Batteriefabrik: VW legt Grundstein für die „Salzgiga“

Volkswagen hat in seinem Komponentenwerk in Salzgitter den Grundstein für seine erste eigene Batteriefabrik gelegt. Ab 2025 soll die Fabrik für die neue Geschäftseinheit „PowerCo“ die Volkswagen-Einheitszelle herstellen, die in den Volumenmodellen verbaut werden soll.

Für die symbolische Grundsteinlegung waren auch Kanzler Olaf Scholz und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nach Salzgitter gekommen – neben der VW-Prominenz in Person des Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch, Technik-Konzernvorstand Thomas Schmall und dem CEO der neuen Gesellschaft PowerCo, Frank Blome. Der Sitz der PowerCo – also jener SE, an der sich auch externe Geldgeber an VWs Batterieproduktion beteiligen können sollen – wird direkt neben der Batteriefabrik in Salzgitter angesiedelt.

„In kaum einer anderen Industrie fällt der Wandel so grundlegend aus wie im Automobilbau“, sagt Scholz in seiner Rede. „In Salzgitter wird das besonders sichtbar, heute stammt die Hälfte aller VW-Motoren von hier. Der Wandel wird gut ausgehen, wenn wir dem Alten nicht nachhängen, sondern das Neue an den Hörnern packen.“

„Hier in Salzgitter wird augenscheinlich, wie sehr sich unsere Industrie wandelt – und wie sehr Volkswagen ein Treiber dieses Wandels sein kann“, ergänzt Diess bei seinem Auftritt in Halle 3. „Salzgiga wird unsere Power-Zentrale. Von hier aus starten und steuern wir unsere globale Batterieproduktion– mit der PowerCo. Die Batterie wird neben der Software der große Wert-Treiber im Auto – deshalb geben wir sie nicht aus der Hand.“

600 Meter lang, 350 Meter breit

Die Fabrik, die auf einer Fläche von 30 Fußballfeldern ab 2025 die VW-Einheitszelle im großen Maßstab fertigen soll, ist dabei nur ein Teil des künftigen Batterie-Standorts Salzgitter. In dem 1970 eröffneten Werk wird das „Global Battery Hub“ des VW-Konzerns angesiedelt. Das heißt: In dem Komponentenwerk wird der Konzern die Batterien entwickeln, testen, fertigen und auch recyceln. Zudem werden in Salzgitter eine Batterie-Akademie und ein Zulieferer-Park angesiedelt. Salzgitter entwickelt die Einheitszelle zentral für den Konzern und bringt sie dann in die Welt – im ersten Schritt in die fünf weiteren Batteriefabriken, die in Europa entstehen sollen. Insgesamt wird die PowerCo (mit Partnern) 20 Milliarden Euro bis 2030 investieren.

„Es ist nicht nur ein Grundstein, sondern ein Meilenstein“, sagt Technikvorstand Schmall. Denn die Zellfabrik in Niedersachsen wird als Blaupause für die weiteren Standorte dienen – die Fabrik in Sagunt nahe Valencia soll bereits 2026, also ein Jahr nach Salzgitter in Betrieb gehen – bis Ende des Jahrzehnts folgt jedes Jahr eine weitere 40-GWh-Fabrik. Nach dem Ausbau in Europa sind von PowerCo weitere Batteriefabriken auf anderen Kontinenten geplant. Konkret nennt Diess die USA, wozu es bereits Gerüchte gegeben hatte. Einen Standort nannte der VW-CEO aber nicht.

Die standardisierte Fabrik – also Gebäude, Produktionsanlagen und die Infrastruktur wie etwa IT und Logistik – soll die schnelle Skalierung überhaupt erst ermöglichen. Von der Freigabe einer Fabrik im Vorstand bis zum Produktionsstart soll es 18 Monate dauern – anstatt 36, wie PowerCo-CEO Frank Blome angibt.

Salzgitter als Blaupause für die Welt

Dass PowerCo die Batteriefabriken nach dem immergleichen Vorbild aus Salzgitter bauen kann, liegt an der viel zitierten Einheitszelle. Dabei handelt es sich um eine prismatische Batteriezelle, die künftig in 80 Prozent der E-Fahrzeuge des VW-Konzerns eingesetzt werden soll. Egal ob Kleinwagen, Premium-Limousine oder E-Transporter für Handwerker: Die äußeren Abmessungen der Batteriezellen sind in allen Fahrzeugen gleich.

„Die unterschiedlichen Fahrzeuge stellen wir dann über die Zellchemie ein“, erklärt Blome. „Wir können im Vergleich zu anderen Zellherstellern Komplexität herausnehmen. Das gilt für die Zellchemie, Zellformate und auch die Zellfabriken.“

Sprich: In das Gehäuse der prismatischen Zelle können sowohl NMC- als auch LFP-Zellen eingesetzt werden. Die Produktion der unterschiedlichen Zellchemien ist sogar auf einem Band möglich. In dieser Mischung aus Flexibilität und Standardisierung verspricht sich VW große Vorteile. So sind die Produktionsanlagen in allen Fabriken gleich, die Elektrodenmaterialien werden also in die immergleichen Stücke geschnitten und zu den gleichen Stapeln zusammengesetzt, bevor sie in das Gehäuse kommen – egal ob in Salzgitter, Schweden oder Spanien. So kann VW die Anlagen in einem Aufwasch bestellen. In Salzgitter sollen die ersten Anlagen bereits im zweiten Quartal 2023 aufgestellt werden.

Die Flexibilität zwischen NMC- und LFP-Kathoden, aber auch unterschiedlichen Materialmischungen innerhalb der NMC-Technologie, soll es ermöglichen, die passenden Zellen für die unterschiedlichen Fahrzeugklassen und deren Anforderungen zu bauen. Mal mit hohem Nickelanteil, mal mit mehr Mangan – oder die günstigere LFP-Chemie. Mit einigen Anpassungen sollen künftig auch Feststoffzellen in den VW-Fabriken gebaut werden können. Wann genau das der Fall sein wird, will Batterie-Experte Blome aber nicht angeben – Ende des Jahres stehe der nächste große Schritt gemeinsam mit Partner QuantumScape an.

Mit der Möglichkeit, unterschiedlichste Zellchemien auf einem Band fertigen zu können, will VW nicht nur auf die Entwicklung, sondern auch auf die Kundennachfrage und teilweise auch die Lieferketten reagieren können. Werden Rohstoffe wie etwa Nickel unverhältnismäßig teuer oder sind schlichtweg nicht in ausreichenden Mengen verfügbar, kann auf andere Technologien umgesteuert werden.

Da die PowerCo nicht nur die Zellen entwickelt und baut, sondern auch für die „vertikale Integration“ – sprich die Rohstoff-Beschaffung – zuständig ist, erhofft sich VW die nötige Geschwindigkeit, um die Zellversorgung für die stetig wachsende eMobility-Nachfrage zu sichern. Perspektivisch soll die Prozesskette der Vorprodukte an den jeweiligen Fabrik-Standorten angesiedelt werden, um die Abhängigkeit von Asien bei den wichtigen Vorprodukten zu verringern.

Heißt auch: Die Beschaffung der Zell-Rohstoffe liegt bei dem Einkaufsvorstand der PowerCo, Jörg Teichmann – und nicht in der VW-Konzernbeschaffung von Murat Aksel. Dort liegt aber – auch kartellrechtlich, wie Schmall betont – die Verantwortung für den Einkauf kompletter Zellen von anderen Anbietern wie etwa LG Energy Solution.

Obwohl der Kanzler zur Grundsteinlegung gekommen ist, hat VW für die Batteriefabrik in Salzgitter keine staatliche Förderung in Anspruch genommen. Wie Schmall angibt, wurde diese Entscheidung vor allem aus Geschwindigkeitsgründen getroffen – die Vorgaben der IPCEI-Förderung etwa hätten das Vorhaben gebremst. Die weiteren Fabriken werden jedoch staatliche Unterstützung erhalten, teilweise für den Bau direkt, teilweise für die Grundstück-Suche oder die Weiterbildung der Mitarbeitenden.

Die Batteriefabriken sollen ausschließlich mit Grünstrom betrieben werden. In Salzgitter hat Volkswagen eine große PV-Anlage installiert, zudem sind Projekte mit Energieversorgern in der Umgebung in Planung, um den Grünstrom-Bezug lokal abzusichern. Das soll – ähnlich die bei den Vorprodukten – auch an den weiteren Standorten so umgesetzt werden.

Wo genau die drei noch nicht bestätigten Zellfabriken entstehen werden (neben Salzgitter, Sagunt und Skelleftea mit Northvolt), will der Konzern laut Schmall in den kommenden Monaten verkünden. Eine Fabrik wird in Osteuropa entstehen, zu den Werken 5 und 6 hat VW noch keine Angaben gemacht. Man habe mehrere Standorte auf der Liste und auch einige Favoriten, so Schmall.

Übrigens: Die angekündigte Belieferung von Batteriezellen an Kunden außerhalb des VW-Konzerns will die PowerCo weiter umsetzen. „Im ersten Schritt werden wir relativ schnell in den Markt für Großspeichersysteme einsteigen“, so Schmall. „Im zweiten Schritt folgen Autobauer, die bereits heute Plattform-Partner sind. Und erst im dritten Schritt werden wir dann Zellen an Autobauer liefern, die heute noch kein Partner sind.“ Auch wenn es Schmall nicht beim Namen nennt: Plattform-Partner ist etwa Ford mit der Produktion von MEB-Modellen in Köln.

„So einen Blödsinn machen wir nicht!“

Bevor Scholz und Diess den symbolischen Grundstein für die „Salzgiga“ gelegt haben, hatte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bei einer Betriebsversammlung vor 4.000 Mitarbeitenden der Früh- und Spätschicht gesprochen. Weil gab an, 2019 bei einem Besuch in Salzgitter vor allem fragende Gesichter gesehen zu haben, was in Zeiten des Klimawandels aus den Arbeitsplätzen in der Verbrenner- und Getriebefertigung werde. „Der heutige Tag gibt eine überzeugende Antwort für Salzgitter und vielleicht auch darüber hinaus“, so Weil. „Ein Unternehmen wie Volkswagen muss Verantwortung übernehmen. Wenn eine neue Zeit beginnt, kann man nicht das Alte einfach hinter sich lassen. Strukturwandel ist kein Unglück, sondern eine Aufgabe.“

Dem pflichtet auch Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, bei: „Die Transformation zur Elektromobilität kann sehr wohl Gutes bringen, gute Arbeitsplätze und sichere Beschäftigung.“ Salzgitter solle nicht nur eine Blaupause für die technische Umsetzung der Batteriefabriken werden, sondern auch für die Beschäftigungssicherung. „Unsere Wettbewerber sind neidisch darauf, wenn sie sehen, was hier entsteht“, so Cavallo.

Die Betriebsratschefin erinnert auch an den Wandel, den das Management des Konzerns durchgemacht hat. Noch 2016 sei die Antwort „des damaligen Vorstandsvorsitzenden“ (Anm. d. Red.: Matthias Müller) auf die Forderung nach einer eigenen Zellfertigung deutlich gewesen: „So einen Blödsinn machen wir nicht!“ „Ich bin froh, dass er nicht Recht behalten hat“, so Cavallo.
Quelle: Veranstaltung in Salzgitter, volkswagen-newsroom.com

2 Kommentare

zu „Batteriefabrik: VW legt Grundstein für die „Salzgiga““
A. Ziel
08.07.2022 um 07:20
Das im oder beim vorhandenen Werk anzusiedeln hat sicher auch den Genehmigungsprozess ungemein beschleunigt, wahrscheinlich wurden Jahre dafür eingespart. Gespannt darf man u. a. aufs Personelle dort sein, wie stark es gelingt, die vorhandenen Salzgitter-Mitarbeiter oder einen wesentlichen Teil davon mit auf die „neue Reise“ zu nehmen. Transformationserfahrungen hat man ja u. a. in Zwickau sammeln können, wenngleich dort der inhaltliche Wechsel nicht so radikal erscheint, es werden ja weiterhin Autos gefertigt, nicht Batteriebestandteile, wie dann in Salzgitter.
Orakel
10.07.2022 um 17:43
Leider alles zu spät und zu langsam. Die Chinesen werden ihre Chance nutzen und die steil ansteigende Nachfrage nach E-Autos bedienen. Wenn man auf E-Modelle von VW jetzt schon bis zu 2 Jahre Lieferzeit hat, werden viele zu verfügbaren chinesischen Autos greifen. Und wenn sie mal im Markt sind, werden sie auch bleiben.

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