
Neuer Elektro-CLA: So fährt Mercedes‘ elektrischer Rettungswagen
Schluss, aus, vorbei: Nachdem uns Mercedes jetzt seit drei Jahren ein Scheibchen nach dem anderen von der PR-Salami säbelt, geht es jetzt endlich um die ganze Wurst. Denn in zwei Wochen feiert der neue CLA als erstes Modell aus dem MMA-Baukasten (hier unser Technik-DeepDive) Weltpremiere und weil sie es selber kaum erwarten können, bitten sie kurz vorher schon mal zum Probelauf im Prototypen.
Deshalb surren einem nun die versenkten Griffe aus der Tür des Erlkönigs entgegen, die rahmenlosen Scheiben senken sich zwei Millimeter, die breite Tür schwingt auf und bequem gleitet man in einen für ein Elektroauto erfreulich tief montierten Schalensitz. Dass vor dem leider nur zu gut bekannten Lenkrad noch ein paar Tücher das Cockpit kaschieren, ist kein Schaden. Erstens kann man sich den digitalen Budenzauber nur allzu gut vorstellen, den sie hier „Pillar to Pillar“ über die gesamte Cockpitbreite inszenieren – der breite Hyperscreen aus anderen Mercedes-Modellen lässt grüßen. Und zweitens geht es hier und heute ja ums Fahren. Denn über den CLA geredet und auf seine Designvorlagen geschaut haben wir seit der Premiere des EQXX im Jahr 2022 nun wirklich genug.
Die elektrische Zukunft von Mercedes nimmt erstaunlich flott und handlich Tempo auf und schürt ein bisschen was von jener Fahrfreude, die doch eigentlich 200 Kilometer weiter im Südosten zu Hause ist. Denn erstens verabschieden sich jetzt auch die kleinsten Mercedes-Modelle vom Frontantrieb, zweitens ist der CLA für ein E-Auto mit kaum mehr als zwei Tonnen vergleichsweise leicht und drittens hat schon das vorläufige Basis-Modell der E-Familie 200 kW. Der Allradler, der ihn flankieren wird, kommt mit einer 80-kW-Maschine im Bug theoretisch sogar auf mehr als 280 kW, selbst wenn die Systemleistung am Ende etwas geringer sein wird. Und der – natürlich digitale und kunterbunte – Tacho reicht schließlich auch nicht ohne Grund bis 240 km/h. Außerdem haben sie ihm ja zum ersten Mal auch ein zweistufiges Getriebe an die Hinterachse geflanscht – oder genauer gesagt in das Gehäuse des selbst entwickelten Elektromotors integriert. Ohne dass der Fahrer es fühlen könnte, kann er damit flotter beschleunigen und es geht ihm danach auf der linken Spur nicht gleich wieder die Puste aus.














Ja, das ist beeindruckend und fühlt sich um Längen besser an als im EQA und EQB – und zwar nicht nur, wegen des tieferen Schwerpunkts. Aber wichtiger als der Elan des elektrischen Hoffnungsträgers war den Schwaben die Effizienz. Gebetsmühlenartig wiederholen sie das Mantra vom „Einliter-Auto für die Generation E“, stellen einen Verbrauch nahe 12 kWh/100 Kilometern in Aussicht und sprechen bei 85 kWh Batteriekapazität von „mindestens 750 Kilometern“ Reichweite. Dafür haben sie in jeder Disziplin und in jedem Gewerk auch noch das letzte Quäntchen Effizienz gehoben, haben die Karosse im Windkanal zum cW-Weltmeister geschliffen, die Elektronik optimiert und auch das Wärmemanagement.
Zwar gibt es bei der kurzen Jungfernfahrt weder einen Ladestopp noch eine seriöse Verbrauchsmessung. Zwar gibt der Bordcomputer mit einem angezeigten Verbrauch von 14 kWh/100 Kilometer und über 500 Kilometern Restreichweite bei etwa 70 Prozent Ladestand einen ersten Eindruck – bei der willkürlichen Teststrecke der kurzen Prototypen-Testfahrt sollte man aber nicht zu viel auf diese Werte geben.
Doch gibt es zwei Indikatoren, die aufmerken lassen. Da ist zum einen die fast schon gespenstische Stille beim Fahren, weil der Wind so geschmeidig um die glatte Karosse streicht und daran kaum einen Widerstand findet. Und da ist zum anderen das schier endlose Rollen im Leerlauf. Denn selbst wenn der CLA als erster elektrischer Mercedes ein vernünftiges One-Pedal-Fahren ermöglicht, kann er auch Segeln bis zum Horizont und beweist damit, wie wenig Energie im Antrieb verloren geht.
Es spricht vieles dafür, dass der CLA damit zum Verkaufsstart im Sommer zumindest unter den Autos aus deutscher Produktion zum Reichweiten-Champion wird. Dabei brauchen die Schwaben die riesige Reichweite allenfalls fürs Renommee. Im Alltag war sie noch bei keinem Mercedes so wenig wichtig wie diesem. Denn der CLA ist der erste Stromer aus Stuttgart mit 800 Volt-Technik und lädt deshalb mit über 300 kW. So fließt in 15 Minuten der Strom für 400 Kilometer und es reicht beim Boxenstopp wenn überhaupt nur noch für einen Espresso.
Während der Fahrer wahlweise Elan oder Effizienz genießt oder im besten Falle beides, ist der CLA für die Passagiere nicht ganz so beeindruckend. Ja, der Sozius bekommt künftig seinen eigenen Bildschirm und vertreibt sich die Zeit im digitalen Universum. Doch für die Hinterbänkler sitzen auch im etwas gestreckten CLA noch nicht so großzügig, wie das bei anderen Modellen von etwa 4,80 Metern der Fall ist. Und selbst wenn einem das riesige Panoramadach viel Freiraum vorgaukelt, wird die Coupélimousine nicht zum Raumwunder. Zumindest nicht für Kind und Kegel. Dafür aber für die Koffer. Denn neben einem Kofferraum auf dem Niveau des konventionellen Vorgängers gibt es – zum ersten mal übrigens seit ziemlich genau 100 Jahren – endlich auch bei Mercedes einen Frunk.
Mit dem großen Akku geht es erst über 50.000 Euro los
Zwar wird der CLA nach dem beschlossenen Wegfall von A- und B-Klasse zum Einstiegsmodell der Schwaben, selbst wenn es wohl erst einmal deutlich jenseits der 50.000 Euro los gehen dürfte. Erst später drücken ein kleinerer LFP-Akku (58 kWh) den Preis und natürlich die milde hybridisierten Verbrenner aus China, die Mercedes für die Skeptiker doch noch in der MMA untergebracht hat. Aber auf dem Benjamin von Benz lastet einen große Verantwortung: Nachdem der Absatz im Keller ist, der Gewinn erodiert und die neue Konkurrenz aus den USA oder China Mercedes elektrisch enteilt ist, soll ausgerechnet er den Karren aus dem Dreck ziehen und den Stern wieder zum Strahlen bringen.
Dafür haben sie ihn allerdings auch gut gerüstet. Denn zur MMA gehört neben dem effizienten Antrieb auch der nächste Schritt bei der Digitalisierung, und das erste eigene Betriebssystem. Dieses MB OS sorgt dafür, dass die Autos kein Verfallsdatum mehr haben. „Statt älter, werden sie besser“, sagt Mercedes-Chef Ola Källenius und stellt mehr, frühere und weitreichendere Updates und Upgrades in Aussicht.
CLA-Kombi, GLA, GLB und GLC werden folgen
Nachdem die Schwaben den Start ins Elektrozeitalter ordentlich verstolpert haben, haben sie sich jetzt offenbar berappelt und mit dem CLA ab dem Sommer ein E-Auto am Start, das vielleicht tatsächlich zum neuen Stern am Mercedes-Himmel taugt. Und sogar bald ein ganzes Sternbild formen will.
Denn der CLA ist Källenius nur der Gruß aus der Küche und binnen 24 Monaten will uns Mr. Mercedes als ersten elektrischen Kombi mit Stern einen CLA Shooting Brake sowie die Nachfolger von GLA und GLB präsentieren. Und weil eine Plattform alleine für die Zukunft nicht trägt, läuft sich aus dem nächst größeren Baukasten schon der elektrische GLC warm, der binnen Jahresfrist kommen soll. Und dann wird es wirklich spannend. Denn als seit Jahren meistverkauftes Modell der Schwaben, ist der auch in der Bilanz ein Fixstern. Wenn der nicht glänzt, wird es dann gar ganz dunkel in Stuttgart. Aber wenn der CLA keine Sternschnuppe bleibt, steht das wohl kaum zu befürchten.
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