Steht Tesla vor der nächsten Evolution des Gigacastings?

Mit den Gigapressen hat Tesla den Autobau bereits stark vereinfacht, bisher aber vor allem am Front- und Heckrahmen. Nun soll Tesla das Verfahren laut einem Agenturbericht bald auch für den komplexen Unterboden anwenden – womöglich erstmals bei seinem Kompaktmodell.

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Tesla soll ein Durchbruch bei der Reduzierung der Komplexität des Autobaus und damit bei der Senkung der Kosten gelungen sein. Wie Reuters unter Berufung auf fünf eingeweihte Personen berichtet, arbeitet Tesla an der Weiterentwicklung des Gigacasting-Verfahrens, wobei sich der komplexe Fahrzeug-Unterboden, der üblicherweise aus etwa 400 Einzelteilen bestehe, fast in einem Guss herstellen lasse.

Damit soll nicht nur die Produktion günstiger und schneller werden, auch in der Entwicklung könnten die Ingenieure profitieren: Tesla könne damit ein Auto von Grund auf in 18 bis 24 Monaten entwickeln, während die meisten Konkurrenten derzeit zwischen drei und vier Jahren brauchen.

Den Quellen von Reuters zufolge könnte Tesla in seinem geplanten Kompaktmodell und Robotaxi-Ableger einen einzigen großen Rahmen verwenden, der den Vorder- und Hinterwagen mit dem mittleren Unterboden kombiniert, in dem die Batterie untergebracht ist. Tesla werde voraussichtlich noch in diesem Monat eine Entscheidung darüber treffen, ob die Plattform in einem Stück gegossen werden soll. Weder Tesla noch Elon Musk haben auf entsprechende Anfragen von Reuters reagiert.

Tesla will E-Autos schneller und günstiger bauen

Tesla hatte beim Investors Day im März nicht nur das neue Werk in Mexiko, sondern auch die „Next Generation Vehicles“ auf Basis einer neuen Plattform angekündigt. Damit sollen die Produktionskosten um 50 Prozent sinken und die benötigte Fläche im Werk um 40 Prozent geringer ausfallen. Damit könnte die Fabrik bei gleichem Output kleiner werden oder bei gleicher Fläche mehr Fahrzeuge produzieren.

Laut dem Bericht hat sich Tesla an Firmen gewendet, die mit 3D-Druckern Testformen aus Industriesand herstellen. In diese Formen wird dann im Druckgussverfahren die geschmolzene Metalllegierung gegossen. Das so hergestellte Metallteil kann dann getestet und bei Bedarf in einer verbesserten Version erneut gegossen werden. Eine neue Prototypen-Form aus dem 3D-Drucker soll so „innerhalb weniger Stunden“ erstellt werden können.

Genau darin liegt der von Reuters beschriebene „Durchbruch“: Im klassischen Verfahren kann der Designprozess für eine große Gussform bis zu vier Millionen US-Dollar kosten. Selbst kleinere Optimierungen zwischen zwei Guss-Tests könnten laut von Reuters befragten Experten 100.000 Dollar kosten, die gesamte Erneuerung einer Gussform wird dort mit 1,5 Millionen Dollar veranschlagt. Und bis die finale Form steht, können zwischen sechs und zwölf Monaten vergehen.

Im Sandguss sollen es nur zwei bis drei Monate sein – und selbst bei mehreren Versionen soll eine Form nur drei Prozent eines Prototypen aus Metall kosten. Damit könnte Tesla die größten Probleme gelöst haben, die Autobauer bisher von großen Guss-Strukturen abgehalten haben: Zeit und Geld.

Aber selbst mit dem gelösten Prototypen-Bau gibt es weitere Hürden. So sollen sich die verwendeten Aluminiumlegierungen in den Sandformen anders verhalten haben als in Metallformen. Die Guss-Ergebnisse sollen „oft nicht die Tesla-Kriterien für Unfallsicherheit und andere Eigenschaften“ erfüllt haben. Die Lösung ist offenbar komplex: Zum einen wurde die Zusammensetzung der Legierung angepasst, der Kühlprozess der Legierung in der Gussform geändert und eine Wärmebehandlung des Teils nach dem Abkühlen eingeführt.

Die Herausforderung: Die Massenproduktion soll wieder in einer deutlich haltbareren Metallform stattfinden. Der Prototyp wird also in einer günstigen Sandform optimiert, bevor die Ergebnisse dann wieder auf eine Metallform übertragen werden – wo sich die Legierung wie erwähnt anders verhält. Zudem muss sich Tesla nicht nur entscheiden, ob die neue Plattform einen Gussrahmen bekommt, sondern auch mit welcher Art Gigapresse das Teil hergestellt werden soll. Denn auch diese Wahl würde bestimmen, wie komplex der Fahrzeugrahmen werden kann.

Ein Punkt ist aber offenbar noch nicht gelöst: Um einen Hilfsrahmen mit Hohlräumen herzustellen (wie sie beim bisherigen Prinzip mit verschweißten Stanzteilen entstehen), muss innerhalb der Form ein Kern aus 3D-gedrucktem Sand eingefügt werden, der nach dem Gussvorgang entfernt wird und den Hohlraum freigibt. Drei der fünf von Reuters-Quellen gaben aber an, dass die Gigapressen mit ihrer hohen Schließkraft bisher nicht diese Sandkerne aufnehmen können, die für die Produktion eines hohlen Hilfsrahmens möglich sind. Eine mögliche Lösung wäre eine weiterentwickelte Presse mit einer langsameren Einspritzung der Legierung – was aber länger dauert und somit die Produktivität senkt.

reuters.com

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