
Erste Ausfahrt im BMW iX3: Das E-SUV, das die Reichweitenangst besiegt
Das Argument „zu wenig Reichweite“ dürfte mit diesem E-Auto widerlegt sein. 805 Kilometer zeigt der BMW iX3 bei geladener Batterie vor der Proberunde in Südspanien an – also exakt die WLTP-Reichweite. Wenn das neue Mittelklasse-SUV das auch nur ansatzweise halten kann, ist die in Deutschland besonders stark ausgeprägte Reichweitenangst endgültig Geschichte.
Und das, obwohl die Bedingungen alles andere als ideal sind: Anfang Dezember herrschen an der spanischen Küste mit Blick auf den Felsen von Gibraltar gerade mal einstellige Gradzahlen und dicke Regenwolken ziehen über die Berge. Quasi deutsche Wetter-Bedingungen. Gleich auf den ersten Autobahn-Kilometern aktiviere ich den Autobahnassistenten mit einem Druck auf das Symbol im linken Lenkrad-Bedienelement. Das Symbol wird direkt grün, was ich auch im Head-up-Display sehe. Ab diesem Moment darf ich die Hände vom Lenkrad nehmen, obwohl das Assistenzsystem zum Level 2 zählt. Somit gilt: Der Fahrer bleibt in der Verantwortung. Sobald die Sensoren registrieren, dass der Vorausfahrende langsamer unterwegs ist und von hinten niemand auf der linken Spur naht, schlägt das System einen Überholvorgang vor. Den Vorschlag nehme ich mit einem Blick in den linken Außenspiegel an. Der Wagen blinkt, zieht nach links und überholt. Beim ersten Versuch ist es noch unheimlich, ab dem zweiten überwiegt die Freude am assistierten Fahren. In Spanien unterstützt dieser Helfer bis 120, in Deutschland bis 130 km/h.
Mehr Nutzungszeit als im Level 3
Allerdings gilt: Augen bleiben auf der Straße. Eine Kamera unterhalb des Rückspiegels überwacht die Aufmerksamkeit des Fahrers. Ist er abgelenkt, sind die Augen zu oder verdeckt, schaltet der Autobahnassistent ab. Im ersten Modell der Neuen Klasse hat sich BMW gegen einen Level-3-Assistenten entschieden. Bei den Systemen fallen die Kosten aufgrund teurerer Sensorik wie Lidar sowie redundant ausgelegter Lenkung deutlich höher aus. Gleichzeitig sind die Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkter. BMW und Mercedes-Benz bieten in ihren jeweiligen Oberklasse-Modellen bereits Level-3-Piloten an. Doch bei Dunkelheit oder starkem Regen, in Tunneln oder Baustellen sowie ohne vorausfahrendes Fahrzeug schaltet der Assistent ab. Die Nutzungszeit fällt für die rund 6.000 Euro teure Option im Vergleich zum neuen Autobahnassistenten geringer aus.












Komfortabler Bergaufstieg
Dass der Assistent ohne Hände am Lenkrad auskommt, verdankt BMW der DCAS-Regelung (Driver Control Assistance Systems) der UN-Wirtschaftskommission UNECE. Die Bestimmungen ermöglichen einen europaweiten Einsatz mit den jeweiligen Landes-Höchstgeschwindigkeiten. Auf langen Autobahnfahrten ist der Assistent eine gute Unterstützung, zumal er auch Wechsel an Autobahnkreuzen meistert. Das lässt sich vor Ort nicht ausprobieren, denn meine Route führt vom Meer in die Berge auf 700 Höhenmeter. Hier bekommt man ein gutes Gefühl für das Fahrwerk mit klassischer Federung. Ein adaptives Fahrwerk bietet BMW für den iX3 noch nicht an.
Doch haben die Ingenieure gute Arbeit geleistet, trotz M-Sportpaket ist die Fahrt auf der Landstraße ausgesprochen komfortabel. Natürlich hört und spürt man Querfugen der Fahrbahn über die 20-Zoll-Räder rollen. Doch wankt der 1,64 Meter hohe SUV in keiner Kurve und bei keinem Bremsvorgang.
Motoren bremsen
Mit der Neuen Klasse hat BMW alles von Batterie über Bedienkonzept bis zu den Motoren überarbeitet. In 98 Prozent der Fälle rekuperiert und bremst zunächst der fremderregte Synchronmotor im Heck – und falls notwendig auch der Asynchron-Motor in der Front. Der weitgehende Verzicht auf die Reibbremse führt zu mehr Komfort für die Insassen bei Verzögerungen. Ich stelle die Rekuperationsleistung auf adaptiv, so dass der Wagen vor engen Kurven stärker rekuperiert als in Langgezogenen – das Auto entscheidet schon sehr gut, wann wie stark elektrisch verzögert wird. Das Bremspedal benötige ich fast gar nicht.
Projektion statt Bildschirm
Kommen wir zum Cockpit: BMW folgt in der Neuen Klasse nicht dem Trend zu immer mehr und immer größeren Bildschirmen. Es gibt einen zentralen 17,9 Zoll Touch-Bildschirm, deren Seiten sich leicht in Richtung Fahrer neigen. Doch während der Fahrt würdige ich ihn keines Blickes. Die Navigationsangaben sehe ich ja im 3D-Head-up-Display. Zusätzlich erkenne ich Richtungsangaben im „Panoramic Vision“. So nennt BMW den unteren Bereich der Windschutzscheibe. Er ist fünf Zentimeter hoch und 1,10 Meter breit. Damit reicht die Anzeige über die gesamte Breite des Armaturenbretts. Versenkte, leuchtstarke Bildschirme projizieren Inhalte auf die Scheibe. Als eine Art Leinwand klebt auf der Scheibe ein schwarzer Kunststoffstreifen. Er sorgt dafür, dass Anzeigen bei starker Sonneneinstrahlung von der Seite oder von hinten gut zu sehen sind. Auf unserer Tour zeigt sich die Sonne nur kurz, doch sind die Projektionen tatsächlich stets gut erkennbar. Auch mit einer polarisierten Sonnenbrille soll man laut Hersteller die Inhalte gut lesen können. Der Clou: Die Insassen bestimmen, was in der Leiste zu sehen ist. Die Fahrer-Angaben wie Reichweite oder Tempo sind unveränderbar. Doch rechts davon ist Platz für sechs Anzeigen nach Wahl. Das kann die Visualisierung des Sprachassistenten, der aktuelle Musiktitel oder die Ankunftszeit sein. Mit dem M-Paket kommt die Option hinzu, Fahrdynamik-Daten wie beispielsweise G-Kräfte anzuzeigen.
Blauer Alien-Kopf
Das Bedienkonzept überzeugt. Es schafft einen aufgeräumten Innenraum und gute Übersicht für den Fahrer. Lediglich beim Sprachassistenten ist BMW zu kurz gesprungen. Die aktuelle Visualisierung ist ein unglücklicher Kompromiss der Beteiligten, den man am besten als blauen Alien-Kopf mit weißer Brille zusammenfasst. Sensible Gemüter könnten bei dieser Figur Angst bekommen. Was wie eine Brille wirkt, zwinkert gelegentlich. Es sollen also Augen sein, doch hat man auf Pupillen verzichtet, weil das zu sehr nach Comic-Figur ausgesehen hätte. Auf eine Auswahl unterschiedlicher Visualisierungen des Assistenten hat BMW ebenfalls verzichtet. Es ist ein erster Versuch. Wer den Kopf nicht mag, zieht ihn mit dem Finger aus der Panoramic Vision-Leiste. Stellt man keinerlei Fragen, wird aus dem Kopf nach einigen Minuten das BMW-Logo. Nützlich ist der Silent-Mode, der nicht nur die künstlichen Fahrgeräusche unterdrückt, sondern auch die sechs Anzeigen in der Projektionsfläche abschaltet. Bei nächtlichen Fahrten auf dunklen Landstraßen können die farbigen Anzeigen allerdings zu hell und damit störend wirken.
| BMW iX3 50 xDrive | |
|---|---|
| Antrieb | AWD |
| Leistung | 345 kW |
| Drehmoment | 645 Nm |
| Beschleunigung | 4,9 s |
| Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h |
| WLTP–Reichweite | 805 km |
| Batteriekapazität | 108 kWh |
| Ladeleistung DC | 400 kW |
| Ladezeit DC 10-80% | 21 min |
| Preis | 68.900 Euro |
Ohne Wanken in der Spur
Nach meinem Wechsel auf den Beifahrersitz greife ich auf der Bergetappe zum Haltegriff im Dach. Doch mein Griff geht ins Leere. BMW verzichtet auf allen Plätzen auf die Griffe. Dabei ist das kein Angstgriff, sondern eher eine entspannte Haltung. Zur Ablenkung aktiviere ich die Sitzmassage, die für Entspannung im Rücken sorgt. Das Ziel ist für uns die private Rennstrecke Circuito Ascari. Hier darf das Allrad-Fahrzeug mit 345 kW Motorleistung und 645 Nm Drehmoment zeigen, wie sportlich es ist. Doch mit einer Slalomstrecke sowie einem Notspurwechsel wollen die BMW-Ingenieure vor allem belegen, wie stabil man mit dem iX3 unterwegs ist. Mit 120 km/h geht es in eine Pylonengasse. Am roten Hütchen beginnt die Vollbremsung und gleichzeitig das Ausweichen auf die linke Spur. Hier spürt man erstmals die Reibbremse im Einsatz. Der Wagen bleibt sicher in der Spur und kommt ohne ein Wanken zum Stehen.
Schneller Einparkhelfer
Auf dem Parkplatz der Rennstrecke probiere ich auch den Parkassistenten aus. In der Regel hat man schneller selbst eingeparkt, als auf diesen Helfer zu setzen. Doch BMW überrascht mich: Jeden Einparkvorgang, vor allem in engen Lücken, vollzieht das Fahrzeug so flott, wie ich es nicht erwartet hätte. Bereits bevor man an einer Parklücke vorbeigerollt ist, zeigt das System die Einparkoption an. Man wählt nur noch aus, ob der Wagen vorwärts oder rückwärts in die quer zum Verkehr stehende Lücke einparken soll. Ist der Parkplatz zu eng, übergibt man mit einem Fingerdruck die Steuerung vom Auto an die Smartphone-App und kann vorher aussteigen. Steht man nicht weiter als sechs Meter vom Auto entfernt und hält die Taste gedrückt, parkt der Wagen dann eigenständig ein. Praktisch!














Altmodische Frunk-Öffnung
Neben den fünf Insassen ist im Kofferraum des iX3 Platz für 520 Liter Gepäck. Mit umgeklappter Rücklehne werden daraus 1.750 Liter. Unter der Fronthaube bietet ein Fach weitere 58 Liter Stauraum. Allerdings lässt BMW bei der Öffnung den Komfort vermissen. Weder beim digitalen Schlüssel auf dem Smartphone, noch in der Knopfleiste der Fahrertür gibt es eine Option zum Öffnen der Fronthaube. Dazu muss man tief unter die Verkleidung links vom Lenkrad greifen und den klassischen Seilzug bedienen. Das wirkt nicht zeitgemäß und vermittelt eher das Gefühl von Notfall. Wer morgens mit seinem Typ-2-Kabel in der Hand vor dem Wagen steht, will nicht erst die Fahrertür öffnen und die Haube entriegeln. Mit dem digitalen Schlüssel auf dem Smartphone, der die Türgriffe bei Annäherung ausfahren lässt, passt das nicht zusammen.
Energie fließt in alle Richtungen
Die jetzt runden Batteriezellen fassen in Summe 108,7 kWh. Die Energie kann auch an externe Geräte (3,7 kW), an das Eigenheim oder das Stromnetz abgegeben werden. BMW bietet mit E.ON einen V2G-Tarif an, bei dem der Nutzer nur fürs Einstecken an die BMW Professional DC-Wallbox im Jahr bis zu 720 Euro Bonus kassieren kann. In dieser Zeit kann E.ON die Batterie nach Vorgabe des Besitzers als Pufferspeicher nutzen. Entnommene Kilowattstunden Energie werden dabei mit gleicher Summe gutgeschrieben wie der Bezug.
An einem Schnelllader lädt der iX3 mit bis zu 400 kW Ladeleistung. So werden in 21 Minuten der Ladehub von zehn bis 80 Prozent erreicht. Ein Ladestopp bot sich auf der Proberunde leider nicht an. Nach der Fahrt über 250 Kilometer stehen noch 520 Kilometer bzw. 57 Prozent Batteriekapazität in der Fahreranzeige – die Reichweite ist schlicht zu hoch, um in so kurzer Zeit einen Ladestopp testen zu können. Somit kann ich erst bei einer längeren Ausfahrt im kommenden Jahr testen, was sich die Ingenieure für den Ladekomfort überlegt haben: Damit man nämlich keine Zeit bei der Anfahrt öffentlicher Ladepunkte verliert, gleicht BMW die GPS-Daten der Ladesäulen mit den GPS-Daten der ladenden Fahrzeuge ab. Bei der Auswertung traten Abweichungen von bis zu 150 Metern bei einer großen Zahl der weltweit 1,6 Millionen Ladepunkt im BMW-Netzwerk zu Tage. Die BMW-Routenführung passt nun die Standorte der Säulen den ermittelten Werten an. Gleiches gilt auch für die Ladeleistung. Ergeben die anonymisierten Daten der Kundenfahrzeuge, dass eine Vielzahl nur mit maximal 200 statt der angegebenen 400 kW an einem Standort laden, korrigiert die Software die berechnete Ladedauer als auch die weitere Ladeplanung für die Route.
Was ist in der Praxis noch wichtig? Der Verbrauch auf meiner Testrunde liegt bei 22,2 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Das überrascht bei dem Wetter, der Temperatur und dem überwiegenden Fahranteil in den Bergen bei einem 2,3 t schweren E-Auto kaum. Laut WLTP-Angaben liegt der Verbrauch aber bei 17,9 kWh auf 100 km. Hier kann erst ein Langzeittest ermitteln, ob’s realistisch ist.
Fazit
Mit dem iX3 liefert BMW ein gelungenes Langstrecken-Fahrzeug, das sich technisch auf Augenhöhe mit allen globalen E-Autoherstellern bewegt. Preislich startet die Variante 50 xDrive bei 68.900 Euro. Laut Angaben von BMW fällt die Kundenreaktion nach der Vorstellung auf der IAA sehr positiv aus. Viele Kunden bestellen das E-Auto bereits ohne jede Probefahrt! Die geplante Stückzahl, die ab Frühjahr 2026 aus dem ungarischen BMW-Werk in Debrecen zu den Händlern rollt, sei bereits ausverkauft. Wer sich also für das erste Modell der neuen Klasse interessiert, muss sich mit seiner Auslieferung bis 2027 gedulden.
Autor: Dirk Kunde




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