifizierte Maschinen. John Deere hat für ein solches Konzept, namentlich für ein stufenloses elektrisch-mechanisch leistungsverzweigtes Getriebe mit der Möglichkeit, auch elektrische Arbeitsgeräte anzutreiben, auf der letzten Agritechnica (der weltgrößten Landtechnik-Messe, Anm. d. Red.) die einzige Goldmedaille als herausragende Innovation erhalten. Das Problem bei der Einführung vollelektrischer Arbeitsmaschinen ist einfach zu beschreiben – und zwar: Wie kommt die benötigte elektrische Energie von stationären Einrichtungen auf die mobile Arbeitsmaschine. Batterien sind einfach noch zu groß, zu schwer, zu teuer!

Aktuell ist mit GridCon2 bereits ein Nachfolgeprojekt am Laufen. Statt nur eines Traktors soll diesmal ein ganzer Verband von kabelgeführten, intelligent kooperierenden Landmaschinen eingebunden werden. Können Sie uns weitere Details zu dem Projekt schildern?

Wir gehen einen vollständig neuen Weg: Eine der Basisideen der klassischen Universalmaschine „Traktor“ war die Trennung des für eine landwirtschaftliche Applikation notwendigen Antriebs und der Energieversorgung auf der einen Seite von der eigentlichen Anwendung. Die Anwendung wird verkörpert durch das Arbeitsgerät, das sich eben nicht selbst antreiben kann. Das macht der Traktor, der aber wiederum ohne das Arbeitsgerät fast wertlos ist. Unser neuer Weg kann durch eine Dreiteilung beschrieben werden: Das Arbeitsgerät, die Antriebseinheit und die Energieversorgungseinheit. Die Antriebseinheit kann am ehestem mit einem Traktor verglichen werden. Sie ist aber vollelektrisch und arbeitet autonom. Außerdem hat sie keine eigene Primärenergiequelle. Dafür gibt es in unserem Zukunftskonzept nun eine separate, vielfach einsatzbare Energieversorgungseinheit. Was liegt näher, als diese für mehrere Antriebseinheiten – auch parallel – einzusetzen?

Auf Ihrer Webseite ist von der Vision einer Smart Farm die Rede, auf die das Nachfolgeprojekt hinarbeitet. Was hat es damit auf sich?

Wir sehen in der Smart Farm einen landwirtschaftlichen Betrieb, der bilanziell Energie- und CO2-neutral arbeitet, bei dem Nährstoffkreisläufe geschlossen sind, der in der Nahrungsmittelproduktionskette vernetzt ist, vielfach autonome Maschinen einsetzt und der dem Landwirt ein vernünftiges Einkommen bietet.

Für einen Landwirt wären die Investitionen beträchtlich…

Ja, wie bereits oben angedeutet, sehen wir gerade in Netzdienstleistungen für einzelne landwirtschaftliche Betriebe oder aber auch für Verbünde von Betrieben neue Geschäftsfelder. Der Ersatz von fossilen Energieträgern durch selbsterzeugte, nachhaltige Energie erhöht gleichzeitig die Wertschöpfung!

Konzipiert und erprobt werden kabelgeführte