Neue P3-Studie zeigt: Elektroauto-Batterien halten deutlich länger als gedacht
Mal ist es die Kinderarbeit beim Kobalt-Abbau, dann die Reichweitenangst oder der Zusammenbruch des Stromnetzes, wenn alle Elektroautos gleichzeitig laden – durch das Internet geistern viele Falschaussagen und Halbwahrheiten rund um Elektroautos und deren Batterien. Und kaum wird ein Thema mit Fakten widerlegt oder durch höhere Reichweiten und bessere Ladenetze obsolet, wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Eine dieser Säue ist die Batteriealterung: Gebrauchte Elektroautos werden nahezu unverkäuflich sein, da die Batterie schnell altert, an Reichweite verliert und im schlimmsten Fall ersetzt werden muss.
Wie so viele Mythen hat auch jener rund um die Batteriealterung einen wahren Kern – Batterien altern und das gleich in doppelter Hinsicht. Wer sich also unbedarft über Elektroautos informieren will, stößt früher oder später auf derartige Geschichten. Klar ist: Die Batterie ist das teuerste Bauteil eines Elektroautos, weshalb sich die berechtigte Frage stellt, wie das den Restwert des Autos beeinflusst oder wie häufig Elektroauto-Batterien tatsächlich ersetzt werden müssen und welche finanziellen Folgen das hat.
Um hier eine faktenbasierte Antwort zu geben und den Batterie-Mythen entgegentreten zu können, hat die auf eMobility spezialisierte Unternehmensberatung P3 eine Studie durchgeführt. Im ersten Schritt wurden 50 E-Autos aus der P3-eigenen Flotte untersucht, später die realen Messdaten von 7.000 Elektroautos analysiert. Mit den Ergebnissen will P3 Verbraucher umfassend aufklären, um Missverständnisse rund um die Elektromobilität und insbesondere über die Batterielebensdauer zu beseitigen. „Fehlinformationen können den Übergang zur Elektromobilität negativ beeinflussen, indem sie unbegründete Ängste verstärken und so die gesellschaftliche Akzeptanz und Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen verringern. Dafür ist die Bereitstellung verlässlicher und transparenter Daten entscheidend, um ein realistisches Bild der tatsächlichen Batterielebensdauer zu vermitteln und damit das Vertrauen in Elektrofahrzeuge zu stärken“, heißt es in dem Whitepaper.
State of Health als Haupt-Indikator
Bevor wir zu den Ergebnissen kommen, klären wir kurz vorab einige Begriffe. Zentral bei der Batteriealterung ist der „Gesundheitszustand“, im Englischen als „State of Health“ oder kurz SoH bezeichnet. Hier gibt es keine einheitliche Definition, P3 bezieht sich in dieser Veröffentlichtung rein auf die Kapazität der Batterie. Der SoH wird als Verhältnis der aktuellen, gemessenen Kapazität mit jener im Neuzustand definiert – genau genommen jeweils die Nettokapazität, also der vom Kunden nutzbare Energiegehalt. Die Bruttokapazität, also der tatsächlich im Fahrzeug verbaute Energiegehalt, liegt höher, ist aber hier nicht relevant. Am Ende zählt nur das, was dem Kunden im E-Auto an Energie zur Verfügung steht. Sprich: Die Nettokapazität im Neuzustand entspricht einem SoH von 100 Prozent. Sinkt später die aktuelle Kapazität, sinkt auch der SoH auf einen Wert unter 100 Prozent. In den Garantie-Bedingungen der Hersteller werden oft 70 oder 80 Prozent nach einer gewissen Fahrleistung oder Nutzungsdauer festgehalten.
Der Vollständigkeit halber: Oft ist von „kalendarischer“ und „zyklischer“ Alterung die Rede. Beim kalendarischen Altern einer Batterie ändern sich chemische Strukturen in den Batteriezellen, auch ohne aktive Nutzung. Durch zyklisches Altern entstehen zusätzlich Belastungen durch das Laden und Entladen der Batterie. Beide Faktoren lassen sich nicht ganz vermeiden (später dazu mehr) und auch nicht klar voneinander trennen. Daher umfasst die SoH-Definition nicht noch Werte wie die Lade- und Entladehistorie, sondern nur die Kapazität – was aus Kundensicht beim E-Auto eben relevant ist.
Daten von über 7.000 Fahrzeugen ausgewertet
Was an dieser Studie neu ist, ist der Fakt, dass sie auf realen Daten von Fahrzeugen basiert, die auf der Straße unterwegs sind. P3 hat bisher in seinem SoH-Modell Prognosen zur Lebensdauer getroffen, die auf akademischen Daten und Labormessungen basiert haben – meist auf der Zellebene. Mit den Daten aus den E-Autos kommen nicht nur externe Faktoren wie Umwelteinflüsse sowie das Fahr- und Ladeverhalten hinzu, sondern auch die Programmierung des Batteriemanagementsystems und die dort umgesetzten Alterungsstrategien der Autobauer, wie sie ihre Batterien belasten und/oder schützen.
Um an die so wichtigen Fahrzeugdaten zu kommen, hat P3 zwei Ansätze verfolgt: Zum einen wurden 50 Fahrzeuge aus der eigenen Firmenflotte vermessen, die Batterie auf die bisherige Alterung untersucht und der SoH mit dem Nutzungs- und Ladeverhalten in Zusammenhang gebracht. „Die Fahrzeuge wurden dabei so ausgewählt, um Einblicke in möglichst verschiedene Fahr- und Ladeprofile zu erlangen, sowie Unterschiede zwischen den Herstellern zu erfassen“, so P3.
Um diese qualitativen Einzelanalysen mit mehr quantitativen Daten zu hinterlegen, kam im zweiten Schritt das österreichische Batterie-Diagnostik-Startup Aviloo dazu. Aviloo hat nach eigenen Angaben bereits über 60.000 Kapazitätstests durchgeführt. Kurzer Exkurs: Aviloo bietet zwei unterschiedliche Analysen an, den „Flash Test“ und den „Premium Test“. In beiden Fällen wird die sogenannte Aviloo Box, ein OBD-Dongle, an den OBD-Port des Fahrzeugs angeschlossen. Für den „Premium Test“ wird die Batterie auf 100 Prozent geladen und mit angeschlossenem Dongle auf zehn Prozent leer gefahren. Auf diese Weise werden unzählige Batterie-relevante Daten gemessen und auf den Aviloo-Servern analysiert. Der „Flash Test“ findet hingegen nur im Stand statt und stützt sich bei der Analyse der verfügbaren Messwerte auf eben jene Datenbank, die über den „Premium Test“ zum jeweiligen Batterietyp aufgebaut wurde.
P3 hat für seine Analyse die Datensätze von über 7.000 Fahrzeugen genutzt, die alle mit dem „Premium Test“ untersucht wurden – dieses Verfahren ist aufwendiger, aber eben präziser. In diesem Datensatz waren auch Fahrzeuge mit über 300.000 Kilometern Laufleistung. „Dadurch konnte die Batteriealterung in Bezug auf die Laufleistung detaillierter und quantitativer bewertet werden“, heißt es in dem Whitepaper. „Dies ergänzt die Analyse der P3-Flotte gezielt und bietet eine breitere Datenbasis für eine fundierte Beurteilung.“
Und die Auswertung hat ein klares Ergebnis: In den ersten rund 30.000 Kilometern läuft der Kapazitätsverlust beschleunigt ab, der State of Health sinkt also verhältnismäßig schnell von 100 auf etwa 95 Prozent. Die gute Nachricht: Mit steigender Kilometer-Laufleistung nimmt die reale Degradation ab. Die Aviloo-Daten der 7.000 Fahrzeuge zeigen einen (gemittelten) SoH von rund 90 Prozent bei 100.000 Kilometern an. Und danach ist die Trendlinie nahezu horizontal, zwischen 200.000 und 300.000 Kilometern ist sie annähernd stabil – und liegt weit über den 70 bis 80 Prozent aus der Batterie-Garantie. Tatsächlich sind es eher 87 Prozent.
Für den schnellen SoH-Verlust in der Anfangsphase gibt es eine einfache Erklärung: In der Batteriezelle bildet sich auf der Anode (also dem Minuspol) bei den ersten Lade- und Entladezyklen eine sogenannte SEI-Schicht (Solid Electrolyte Interphase). Dabei handelt es sich um Ablagerungen von Reaktionsprodukten aus dem Elektrolyten, die sich immer bilden. Das kann je nach Fahrzeug und Batterie-Chemie stark unterschiedlich ablaufen, weshalb sich in den Daten eine starke Streuung ergibt. Die Trend-Linie aus den über 7.000 Fahrzeugdatensätzen gibt aber eine gute Einschätzung.
Und auch die Daten der 50 P3-Fahrzeuge passen zu den Ergebnissen aus der Aviloo-Auswertung. Dabei handelt es sich zum Teil auch um Fahrzeuge, die für andere Tests genutzt wurden, das Fahr- und Ladeprofil kann bei diesen Exemplaren also durchaus extremer ausfallen als bei einem Dienstwagen, der vorrangig zum Pendeln genutzt wird. Dennoch haben sich ihre Batterien als langlebig erwiesen: „Fast alle getesteten P3-Fahrzeuge weisen einen SoH von über 90% auf. Dies deutet darauf hin, dass die Batterien der P3-Flotte, trotz unterschiedlicher Hersteller, unterschiedlicher Nutzungsprofile und intensivem Gebrauch, weiterhin eine sehr gute Leistungsfähigkeit beibehalten.“
Ebenfalls eine interessante Erkenntnis aus den über 7.000 Datensätzen: Die Felddaten legen nahe, dass die tatsächliche Batteriekapazität unter realen Bedingungen, vor allem bei den oft zitierten hohen Laufleistungen von 200.000 Kilometern und mehr, länger erhalten bleibt als angenommen. Das 2023 veröffentlichte SoH-Modell von P3 hatte auf Basis der Zell-Labortests eine deutlich pessimistischere Prognose für den Batterie-Gesundheitszustand gegeben. Bis etwa 50.000 Kilometer liegen das Labor-Modell und die Felddaten in etwa gleichauf – über 100.000 Kilometer weichen die Trendlinien aber stark voneinander ab. P3 folgert, dass die tatsächlichen Nutzerprofile und die Steuerung der Zellen durch das Batteriemanagement im Feld die Alterung deutlich reduziert.
Doch wie kann die festgestellte Streuung erklärt werden? Schließlich haben einige Fahrzeuge noch bei über 50.000 Kilometern einen extrem hohen SoH, einzelne Exemplare liegen sogar bei fast 200.000 Kilometern noch bei 98 Prozent – während andere recht schnell unter 90 Prozent fallen. Tatsächlich haben das Lade- und Nutzungsverhalten der Fahrer als auch die Fahrzeuge selbst darauf Einfluss – bzw. natürlich die Hersteller. Da spielt zum einen der vorgesehene Puffer (also die Differenz zwischen Brutto- und Nettokapazität) eine wichtige Rolle, sowohl bei der Größe als auch bei der Nutzung des Puffers. Denn er kann beispielsweise genutzt werden, um die wahrnehmbare Alterung im Garantiezeitraum zu senken – indem mit der Zeit etwas mehr Nettokapazität freigegeben wird. Andererseits kann etwa per Software-Update das Ladeverhalten angepasst werden. Das kann zum einen eine höhere Ladeleistung für kürzere Ladezeiten sein, was aber in der Zelle zu mehr Stress führt. Auf der anderen Seite ist aber auch möglich, dass per Update die Steuerung der Zellen verbessert wird, wenn etwa mit einer optimierten Vorkonditionierung der Stress beim Schnellladen unter suboptimalen Bedingungen reduziert wird.
Datenbasis wird mit höherer Laufleistung schlechter
Nicht unerwähnt bleiben sollen zwei Kritikpunkte an den Datensätzen: P3 weist selbst darauf hin, dass die Datenlage für Fahrzeuge mit über 200.000 km Kilometerstand deutlich kleiner ist als für Fahrzeuge mit geringerer Laufleistung. „Der Grund sind nur wenig Fahrzeuge mit einer so großen zurückgelegten Reichweite. Dies schränkt die Aussagekraft für hohe Kilometerstände etwas ein und führt ebenfalls zu größerer Streuung der Daten“, so die Studie. Und auch der „Survivorship Bias“ muss berücksichtigt werden: Schließlich wurden nur Fahrzeuge mit hoher Laufleistung gemessen, die mit 200.000 oder 300.000 Kilometern noch fahrtüchtig waren. Fahrzeuge, die aufgrund von Batterieausfällen nicht mehr im Einsatz sind, werden nicht einbezogen. Das kann die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge tendenziell zu positiv erscheinen lassen. Das große Aber: Selbst wenn ein E-Auto vorzeitig ausfällt, ist das laut der ADAC-Pannenstatistik von 2023 nur vereinzelt auf die Traktionsbatterie zurückzuführen. „Einzelfälle wie beispielsweise durch spezielles Nutzungsverhalten oder Produktionsfehler bedingte Ausfälle, können dennoch vorkommen und treten oft innerhalb der Garantiezeit auf und stellen somit selten ein finanzielles Risiko für Verbraucher da“, schreibt P3.
Was kann man nun als Verbraucher tun, um die Batterie-Gesundheit zu verbessern bzw. die Alterung zu verlangsamen? Grob gesagt mit einem schonenden Fahr- und Ladeverhalten. Für eine detailliertere Antwort muss dann doch zwischen der kalendarischen und zyklischen Alterung unterschieden werden. Wichtig: Es handelt sich hierbei um abgeleitete, eher allgemeingültige Aussagen. Im Einzelfall ist je nach Fahrzeug und Batterie auch ein anderes Verhalten möglich. Schaden werden folgende P3-Empfehlungen der Batterie aber nicht.
Bei der kalendarischen Alterung über die Zeit sind es vor allem die Temperatur und der Ladezustand. Bei Nicht-Nutzung bevorzugen Batterien niedrige bis mittlere Temperaturen, laut P3 unter 25 Grad. Eine zu hohe Temperatur (genannt werden über 60 Grad) ist eine „Triebkraft für chemische Reaktionen, die zur beschleunigten Degradation der Kapazität führt“. Aber auch hier kann das Fahrzeug bzw. das Batteriemanagement mithelfen, wie unser technischer Deep Dive in die PPE-Plattform des VW-Konzerns zeigt. Wichtig ist auch der Ladezustand, mit dem ein Elektroauto über einen längeren Zeitraum abgestellt wird. Ein höherer Ladestand bedeutet eine höhere Spannung in der Zelle – was über eine längeren Zeitraum die Alterung beschleunigt. P3 empfielt, das Fahrzeug bei sehr langen Standzeiten mit einem niedrigen bis mittleren Ladestand (zehn bis 50 Prozent) zu parken.
Schonendes Fahr- und Ladeverhalten hilft der Batterie
Auch bei der zyklischen Alterung, also der Nutzung, spielt die Temperatur eine Rolle – aber in einem anderen Bereich. Denn wird die Batterie genutzt, sollte sie weder zu heiß noch zu kalt sein. Das gilt für das (Schnell-)Laden, aber auch für das Fahren. Hohe Ströme (Schnellladen, starkes Beschleunigen, Fahren mit hoher Geschwindigkeit) sind allgemein nicht förderlich für den SoH, bei extremen Temperaturen aber besonders. Sprich: Ein moderates Fahrverhalten mit konstanten, niedrigen Geschwindigkeiten und seltenes Schnellladen bei mittleren Temperaturen wären ideal – und das mit einer niedrigen Entladetiefe, also wenn man zwischen 20 und 80 Prozent Ladestand bleibt. Weicht man in Einzelfällen davon ab (weil eben auch im Winter eine Schnellladung entlang der Autobahn benötigt wird), ist das kein Weltuntergang. Ein überwiegend schonendes Fahr- und Ladeverhalten kann die Batteriealterung aber verlangsamen.
Die Erhebung zeigt auch, dass die reale Batteriealterung selten die Bestimmungen der Batterie-Garantie reißt. Standardmäßig beträgt die Garantie für EV-Batteriesysteme derzeit über acht Jahre oder 160.000 Kilometer, erste Hersteller gehen auf 250.000 Kilometer und zehn Jahre. Lexus gibt auf den (zugegeben nicht weitverbreiteten) UX300e sogar eine Garantieverlängerung auf eine Million Kilometer oder zehn Jahre an. Die Batterie hält also in aller Regel deutlich länger als die Garantie oder andere Teile des Fahrzeugs.
Mit der langen Lebensdauer wird natürlich auch eine zweite Nutzung der Batterie nach dem „First Life“ im Fahrzeug möglich, etwa als stationärer Energiespeicher – das „Second Life“. Erst nach dieser Zweitnutzung, also rund 20 Jahre oder mehr, geht eine Batterie dann in das Recycling. So zumindest das Modell.
Um die eingangs gestellte Frage nach dem Restwert zu beantworten: Dieser hängt stark von der aktuellen Nutzungsphase ab. Innerhalb des Garantie-Zeitraums des Herstellers ist er natürlich höher als nach dem Auslaufen der Garantie, selbst wenn die Batterie im Fahrzeug noch funktionstüchtig ist. Da sie im Fall der Fälle nicht mehr auf Garantie getauscht oder repariert wird, sinkt der Restwert. „Innerhalb der Garantiezeit ist der Wertverlust stark von der Alterung und der verbleibenden Kapazität abhängig“, schreibt P3. „Nach Ablauf der Garantie ist ein stärkerer Wertverlust zu erwarten. Am Ende der ersten Lebenszeit kann die Batterie, abhängig von den Kosten neuer Batterien, durch eine zweite Nutzung dennoch einen signifikanten Restwert besitzen“.
p3-group.com (Whitepaper zum Download)
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