VW Passat GTE: König der Dienstwagen unter Strom.

Es war im Jahre 1973, als der VW Passat eingeführt wurde. Da war der Autor dieser Zeilen noch nicht mal ansatzweise auf der Welt. Stolze 42 Jahre später fährt der König der Dienstwagen in achter Generation nun erstmals auch rein elektrisch – als Plug-in-Hybrid mit dem Kürzel GTE. electrive.net-Chefredakteur Peter Schwierz hat in Holland eine erste Probefahrt gemacht.

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Zugegeben: Ich bin zunächst kurz irritiert, als im Premium-Parkhaus am Amsterdamer Flughafen Schiphol ein VW Passat an mir vorbei rollt, ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben. Der Passat kommt im Zeitalter der Elektromobilität an – tatsächlich! Jene Limousine also, die das deutsche Straßenbild prägt wie keine andere. Und neben dem Golf zu den Top-Sellern der Kernmarke Volkswagen zählt. Nun fährt der Liebling der Abteilungsleiter, Außendienstler und Familienväter also auch elektrisch. Als Plug-in-Hybrid auf dem Papier sogar bis zu 50 Kilometer weit. (Im Alltag werden’s wohl eher um die 45 km sein.) Die Reaktionen auf den kleinen Landstraßen rund um Amsterdam, etwa beim Überholen von Radfahrern, zeigen: Selbst die eMobility-erfahrenen Holländer haben Fragezeichen im Kopf, wenn sich ihnen ausgerechnet ein Passat lautlos nähert.

Elektrisch bis Tempo 130

Und wie fährt er sich nun, der Passat GTE? Das Attribut „souverän“ trifft es wohl am besten. Aus dem Stand geht’s im Elektro-Modus lautlos bis 130 km/h, dann beschleunigt der 1,4-Liter-TSI weiter. „Lediglich bei nicht ausreichend geladener Batterie oder sehr niedrigen Außentemperaturen übernimmt sofort der TSI-Motor“, schreibt VW in seiner begleitenden Pressemitteilung. Die Lithium-Ionen-Batterie mit Samsung-Zellen im Heck fasst 9,9 kWh Strom. Die permanentmagneterregte Synchronmaschine leistet 85 kW und bringt die 1,7 Tonnen durchaus flott in Schwung. Ist ja immerhin kein Kleinwagen, der da zum Ampelstart antritt. Der Plug-in-Hybridantrieb zeigt insgesamt keine Schwächen. Der Wechsel zwischen den Antriebswelten erfolgt zwar noch nicht so sanft wie in einem Toyota Prius, aber durchaus geschmeidig. Nur beim Anbremsen an eine rote Ampel schickt das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DSG) ein paar leichte Rüttler durch die Karosse. Oder kommt da der eigens entwickelte elektromechanische Bremskraftverstärker (e-BKV) ins Spiel? Ein Blick unter die Motorhaube offenbart: Beim Packaging hatten die VW-Ingenieure alle Hände voll zu tun. Ladegerät (im Bild ganz rechts) und Leistungselektronik (rechts oben) mussten neben dem Verbrenner noch ein Plätzchen finden. Mehr geht da vorne wirklich nicht mehr rein.

Qual der Wahl

Steigt man ein wenig tiefer in die Möglichkeiten des GTE ein, wird’s anspruchsvoll: Drei Fahrmodi – E-Mode, Hybrid, Battery-Charge – stehen zur Wahl. Und dann wäre da noch der Knopf der Knöpfe: VW-Passt-GTE-SchalterBeim Druck auf den GTE-Schalter wirft der Passat alles nach vorne, was E-Maschine und TSI zu bieten haben. Die 400 Newtonmeter machen Freude, aber auch Lärm. Mit Elektromobilität hat das nicht mehr viel zu tun. Gleichwohl dürften sich die oben erwähnten Abteilungsleiter, Außendienstler und Familienväter über diese Spurtfreude beim Überholvorgang freuen. Doch das ist längst nicht alles: In den Einstellungen kann man auch noch zwischen Eco, Comfort, Normal, Sport und individueller Konfiguration wählen. Und der Rekuperationsgrad möchte über eine zusätzliche Position (B) des Schalthebels ebenfalls gern angepasst werden. Das ist alles schön und gut, könnte Otto-Normal-Anwender aber auch überfordern. Die permanente Qual der Wahl war uns auch schon beim quasi baugleichen Antrieb des Audi A3 e-tron aufgefallen. Weniger ist manchmal mehr.

Stromnachschub

VW-Passat-GTE-DisplayGeladen wird der Passat GTE entweder mit dem serienmäßigen Ladekabel einphasig mit 2,3 kW Wechselstrom an der heimischen Steckdose (Darf man das noch schreiben im Jahr 2015?) binnen vier Stunden und 15 Minuten. Oder etwas schneller (zwei Stunden und 30 Minuten) an einer Wallbox oder Ladesäule mit 3,6 kW. Erwähnt sei an dieser Stelle noch die Charge&Fuel Card von Volkswagen Financial Services, die bundesweit Zugang und Abrechnung an 1.200 Ladestationen und 10.800 Tankstellen regelt. Die Ladebuchse findet sich beim Passat GTE übrigens neben dem VW-Emblem im Kühlergrill, für so manche längs am Straßenrand stehende Ladesäule nicht der ideale Ort. Allerdings werden die meisten Fahrer wohl ohnehin meist über Nacht zuhause laden.

VW-Passat-GTE-Windrad

Fazit

Die knapp vier Stunden mit dem GTE im Rahmen der aktuellen Fahrpräsentation in Amsterdam reichen natürlich nicht aus, um ein wirklich umfassendes Bild zu zeichnen. Doch fest steht: Mit dem Passat GTE haben Dienstwagen-Besteller eine neue Option, die zwar mit 44.250 Euro für die Limousine bzw. 45.250 Euro für den Variant nicht ganz billig ausfällt, aber zumindest den Einstieg in die Elektromobilität erlaubt. Elektrisches Pendeln ins Büro und die wöchentliche Fahrt zum Firmensitz im anderen Bundesland – das alles geht jetzt mit dem König der Dienstwagen. Man darf gespannt sein, ob die Fuhrpark-Manager dem GTE tatsächlich zusagen werden – oder doch beim Diesel bleiben. Der Selbstzünder (ab 29.125 Euro) wird wohl auf absehbare Zeit der größte Konkurrent des GTE bleiben. Schließlich markiert der Plug-in-Hybrid das obere Ende der Preistabelle. Die finale Message für alle, denen der Preisaufschlag keine Bauchschmerzen bereitet, lautet: Der Passat fährt jetzt auch elektrisch. Und macht damit zumindest einen kleinen Unterschied im Volkswagen-Gewühl auf unseren Straßen.

Text und Bilder: Peter Schwierz

1 Kommentar

zu „VW Passat GTE: König der Dienstwagen unter Strom.“
Reinhardt
16.07.2015 um 11:35
Der Passat ist sicherlich ein außergewöhnlicher Pkw.Als Plug-in-Hybrid (GTE) beeindruckt er dem Fahrbericht von Peter Schwierz nach nunmehr sogar die Niederländer. Mir kam beim Lesen die Bemerkung eines Vortragenden spontan in den Kopf, demzufolge "die beste und schnellste Dampflok auf den Markt kam, als das Zeitalter der E-Lok schon längst angebrochen war....". Plug-in-Hybride haben Konjunktur, weil es die Hersteller so wollen. Nicht die Kundschaft. Die Physik und die Effizienz spielen da keine Rolle, Ebenso wenig die Chancen des Batterie-elektrischen Pkw. Amerikaner, Japaner, Koreaner, Franzosen und dann die Chinesen werden uns schon zeigen, wo 'Barthel den Most holt...'

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