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Erste Ausfahrt im Nissan Leaf: Endlich bereit für den Massenmarkt

Der Nissan Leaf war einst einer der Pioniere der Elektromobilität – und hat sich so einen Namen gemacht. Die dritte Generation hat bis auf den Namen wenig mit dem Fahrzeug von 2010 gemeinsam, soll das Label Leaf quasi neu erfinden. Ob das gelungen ist, zeigen die Eindrücke von der ersten Ausfahrt in Nissans Kompakt-Stromer!

„Zu keinem Zeitpunkt“ habe es in Frage gestanden, dass das neue Modell nicht unter dem Namen Leaf auf den Markt kommt – so hat es David Moss, Senior Vice President, Region Research & Development bei Nissan für die AMIEO-Region (Africa, Middle East, India, Europe, and Oceania) bei der Fahr-Veranstaltung des neuen Leaf in Kopenhagen ausgedrückt. Dass der hochrangige Nissan-Entwickler überhaupt eine solche Aussage tätigen musste, ist nicht ganz abwegig: Der „neue“ Leaf hat auf den ersten Blick so wenig mit seinen beiden Vorgängern gemeinsam, dass die Frage durchaus berechtigt ist, ob man für den Neuanfang mit neuem Konzept nicht auch über einen frischen, unbenutzten Namen nachgedacht hat. Hat man aber offenbar nicht.

Die Unterschiede sind aber nicht von der Hand zu weisen: Der erste, 2010 vorgestellte Leaf, war eines der ersten in Serie gebauten Elektroautos überhaupt – prägende Modelle wie das Tesla Model S oder ein BMWi i3 waren damals noch gar nicht auf dem Markt. Mit einem sehr auffälligen Design außen wie innen hat sich der Leaf damals aber einen Namen gemacht. Und eben mit seinem Batterie-elektrischen Antrieb, damals noch eine absolute Seltenheit. Übrigens mit damals 24 kWh Energiegehalt.

Bei der 2017 vorgestellten Nachfolge-Generation ZE1 blieb es zwar beim Konzept als Kompaktmodell (optisch aber deutlich dezenter unterwegs), dann mit 40 und ab 2019 sogar mit bis zu 62 kWh Energiegehalt. Der ganz große Erfolg bliebt aber aus, was auch an der Technik lag: Nissan hatte auch beim zweiten Leaf auf den CHAdeMO-Standard für das Schnellladen gesetzt, obwohl sich in dieser Zeit schon abgezeichnet hatte, dass CCS beim Infrastrukturausbau die Nase vorne hat. Und der Verzicht auf eine zeitgemäße Flüssigkeitskühlung der Batterie war der Grund für Rapidgate, dem teils starken Abregeln der Ladeleistung bei wiederholten Schnellladevorgängen. Gerade, wenn es draußen heiß war, war Geduld gefragt. Die Produktion dieses Modells im britischen Sunderland ist 2024 ausgelaufen, damals ohne direkten Ersatz.

Den Namen Leaf sieht man Nissan-intern durch Rapidgate und Co nicht beschädigt, Moss verweist auch auf die unbestreitbaren Erfolge des Modells: Mehr als 700.000 Leaf der ersten beiden Generationen hat Nissan weltweit verkauft, 290.000 davon in Europa. Wie schon seine beiden Vorgänger wird auch der neue, im Sommer vorgestellte Leaf für die europäischen Märkte in Sunderland gebaut. Neu ist, dass die US-Version nicht mehr in Smyrna, Tennessee vom Band läuft, sondern zusammen mit der Japan-Version in Tochigi – diese Versionen unterscheiden sich in einigen Details vom Europa-Modell, um das es in diesem Artikel geht.

Das Konzept

Die dritte Generation bringt einige, grundlegende Änderungen mit sich. Eine fällt sofort auf: Der Leaf ist kein Kompaktwagen mit steil abfallendem Heck mehr, sondern ein Kompakt-Crossover, optisch nicht als ein Nissan Leaf zu erkennen. Was man ebenfalls nicht sieht: Der Leaf ist jetzt technisch kein Einzelgänger mehr, sondern basiert auf der Plattform AmpR Medium, früher als CMF-EV bezeichnet. Damit ist er mit dem größeren Nissan Ariya, aber auch Renault-Modellen wie dem Megane oder Scenic verwandt. Und auch die Maße überraschen: Obwohl er als Crossover größer wirkt, ist der neue Leaf mit 4,35 Metern satte 14 Zentimeter kürzer als der Vorgänger mit seinen 4,49 Metern. Und: Mit 135 Millimetern ist die Bodenfreiheit sogar 1,5 Zentimeter geringer als beim Leaf der zweiten Generation. So kann man sich anhand der Bilder täuschen.

Ein nettes Detail ist das Design der Heckleuchten: Die Aufteilung in zwei und drei Streifen ist eine Anspielung an den Markennamen. Im Japanischen wird laut Nissan die Zwei „Ni“ ausgesprochen und die Drei „San“ – also Ni-san, fast wie der Markenname. Dieses Designelement ist am Leaf an mehreren Stellen zu finden, von der Ladeklappe bis zu den Lüftungsdüsen im Innenraum. Die Rückleuchten sind aber das offensichtlichste Beispiel für diese kleine Design-Spielerei.

Das knallige Hellblau, in dem alle Testwagen bei dem Event in Kopenhagen gehalten sind, hört übrigens auf den Namen „Luminous Teal“ und ist eine von sieben Lackierungen, die Nissan anbieten wird. Alle Testwagen sind auch mit der 75 kWh großen Batterie und dem 160-kW-Antrieb ausgestattet, es ist durchweg die höchste Ausstattung verbaut. Was die Testwagen in dieser Variante genau kosten, ist noch nicht bekannt – die genauen Preise will Nissan erst kurz vor dem Bestellstart Ende des Jahres nennen. Nur so viel ist bestätigt: Mit der kleineren 52-kWh-Batterie soll der Leaf für weniger als 37.000 Euro verfügbar sein, mit der 75-kWh-Batterie sollen es unter 42.000 Euro sein. Welche Ausstattung es dann gibt und welche Aufpreise verlangt werden, das ist eben noch offen.

Der Antrieb

Konzentrieren wir uns daher auf das, was bekannt ist und was wir rund um die dänische Hauptstadt erfahren konnten. Mit dem großen Akku beschleunigt der Leaf in 7,6 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, zumindest dann, wenn er im Sport-Modus ist. Sonst sollen es 7,8 Sekunden sein. Mit dem kleinen Akku, der mit einem 130-kW-Frontantrieb kombiniert wird, dauert es 8,3 Sekunden. Eine Allrad-Version wie beim Ariya ist technisch zwar möglich, wie Entwickler Moss betont, da die Plattform die dafür nötigen Anlenkpunkte und Lagerungen biete. Naher dazu äußern will sich der Brite in Diensten des japanischen Herstellers aber nicht – man will lieber über die beiden zum Start verfügbaren Varianten sprechen.

Denn diese sollen laut Moss nicht nur die vorhandene Technik der bekannten Plattform in ein neues Modell bringen, für den Leaf habe man die Technik grundlegend weiterentwickelt. Zwar hat auch der Ariya einen 160-kW-Motor, im Leaf soll es aber eine überarbeitete Variante sein – mit vielen Gleichteilen zu den Einheiten aus den e-Power-Hybridantrieben. Und auch die Batteriezellen sind neu. Nissan bezieht diese aus der AESC-Zellfabrik, die direkt neben dem Fahrzeugwerk Sunderland hochgezogen wurde.

Leaf 52 kWhLeaf 75 kWh
AntriebFWDFWD
Leistung130 kW160 kW
Drehmoment345 Nm355 Nm
Beschleunigung8,3 s7,6 s
Höchstgeschwindigkeit160 km/h160 km/h
WLTPReichweite>440 km622 km
Batteriekapazität52 kWh75 kWh
Ladeleistung DC105 kW150 kW
Ladezeit DC 20-80%<30 min<30 min
Preis<37.000Euro<42.000Euro

Dabei handelt es sich um eine NCM-Zellchemie mit Nickel, Mangan und Kobalt, die genaue Zusammensetzung will Nissan aber nicht verraten. Die im Vergleich zu früheren Modellen auf dieser Plattform höhere Energiedichte soll aber ein Grund sein, weshalb Nissan bei 2,69 Metern Radstand eine 75-kWh-Batterie verbauen kann. Und der ältere Renault Megane mit gleichem Radstand mit maximal 60 kWh im Unterboden angeboten wird. Auch die 52-kWh-Batterie ist kein Übernahmeteil aus dem Renault 5/4 auf Basis der AmpR Small, auch wenn der Energiegehalt gleich ist. Und ja, inzwischen ist eine Flüssigkeitskühlung verbaut, Rapidgate wird sich also nicht wiederholen – zum Laden später mehr.

Das Fahren

Auf den ersten Metern aus Kopenhagen heraus fällt vor allem auf, wie hoch der Komfort ist. Es ist angenehm leise im Cockpit, selbst bei Autobahn-Tempo muss man bei Gesprächen mit Mitfahrern die Stimme nicht heben oder die Musik etwas lauter drehen. Und der Leaf federt auch sehr angenehm ab, egal ob auf Schaftdeckeln in der Stadt oder etwas rauerem Asphalt auf Landstraßen. Bemerkenswert ist, dass Nissan diesen Komfort aber nicht mit einem zu weichen Fahrwerk erkauft: Selbst bei schnellen Richtungswechseln wankt der Leaf nicht, sondern bleibt stabil auf der Straße. Ein Sportwagen wird er natürlich nicht, will er aber auch nicht sein. Die Komfort-orientierte Ausrichtung steht ihm als Alltags- und Familienauto sehr gut und wurde passend umgesetzt!

Das Fahrwerk ist einer der Punkte, die Moss und sein Team angepasst haben. „In Europa haben wir die höchsten Anforderungen der Straßen an das Auto“, sagt Moss. „Von der deutschen Autobahn und hohen Geschwindigkeiten bis zu Kopfsteinpflaster in Belgien müssen wir die ganze Bandbreite abdecken können.“ Zwar waren wir nur auf dänischen Autobahnen mit maximal 130 km/h unterwegs, aber da hat der Leaf seine Sache gut gemacht.

Schon bei der Vorstellung der zweiten Generation des Leafs hatte Nissan betont, dass man auf das Feedback der Kunden gehört habe. Da die überzeugten First Mover und Early Adopter der Generation 1 sich gar nicht so viele Änderungen bei Batteriegröße und Ladeleistung gewünscht hatten, sondern vor allem niedrigere Preise, wurde Nissan zu Sparmaßnahmen wie der Batteriekühlung verleitet. Für die dritte Generation war das Kundenfeedback aber klar: Die Reichweite ist nach wie vor ein Schlüsselfaktor, wenn man ein E-Auto bestellt.

Daher hat Nissan sich nicht nur auf den größeren Akku verlassen, sondern das ganze Auto auf Effizienz getrimmt. Die fließenden Linien an der Front und der Dachlinie sollen die Aerodynamik verbessern, ebenso die klare Abrisskante am Heck rundum und die aktiven Lüftungsklappen am vorderen Lufteinlass, die nur dann geöffnet werden, wenn es einen hohen Kühlbedarf gibt. Der Unterboden ist zwar nicht ganz so glatt und dicht verkleidet, wie es Nissan-Verantwortliche glauben machen wollten, dennoch soll auch dieses Teil dazu beitragen, den Luftfluss zu verbessern. Auch die Außenspiegel der Europa-Version sind optimiert und unterscheiden sich von den Varianten für Japan und die USA. Im Gesamtpaket ist der cW-Wert mit 0,25 zu 0,26 beim Europa-Modell etwas besser.

So kommt der Leaf auf eine WLTP-Reichweite von bis zu 622 Kilometern und einen Normverbrauch von 13,8 kWh/100km. Nissan selbst nennt auch prognostizierte Reichweite von 330 Kilometern bei Tempo 130 an, und rund 430 Kilometer, wenn man 110 km/h fährt. Diese Werte können wir nach der ersten Ausfahrt als relativ realistisch einschätzen: Los ging die Testfahrt mit einem Autobahn-Abschnitt mit 110 km/h und einer Bordcomputer-Anzeige von etwa 16 kWh/100km. Über die anschließenden Landstraßen und Ortsdurchfahrten waren es grob zwischen 12 und 13 kWh/100km. Bei einem weiteren Autobahnstück mit Tempo 120 bis 130 lag die Verbrauchsanzeige wieder knapp über 16 kWh/100km. Insgesamt waren es nach recht genau 300 Kilometern an diesem Tag (bei rund 15 Grad Außentemperatur) 15,4 kWh/100km. Das kann sich sehen lassen.

Über Schaltpaddels am Lenkrad kann der Fahrer zwischen vier Rekuperations-Stufen wählen und somit recht einfach festlegen, ob man gerade lieber segeln will oder eher elektrisch verzögern. Die stärkste Rekuperations-Stufe, bei Nissan e-Pedal genannt, wird aber über eine separate Taste aktiviert. Ein echtes One-Pedal-Driving bis zum Stillstand ist aber auch damit nicht möglich, per Rekuperation verzögert der Leaf selbst im e-Pedal-Modus nur bis auf etwas unter 10 km/h. Der Übergang von der Rekuperation zu den Scheibenbremsen (etwa an einer Ampel) ging bei unserer ersten Ausfahrt nicht immer ganz ruckfrei vonstatten – mit dem e-Pedal. In den anderen Reku-Modi trat dieses Problem nicht auf.

Das Ladesystem

Am Morgen hatten wir den Testwagen mit 90 Prozent Ladestand übernommen, nach den erwähnten 300 Kilometern waren es noch 31 Prozent. Das würde mit diesem gemischten Fahrprofil also rund 500 Kilometer Real-Reichweite ergeben. Doch die Reichweite muss auch im Verhältnis zum Ladeverhalten stehen – ein sehr effizientes Auto verliert wieder an Attraktivität, wenn der Ladestopp unverhältnismäßig lange dauert. Mit einer Spitzen-Ladeleistung von 150 kW bietet der Leaf für ein neues E-Auto, das 2026 an die Kunden geht, keinen überragenden Wert.

Daher sind wir mit jenen 31 Prozent Ladestand an den Schnelllader gefahren – leerer fahren konnten wir den Akku im Rahmen der Veranstaltung leider nicht, ein ausführlicher Ladetest muss später folgen. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen: Nach einem kurzen Rampup lagen bei 35 Prozent Ladestand die versprochenen 150 kW an, wenn aber auch nur kurz. In der Folge sank die Ladeleistung kontinuierlich auf noch 98 kW bei 58 Prozent, unterhalb der 35 Prozent sollen laut Nissan aber die 150 kW für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen. In zehn Minuten haben wir bei unserem ersten Lade-Test 22 kWh nachgeladen und den Ladestand von 31 auf 58 Prozent erhöht. Das ist okay, aber nicht überragend. Dass Nissan nur für den Bereich von 20 auf 80 Prozent eine Ladezeit von unter 30 Minuten angibt, legt nahe, dass der Leaf für das übliche Fenster von zehn auf 30 Prozent länger als eine halbe Stunde braucht. Das ist 2026 ein eher schlechter Wert. Klar ist: Nicht jeder Kunde braucht hohe Ladeleistungen und kurze Ladezeiten. Dennoch sollte man sich dessen bei der Kaufentscheidung bewusst sein.

Konnte der Vorgänger über seinen CHAdeMO-Anschluss noch mit Gleichstrom bidirektional laden, setzt Nissan hier jetzt auf einen bidirektionalen AC-Lader. In Deutschland wird das vorerst aber nur mit dem Vehicle-to-Load-Adapter nutzbar sein, über den externe Verbraucher mit bis zu 3,6 kW Leistung versorgt werden können. Die Vehicle-to-Grid-Funktion will Nissan 2026 zunächst in Großbritannien anbieten, in Kombination mit einer preiswerten AC-Wallbox. Ein weiterer Rollout ist geplant. Wann genau und zu welchen Preisen das System in Deutschland angeboten werden soll, wollte Nissan in Kopenhagen noch nicht verraten. Da zugleich aber auch auf die komplizierte Lage in Deutschland mit den vielen Netzbetreibern und deren unterschiedlichen Anforderungen hingewiesen wurde, könnte es sein, dass zuerst andere Länder mit geringeren Hürden an der Reihe sind – die Niederlande oder Frankreich etwa.

Die Karosserie

Mit 4,35 Metern Länge ist der Leaf rund sechs Zentimeter länger als ein VW ID.3, hat aber mit 2,69 zu 2,77 Metern einen kürzeren Radstand. Die Proportionen wirken stimmig, die Linien sind wie erwähnt auf eine bestmögliche Aerodynamik getrimmt. Auffällig ist der kurze, vordere Überhang, hier wurde im Vergleich zur zweiten Generation am meisten Länge eingespart. Da die Ingenieure gleichzeitig alle Bauteile der Klimaanlage vom Innenraum in den Motorraum verlegt haben, um innen mehr Platz zu schaffen, hat man sich laut Moss früh gegen einen Frunk entschieden – der Bauraum vorne sollte anders genutzt werden. Und obwohl der Leaf jetzt auf bis zu 19 Zoll großen Felgen steht und bis zu 235 Millimeter breite Reifen aufgezogen werden, fällt der Wendekreis kleiner aus.

Das Gepäck und Ladekabel müssen daher komplett hinten verstaut werden, der Kofferraum fasst 437 Liter. Für das Ladekabel hat Nissan zwei Verstau-Möglichkeiten vorgesehen, eine runde Kuhle für das aufgewickelte Kabel unter dem Kofferraumboden oder in der linken Seitentasche. Da gibt es ein Gummiband, welches das Ladekabel fixieren und vor dem Verrutschen bewahren soll.

Mit 437 Litern Kofferraum schlägt der Leaf zwar den erwähnten ID.3 mit 385 Litern, das gilt aber nur für den Norm-Wert bis zur Hutablage. Wird diese entfernt, gibt es im Leaf nicht viel zusätzlichen Stauraum bis zur Heckscheibe, während der ID.3 (oder andere Kompaktmodelle mit steiler Heckscheibe bei dachhoher Beladung mehr transportieren können. Klappt man die Rücksitzlehnen um, kann der VW über 1.260 Liter einladen. Beim Leaf wird es dann hingegen nur knapp vierstellig.

Wer mehr transportieren muss, sollte im Leaf also auf eine Dachbox oder einen Anhänger zurückgreifen – denn es gibt in der dritten Generation erstmals eine Anhängerkupplung. Die maximale Anhängelast fällt mit 975 Kilogramm zwar eher gering aus, ist aber höher als beim ID.3, der ab Werk gar keine Anhänger ziehen darf. Die von VW angebotene Anhängerkupplung ist nur für Fahrradträger gedacht. Das kann der Leaf auch, alternativ ist auch eine Gepäckbox auf der Anhängerkupplung möglich, wie Nissan selbst an einem Ausstellungsstück demonstriert hat – 25 Kilogramm Eigengewicht und 50 Kilogramm Zuladung lassen auf eine Stützlast von 75 Kilogramm schließen.

Der Innenraum

Auch wenn der Leaf beim Außen-Design eigenständige Wege geht, ist Innen die Verwandtschaft zum größeren Ariya sichtbar: Es gibt zwei gleich große Bildschirme und ein recht reduziertes Armaturenbrett. Der linke 14-Zoll-Screen dient als Cockpit-Display, der rechte ist als Touchscreen für das Infotainment gedacht. Auf den zweiten Blick fällt die Bedienleiste unter dem Touchscreen für einige Klima-Funktionen, die Sitzheizung oder die Scheibenheizung vorne und hinten auf. Sie ist im Leaf als eigenständige Leiste gehalten, während im teureren Ariya diese Bedienelemente in das Armaturenbrett selbst integriert sind. Die Leaf-Lösung ist sicher etwas günstiger, aber keinesfalls schlecht: Mir hat sehr gefallen, dass die Bedien-Leiste ein gutes, haptisches Feedback gibt. Das Armaturenbrett an sich besteht zwar aus Hartplastik, fühlt sich aber nicht billig an.

Wenn wir gerade bei den Materialien sind: In unserem Testwagen hat sich alles ordentlich angefühlt, billig wirkt der Innenraum nicht – allerdings sind wir (wie erwähnt) die Top-Ausstattung mit einem noch unbekannten Preisschild gefahren. Wie hier ein Leaf in der Basisausstattung abschneidet, können wir derzeit nicht bewerten. Der Testwagen war noch ein Vorserien-Exemplar, es ist also unklar, ob kleinere Mängel wie die Passform der Türdichtung an der A-Säule bei Fahrzeugen aus der Serienfertigung besser gelöst werden. Positiv aufgefallen ist, das im nahezu gesamten Innenraum auf schwarzen Hochglanz-Kunststoff verzichtet wurde, auch an den Lenkradtasten. Negativ ist aber, dass in den Türverkleidungen rund um die elektrischen Fensterheber noch diese Material zu finden ist – also mit dem Fensterheber an einer Stelle, die man öfters anfassen muss und dort unweigerlich jede Menge Fingerabdrücke hinterlässt.

Bei den Lenkradtasten gibt es Licht und Schatten, es kommt hier auf die persönlichen Vorlieben an. Zunächst vorab: Es sind richtige Tasten und Drehräder, keine Touchflächen. Und sie sind auch so angebracht, dass man sie nur schwer unabsichtlich beim Lenken berühren und bedienen kann. Mit etwas Übung lassen sich die Funktionen des Bordcomputers, Tempomat und Co gut bedienen – man kann sogar den Touchscreen in der Mitte über die Tasten auf der rechten Seite (zugegeben etwas umständlich) bedienen, ohne die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Aber: Es sind auch sehr viele Tasten, für manche zu viele. Ein aufgeräumtes Lenkrad sieht anders aus.

So viele Tasten das Lenkrad hat, so wenige sind es am Armaturenbrett selbst. Oben unter dem Display gibt es die erwähnte Bedienleiste, die aber optisch schön integriert ist. In der Mitte sind dezent die nötigsten Schalter für die Audio-Steuerung platziert, damit auch der Beifahrer die Lautstärke oder den Songtitel ändern kann – der Fahrer hat dafür seine Lenkradtasten. Ganz unten gibt es eine eher ungewöhnliche Lösung: Dort sind im Armaturenbrett vier PRND-Tasten für die Fahrstufe verbaut, zum Beifahrer hin gibt es noch einen Kippschalter für den Fahrmodus und das e-Pedal. An die Gangwahl per Taste hatte ich mich bei der Testfahrt sehr schnell gewöhnt. Dass aber Fahr-relevante Funktionen wie das e-Pedal und der Fahrmodus so weit rechts Richtung Beifahrer platziert sind, hat mir persönlich weniger gut gefallen.

Die Platzverhältnisse vorne sind mehr als ordentlich. Besonders positiv ist die Beinfreiheit dank der recht offen gestalteten Mittelkonsole. Dort ist in die Armablage eine induktive Ladeschale für Smartphones integriert, der Bereich mit den Cupholdern und Ablagen davor ist deutlich niedriger und sorgt so für das luftige Raumgefühl. Unten ist der Fußraum zwischen Fahrer und Beifahrer komplett offen. Eine kleine Abtrennung hier könnte für weiteren Stauraum sorgen – und auch sicherstellen, dass keine Gegenstände aus dem Beifahrer-Fußraum zum Fahrer unter die Pedale rutschen können.

Hinten geht es dann aber etwas beengter zu. Ich mit meinen 1,85 Metern kann bei der Beinfreiheit zwar gut hinter einem auf mich eingestellte Fahrersitz Platz nehmen. Die Limits der Kopffreiheit sind dann aber für mich schon erreicht – Kollegen, die etwas größer als ich sind, konnten auf der Rückbank nicht mehr so bequem sitzen. Da hat die aerodynamisch abfallende Dachlinie ihre Nachteile.

A propos Dach: Nissan bietet im Leaf (zumindest in den höheren Ausstattungen) auch ein dimmbares Panorama-Glasdach an. Mit den dimmbaren Elementen – neun an der Zahl – kann entweder die vordere oder hintere Hälfte oder die gesamte Fläche auf Knopfdruck auch ein trübes Milchglas umgestellt werden, was Licht und Blicke draußen hält. Im Vergleich zu einem konventionellen Glasdach mit Jalousie soll das von Saint-Gobain zugelieferte Dach des Leaf zwei bis drei Zentimeter flacher und auch einige Kilo leichter sein – weshalb sich Nissan laut Entwickler Moss überhaupt für diese Lösung entscheiden hat. Mit der eingeschränkten Kopffreiheit hinten hat das aber nichts zu tun: Das Glasdach ist dort bereits zu Ende.

Fazit

Ich gebe zu, dass ich selbst skeptisch war, als ich die ersten Bilder vom neuen Leaf gesehen hatte – der Sprung vom ikonischen Leaf hin zu einem (etwas beliebigen) Kompakt-Crossover schien mir etwas zu groß. Wenn man aber die Debatte um den Namen beiseite lässt, ist der Leaf ein überraschend harmonisches E-Auto geworden, das gerade mit seinem hohen Komfort überzeugen kann. Mit seinen technischen Daten wird er zwar nicht die Anforderungen aller Kunden erfüllen können, aber von sehr vielen. Daher ist der Leaf eine Bereicherung für das Kompakt-Segment rund um ID.3, Kia EV3 und Co.

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