Electrified Classics rüstet Traktoren elektrisch um

Das Unternehmen Electrified Classics macht seinen Namen zum Programm: die Elektrifizierung klassischer Fahrzeuge für den Einsatz auf Straßen und auf dem Wasser. Kürzlich hat das Unternehmen zwei alte Traktoren für den Elektrobetrieb umgebaut und vorgestellt. Es sollen die ersten Deutschlands mit E-Kennzeichen sein. Wir haben bei einem der Gründer genauer nachgefragt.

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Klassiker und Elektrifizierung: Beim ersten Gedanken verbindet die beiden Begriffe wohl nicht viel. Das eine könnte als Symbol aus der Vergangenheit beschrieben werden, ein historischer Beleg, für Nostalgiker oder Sammler. Das andere umfasst in unserer Zeit eine technische Revolution, die dabei ist, ganze Branchen zu verändern.

Die beiden Bereiche bringt Electrified Classics (EC) zusammen. Das Unternehmen aus Valley südlich von München hat kürzlich zwei E-Traktoren vorgestellt, die es zuvor umgebaut hatte. Der rote Schmotzer und der grüne Holder A12 sollen die ersten Traktoren Deutschlands mit „E-Kennzeichen“ sein. Zunächst kam der Präsentation der Fahrzeuge noch die Corona-Pandemie dazwischen, doch nach mehreren Verzögerungen war es endlich so weit. Geladen hatte Peter Häusler, der Auftraggeber des Umbaus einer der beiden Fahrzeuge.

Electrified Classics entnahm den alten Traktoren unter anderem die Motoren, Auspuffe und die Tanks und baute ihnen Elektromotoren mit Leistungselektronik ein. Motoren und Elektronik werden von FEAAM Neubiberg ausgelegt, erläutert Andreas Greifelt, einer der Gründer von Electrified Classics, auf Anfrage von electrive.net. Die Batteriekästen für die Fahrzeuge fertigte EC selbst an und brachte auch diese an den Fahrzeugen an. Dann wurde das Ganze verkabelt und an Displays und ein elektromechanisches Gaspedal angebunden, so Greifelt weiter.

Ein derartiger Traktorumbau dauert laut dem EC-Geschäftsführer je nach Komplexität zwischen drei und fünf Monaten. Doch stellte der rote Schmotzer eine besondere Herausforderung dar, da die Wellenanbindungen des Originals handgemacht waren. Greifelt: „Wir konnten messen und CNC-Fräsen wie wir wollten – am Ende mussten Fingerspitzengefühl und Feile ran, um den Elektroantrieb zu bekommen.“

Nun ist das Fahrzeug mit einer Leistung von 15 kW bei 3.000 Umdrehungen pro Minute unterwegs. Den Verbrauch gibt das Unternehmen mit unter 30 kWh/100 Kilometer an, was laut EC bei einem Dieseläquivalent (9,8 kWh pro Liter) drei Liter auf 100 Kilometer bedeuten würde. Die Leistung des grünen Holder A12 beträgt den Angaben zufolge 8 kW bei 2.200 Umdrehungen. Der Verbrauch liegt hier bei unter 21 kWh/100km, bei einem Dieselfahrzeug zwei Liter auf 100 Kilometer.

Bei den Batterien handelt es sich um Second-Life-Akkus aus dem Tesla Model S (roter Schmotzer) beziehungsweise um LiFePo-Akkus (grüner Traktor). „Wir versuchen bewusst, Second-Life-Zellen zu nutzen, damit die Kosten einerseits für den Kunden klein sind, aber auch für die Umwelt der positive Aspekt gegeben ist“, erläutert Greifelt. „Hobby muss nicht gleich Umweltschädlichkeit bedeuten.“

Die 48V-Traktionsbatterien sind mit 3-kW-Ladegeräten verbunden. Die Akkus können an einer Haushaltssteckdose (230V) aufgeladen werden: der rote Traktor mit 31,2 kWh in zehn Stunden, der grüne Traktor mit 10,5 kWh in etwa drei bis vier Stunden. Die 12V-Batterie für die Fahrzeug-Grundfunktionen lädt sich automatisch über einen 12V-48V-DCDC-Wandler während der Fahrt. Die Reichweiten liegen bei beiden Fahrzeugen je nach Fahrweise im Realbetrieb zwischen 60 und 100 Kilometern. Die Fahrzeiten gibt das Unternehmen mit drei bis fünf Stunden an.

Der rote Traktor von Peter Häusler kommt inzwischen für Touren zum Einsatz. Ab und zu ziehe er ein Holzfass oder fahre bei Festen und Feten, erzählt Greifelt. Für den Acker wäre der Traktor durchaus geeignet, sagt er, doch wolle der Besitzer das Fahrzeug dafür derzeitig nicht verwenden. Der grüne Traktor hingegen sei ein reines Nutzfahrzeug, das aus Lärmgründen umgebaut wurde. Er werde innerorts beispielsweise fürs Schneeräumen eingesetzt.

„Klassiker müssen auch in Zukunft Teil der Mobilität sein und nicht im Meer der grauen, weißen und schwarzen Elektrofahrzeugen ohne viel Formgebung oder Emotion untergehen“, sagt Greifelt. „Form, Farbe und Historie, wenn auch ohne Lärm und Geruch, sind unserer Meinung nach genauso schützenswert und ein Teil der Gesellschaft wie Kunst oder Architektur der vergangenen Epochen.“

Besonders bei Landmaschinen hält Greifelt den Umbau auf einen elektrischen Antrieb für sinnvoll. In Traktoren sei viel Platz, erklärt er. Gewicht spiele selten eine Rolle und die Entwicklungskosten für hoch entwickelte Motoren seien bei Weitem höher als die für gute Elektroantriebe. Dass es bei dem extremen Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen von Landmaschinen nur eine Frage der Zeit ist, bis man auch hier konsequent auf Elektroantriebe umsteigt, bestätigten Greifelt auch aus Gesprächen mit FEAAM und Molabo Ottobrunn, einem weiteren auf elektrische Antriebe spezialisierten Unternehmen.

Gerade das Aufladen sei kein Thema mehr. „Ein Bauernhof- oder Stalldach hat häufig Platz für einige 100-kWp-Solarenergie, fernab von der Möglichkeit Kleinwindkraftanlagen oder Heimspeicher mit entsprechender Ladetechnik/Ladesäulen auf dem eigenen Hof zu verbinden.“ Für Landwirte sei es nie einfacher gewesen, auf Elektro zu wechseln, zeigt sich Greifelt überzeugt. Dabei könnten sie nicht nur der Umwelt helfen, sondern auch Geld sparen.

Electrified Classics wurde im April 2021 von Andreas Greifelt und dem Taucher Achim R. Schlöffel gegründet. Das Unternehmen hat sich die Elektrifizierung klassischer Vehikel zum Kernthema gemacht. Zunächst konzentrierte sich das Unternehmen auf Elektroboote, inzwischen ist es dazu übergegangen, auch andere Klassiker umzuwandeln.

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