Opel Ampera-e: Der Jetzt-Volks-Tesla.

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Das neue Elektroauto von Opel soll im offiziellen Fahrzyklus (NEFZ) über 400 Kilometer Reichweite ohne Zwischenladung schaffen, teilte der Hersteller heute mit. Der Ampera-e wäre damit ab sofort die Messlatte in der Batterie-elektrischen Kompaktklasse. Eine Analyse von Christoph M. Schwarzer:

„$30k“ steht auf der amerikanischen Webseite des Chevrolet Bolt als Basispreis. Ich rechne für den Opel Ampera-e in Deutschland mit 39.900 Euro exklusive und 35.900 Euro inklusive staatlicher E-Prämie. Denn der US-Tarif beinhaltet 7.500 US-Dollar Steuergutschrift und keinen Cent Mehrwertsteuer. Sollte der Opel „ab Frühling“, wie es offiziell heißt, tatsächlich für den von mir geschätzten Euro-Kurs im Handel sein, wäre er der Preis-Leistungs-Sieger. Denn im Vergleich zum inzwischen reichhaltigen Wettbewerb in der elektrischen Kompaktklasse hat der Ampera-e mit 60 Kilowattstunden etwa die doppelte Batteriekapazität = Alltagstauglichkeit.

Die Spekulation über die Kaufsumme ist notwendig, weil Opel keine Zahl verrät, um noch eine Überraschung für den Pariser Autosalon parat zu haben. Dort wird der Ampera-e am 29. September offiziell vorgestellt. Das ist die übliche Marketing-Salamitaktik, um Journalisten und Leser bei der Aufmerksamkeitsstange zu halten.

Incheon, Detroit, Rüsselsheim

Schaue ich genauer auf den Opel Ampera-e, frage ich mich, ob er ein Rüsselsheimer, ein Detroiter Motown-Boy oder ein Südkoreaner aus Incheon ist. Denn das Design ist eindeutig Opel. Zusammengebaut wird er in der Traditionsstadt im US-Bundesstaat Michigan. Die Batterie und der Antriebsstrang aber kommen komplett von LG. 60 Kilowattstunden (kWh) passen in den Speicher. Viel elektrische Energie für den 150 kW (204 PS) starken Motor, dessen Leistung wiederum für rund sieben Sekunden von null auf 100 km/h und eine (abgeriegelte) Spitzengeschwindigkeit von 150 km/h ausreicht.

Um nochmal die Dimension des Fortschritts zu verdeutlichen: 60 kWh sind so viel wie in der Basisvariante des Tesla Model S (nackt ab 77.040 Euro). Es ist die Größenordnung, die in den letzten drei Jahren in jedem Hintergrundgespräch als Zielmarke für die Kompaktklasse genannt wurde. Nach dem Motto: Damit lässt es sich leben. Und 60 kWh sind wahrscheinlich sogar ein Hauch mehr als der Reservierungs-Weltmeister Tesla Model 3 bieten wird. Nur eben schon im kommenden Frühling. Also quasi jetzt.

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Damit deklassiert der Opel Ampera-e die Konkurrenz. Oder sind das bald lediglich Marktbegleiter? Zum Vergleich: Nissan Leaf bis zu 30 kWh. Volkswagen e-Golf ab Jahresende 35,8 kWh. Hyundai Ioniq electric 28 kWh. BMW i3 bis zu 33 kWh.

Das Resultat einer großen Batterie ist eine große Reichweite. Weil Opel mauert und lediglich von „über 400 Kilometern“ im NEFZ redet, bediene ich mich wieder beim Chevy Bolt: Der wird mit 238 Meilen angegeben. Also etwa 383 Kilometer. Erzielt im US-amerikanischen EPA-Zyklus, der näher an der Realität ist als der NEFZ mit seinen bekannten Manipulationseinfallstoren.

Deutlich mehr als 200 Autobahn-Kilometer

Selbst auf der Autobahn, wo die Aerodynamik ihren Tribut fordert, rechne ich mit deutlich über 200 Kilometern Reichweite bei Richtgeschwindigkeit. Bis zum nächsten Supercharger? Nein, denn – auch hier gibt es noch keine offiziellen Inhalte – der Ampera-e wird mutmaßlich DC-ladefähig nach dem CCS-Standard bei 50 kW Ladeleistung sein. In einer Stunde ist er demnach zu circa 80 Prozent geladen, und kostenfrei wird der Strom ebenfalls nicht sein (aber das ist er bei Tesla genauso wenig). AC-seitig gehe ich von rund 7,4 kW aus, weil auf der Chevy-Seite von neun Stunden „bei 240 Volt“ die Rede ist.

Opel spricht von 381 Liter Kofferraum-Volumen und 4,17 Meter Länge. Aus dem Datenblatt bei Chevrolet lassen sich darüber hinaus 1,77 Meter Breite und 1,59 Meter Höhe sowie ein Gewicht von 1.625 Kilogramm (kg) entnehmen. Knappes Golf-Format. Passt, wenn man es ernst meint mit der Masse der Neugierigen.

Noch ein Blick auf die Details der Batterie von LG Chem: Im US-Markt wird der Chevy Bolt mit acht Jahren Garantie oder 100.000 Meilen angeboten. Beachtenswert ist außerdem das Volumen des Akkus von 285 Litern bei einem Gewicht von 485 kg.

In einem Video lässt sich auch der Innenraum gut betrachten, der sich im Opel wohl nur durch das andere Markenlogo absetzen wird. Und: Der Fahrer im Film behauptet, dass es zum Serienstart zwar etliche Kamera-basierte Assistenzsysteme (Parkhilfe, digitaler Rückspiegel innen), aber noch keinen adaptiven Tempomaten geben werde. Er verweist stattdessen auf etliche Prototypen, die bereits mit erweiterter Hardware auf dem Dach herumfahren und den Wagen in relativ kurzer Zeit auf ein neues Level der Fahrautomatisierung heben werden.

Ein angenehmes Feature, dass ich zuletzt im Hyundai Ioniq electric ausprobieren konnte, wird die über Wippen verstellbare Rekuperation werden: Je nach Fahrprofil kann die Bremsenergierückgewinnung besonders gering (Autobahn, Überlandfahrt) oder besonders hoch (Stadt) gewählt werden. Im urbanen Einpedalbetrieb, so Opel, lassen sich so bis zu fünf Prozent Strom sparen.

Top oder Flop? Top, wenn der Preis stimmt. Flop, wenn Opel die Schraube wie zu Beginn beim Ampera überdreht. Das ist eine unternehmenspolitische Entscheidung. Opel hat fraglos eine große Chance mit dem Ampera-e. Die Marke könnte in Deutschland viele Imagepunkte zurückgewinnen. Seit KT Neumann steuert, ist der Blitz wieder auf dem richtigen Kurs. In Kürze könnte es also heißen: Vollstrom voraus, während die Konkurrenz ein, zwei oder drei Jahre hinterherhinkt.

Autor: Christoph M. Schwarzer

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16 Kommentare

zu „Opel Ampera-e: Der Jetzt-Volks-Tesla.“
Jürgen Kohl
13.09.2016 um 19:03
Wobei klar ist: Keine ausgebaute Infrastruktur, keine Superccharger. Geheimnis um die Lademöglichkeiten. Und wenn man den Ampera-E vergleicht, dann bitte nicht mit dem Model S, sondern mit dem Model 3, das sicher nicht teurer wird, aber entscheidende Vorteile hat.
George
13.09.2016 um 23:42
Ganz ehrlich: bei 60 kWh sind 50 kW ein bisschen dürftig! Allein deshalb muss man den Model 3 schon vorziehen!
josef
14.09.2016 um 09:34
"zu wenig"? laut welcher Logik?? ich pendle täglich 140 km im 40kw Diesel. Nenndrehzahl brauch ich kaum...reicht also vollkommen, und wenn der E-Motor noch einen besseren Drehmomentverlauf hat.... aber manche lassen sich gerne durch Zahlen blenden...deshalb auch jahrelang das Hochdrehzahl"konzept" bei BMW. ...
Valerie
15.09.2016 um 07:57
Ich denke hier wurde die geringe Lade-, nicht die Motorleistung angesprochen. 150 kW CCS wären schon auch nett.
Olli
14.09.2016 um 07:45
Es sind 150kW nicht 50kW!
E-Autofahrer
14.09.2016 um 08:45
7,4kw bitte einphasig nur in den USA. In Deutschland wird nach Verabschiedung der neuen VDE AR-4100 bei Elektroautos ab 2017 einphasig nur noch maximal 3,7kw erlaubt sein. Daran wird sich auch GM halten müssen. Alles über 3,7kw muss 3-phasig sein. BMW hat hier schon mit einem 11kw Lader reagiert, meines Wissens folgt VW ebenfalls mit einem 11kw TYP2 Lader. Der Renault ZOE kann immer noch als einziges E-Auto serienmäßig 22kw TYP2. Telsa hat gegen Aufpreis 16,5kw TYP2, und 135kw DC SC serienmäßig. Beim Bolt erwarte ich 150kw CCS bei DC. Er wird es trotdem schwierig haben. Wenn ich um die 40k€ in die Hand nehme und zwischen Opel und Tesla wählen kann, dann entscheiden sich meiner Meinung nach ca. 80% der Käufer für Tesla. Allein aus Imagegründen. Ist z.Teil unfair, aber so wird es sein. Als "Zwischenauto" bis 2019 zum Model 3 allerdinge perfekt !
E-Auto-Fahrerin
19.09.2016 um 17:45
Das Ladekonzept wäre wirklich interessant und ein wichtiges Ausstattungsmerkmal. Hoffentlich 22 mind. aber 11 kW. VW setzt nach meiner Info übrigens tatsächlich (auch?) auf 7,6 kW – und zwar 2-phasig – nein das ist kein Witz.
Martin
14.09.2016 um 11:21
Und ich kann dann 2019/2020 einen günstigen Bolt/Opel kaufen, der für jemanden nur ein "Zwischenauto" war. Perfekt!
Gunnar
14.09.2016 um 09:20
@George: Wer lesen kann ist klar im Vorteil :-) Der Motor des Ampera E hat nicht 50 kW Leistung, sondern 150 kW Leistung.Und schon sieht die Sache anders aus, oder?
josef
14.09.2016 um 09:29
Der Volks-Wagen. Das Auto.PS: Motown ist eine Plattenfirma. Motorcity wäre der richtige Ausdruck ;-)
vorne
14.09.2016 um 10:32
Da wird dann jeder Stromer mit ca. 200km Reichweite zur Altlast und die will dann keiner mehr haben. So schnell ändert sich die Marktlage.
i_Peter
14.09.2016 um 10:56
@vorne Marktlage ? OPEL bekommt für D 2017 ganze 3.500 eAmpera zugesprochen. Was machen all die anderen Kaufwilligen ? Falls sie keine 40.000 Euro locker machen können, aber mit ca. 300 km Reichweite auskommen, werden sie wohl weiter VW, Nissan, Renault oder Kia kaufen.
Martin
14.09.2016 um 11:28
Rund 35.000,- für einen E-Golf? Das ist doch keine wirkliche Alternative. Nein, lieber dem Opelhändler so lange auf die Nerven gehen, bis das Kontingent aufgestockt wird ;-)
Dietrich
14.09.2016 um 15:03
Mir fehlen immer Daten wie Stromverbrauch bei 90, 100, 110, 120 kmh. Das wäre gut für eine Einschätzung realistischer reichweiten.
Andreas
16.09.2016 um 09:11
Interessant ist immer wieder der popularisierte Leistungs- und Reichweitengedanke, obwohl im Durchschnitt meist nur 1Person ca. 1,5 t Fahrzeug über 20-30km bewegt um zur täglichen Arbeit zu fahren. Kühl gerechnet und ökölogisch sinnvoll wären Fahrzeugtausch- oder Akkutauschkonzepte für längere Urlaubsfahrten oder individuell wählbare Akkupakete (wie bei Twike).
Karl Köster
16.09.2016 um 12:02
Ich bin so interessiert, dass ich mich in die Interessentenliste habe eintragen lassen. Dabei habe ich erfahren, dass in 2017 leider nur 600 Fahrzeuge nach Deutschland geliefert werden und die Wartezeit sehr hoch sein kann. Diese Info lässt erahnen, dass Opel/Chevrolet zunächst auf dem Markt punkten will, jedoch das Risiko der geringen Marge eingrenzt. Ein kluger Schachzug.

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