Künftige Formel-E-Autos bekommen mehr Leistung und Rekuperation

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Der Weltmotorsportrat des Automobilverbandes FIA hat die Weichen für die dritte Formel-E-Generation gestellt: Die Fahrzeuge erhalten ab Saison 9 (2022/23) mehr Leistung und eine höhere Rekuperation. Auch einige Hersteller der Einheits-Komponenten wurden benannt.

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Die sogenannten Gen3-Rennwagen sollen für die Saisons 9 (2022/23), 10 (2023/24) und 11 (2024/25) eingesetzt werden. Bei der Ausschreibung im Dezember 2019 hatte die FIA noch zwei Szenarien für die künftige Leistung der Formel-E-Rennwagen entworfen. Mit den nun veröffentlichten Daten steht fest, dass die stärkere Version gewählt wurde. Einige der Änderungen gehen Hand in Hand und sollen die Rennen abwechslungsreich und spannend halten.

In der Qualifikation werden die Gen3-Autos künftig 350 kW leisten, im Rennen dann 300 kW. Das sind jeweils 100 kW mehr als bei den aktuellen Gen2-Rennwagen. Die Antriebsstränge dürfen die beteiligten Hersteller weiterhin selbst entwickeln, die maximale Leistungsabgabe wird jedoch von der FIA überwacht – wer zu viel Leistung abruft, wird bestraft.

Neu bei den Gen3-Boliden wird ein zweiter E-Motor an der Vorderachse sein. Wie bei der Ausschreibung angedeutet, wird dieser aber nur für die Rekuperation, nicht für den Vortrieb eingesetzt – der reine Heckantrieb soll die Herausforderung für die Fahrer erhöhen. Mit der zusätzlichen Rekuperationsleistung von 250 kW an der Vorderachse erhöht sich die maximale Leistung auf 600 kW, womit der Energierückgewinnung eine noch größere Rolle zukommt.

Zudem sollen die Rennautos leichter werden – im Zusammenspiel mit der höheren Leistung dürften so die Rundenzeiten deutlich sinken. Das Gewicht wird teilweise beim Akku eingespart, dessen Kapazität etwas sinkt. Der Großteil der Gewichtsersparnis soll aber über modernere Zellen erzielt werden.

Insgesamt wird der Energieverbrauch wegen der höheren Leistung etwas steigen – bei den vielen Vollgas-Passagen kann auch die verbesserte Energierückgewinnung das nicht ausgleichen. Deshalb soll es wieder Boxenstopps geben, bei denen die Akkus mit bis zu 600 kW Ladeleistung nachgeladen werden dürfen. Das wird je nach Auto und Strecke unterschiedliche Strategien ermöglichen – entweder kann mehr Leistung genutzt werden, was einen längeren Lade-Stopp nach sich zieht, oder eine etwas langsamere, aber effizientere Fahrweise führt dazu, dass der Fahrer weniger Zeit an der Box verliert.

Für die Gen3-Autos wurden bereits einige Hersteller der Einheits-Komponenten benannt. Das Chassis soll wie bisher vom französischen Unternehmen Spark entwickelt und hergestellt werden. Skizzen der neuen Autos wurden aber noch nicht veröffentlicht. Teil des Chassis-Pakets wird auch der vordere Elektromotor/Generator sein, der somit für alle Teams gleich ist – Eigenentwicklungen sind also weiterhin nur beim eigentlichen Antrieb erlaubt. Zudem wird Williams Advanced Engineering wie schon bei den Gen1-Autos die Batterie liefern. Bei den Gen2-Rennwagen stammt der Akku von McLaren Applied Technologies.

Auch bei dem Reifenhersteller gibt es einen überraschenden Wechsel: Bisher wurden in allen Rennen Reifen von Michelin eingesetzt, ab 2022 übernimmt aber der koreanische Hersteller Hankook. Das Unternehmen will die Formel E in seine Marketing-Kampagne zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz einbeziehen.

Neues Formel-E-Cockpit für Daniel Abt

Zudem wurden einige sportliche Regeln angepasst, die bereits ab der kommenden Saison mit den Gen2-Autos greifen. So sollen vor allem Kosten eingespart werden, in dem etwa die Anzahl der Mitarbeiter vor Ort reduziert werden soll (was über die Flugzeugreisen auch CO2 spart) als auch die Zahl der Ingenieure, die an den Rennwochenenden vom Werk aus übertragene Daten auswerten und so die Performance der Autos beeinflussen können. Zudem sollen pro Saison weniger Reifen und Brems-Komponenten eingesetzt werden.

Aber auch zu der laufenden Saison, die mit sechs Rennen in Berlin zu Ende gebracht werden soll, gibt es Neuigkeiten: Nachdem Daniel Abt sein Cockpit bei Audi verloren hatte (hier übernimmt DTM-Pilot René Rast), hat sich Abt für die verbleibenden Rennen mit dem chinesischen Nio-Team geeinigt. Abt ersetzt dort den Chinesen Qing-Hua Ma, der wegen der Covid-19-Beschränkungen in seiner Heimat nicht nach Berlin reisen wird. Offen ist, ob Abt auch in der kommenden Saison für Nio antreten wird. Das Team des kriselnden chinesischen Herstellers erlebt derzeit eine schwierige Saison: Als einziges Team hat Nio noch keine Punkte eingefahren. Das kann sich nun womöglich ändern: Abt gilt als ausgewiesener Spezialist für die Rennstrecke auf dem Tempelhofer Feld, hier hatte der Kemptener 2018 ein perfektes Wochenende: Pole Position, schnellste Rennrunde und den Rennsieg.

Update 16.07.2020: Nachdem die Formel E kürzlich bereits einige Hersteller für die Komponenten der Gen3-Rennwagen benannt hat, ist nun auch klar, wer die Ladetechnik liefern wird: Es ist Titelsponsor ABB. Zusammen mit Ingenieuren des Motorsport-Dachverbandes FIA und der Formel E arbeiten Teams des Geschäftsbereichs Elektrifizierung von ABB derzeit an Spezifikationen und Anforderungen für die Ladelösung – technische Daten wie etwa die Ladeleistung sind somit noch nicht bekannt. Geplant ist offenbar, tragbare Ladegeräte zu entwickeln, die zwei Autos gleichzeitig aufladen können.

In der Ausschreibung war noch von Ladeleistungen von 600 kW die Rede, was bei einer Akku-Kapazität von rund 50 kWh einer C-Rate von 12 entspricht. In den rund 30 Sekunden dauernden Schnelllade-Stopps könnten so vier bis fünf Kilowattstunden nachgeladen werden, also rund zehn Prozent der ursprünglichen Energie beim Rennstart. Offen ist, wie ABB und der Batterielieferant Williams diese hohen Ladeleistungen realisieren wollen oder ob die tatsächlich erreichten Werte unter jenen der Ausschreibung liegen werden. Auch zur Quelle des Stroms machen die Formel E und ABB in der Mitteilung keine Angaben.

ABB ist seit der vierten Saison Titelsponsor der Formel E, als erste vom Auto-Weltverband FIA unterstützte Rennserie. Zur siebten Saison, die im Januar 2021 beginnt, erhält die Formel E sogar den Status einer Weltmeisterschaft. „Die ABB FIA Formel E-Meisterschaft ist mehr als nur ein Autorennen. Sie ist unser Testfeld für innovative Elektromobilitätstechnologien und trägt dazu bei, Weiterentwicklungen in die Produktion von Elektroautos zu integrieren und die Umwelt für alle sauberer zu machen“, sagt Tarak Mehta, Leiter des ABB-Geschäftsbereichs Elektrifizierung.

Obwohl ABB als Titelsponsor der naheliegende Ladepartner war, gab es intern auch Stimmen, die das Projekt nicht um jeden Preis wollten. Im Interview mit electrive.net sagte Frank Mühlon, Head of ABB’s Global E-Mobility Infrastructure Solutions, noch im Mai: „Die Anforderungen, die etwa ein Lade-Stopp in einem Formel-E-Rennen mit sich bringt, sind ganz andere als die standardisierten Ladeprotokolle für Großserien-Elektroautos. Ein OEM mag Entwicklungen in seinem Antriebsstrang auch in der Serie verwenden können, beim Laden ist das aber anders. Wir wollen nicht in etwas investieren, was nur als Gimmick dient.“
e-formel.de, fia.com (beide Gen3-Autos), e-formel.de, hankooktire-mediacenter.com, wae.com (alle Einheits-Lieferanten), motorsport-total.com, fiaformulae.com (beide Abt), abb.com (Update)

1 Kommentar

zu „Künftige Formel-E-Autos bekommen mehr Leistung und Rekuperation“
Philipp Rosengarten
17.07.2020 um 09:42
C Rate von 12 - da kann man die Batterien nach jedem Rennen wohl wegschmeißen: klingt nicht sehr umweltfreundlich...

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