Sun2Wheel lenkt Sonnenstrom ins Elektroauto

Den Traum vom smarten Haus der Zukunft, das per Solaranlage grünen Strom für seine Bewohner und deren Elektroautos produziert, träumen immer mehr Menschen. Doch die Sache hat einen Haken: Wenn die Sonne am höchsten steht, ist das E-Auto meist unterwegs. Marco Piffaretti will das mit Sun2Wheel ändern.

Sie haben ein Elektroauto vor der Tür und Photovoltaik auf dem Dach? Dann sind Sie zumindest an einem sonnigen Wochenende ein glücklicher Mensch, weil der Akku im Vehikel die Energie für die nächste Tour quasi kostenlos vom Dach zieht. Doch an Arbeitstagen – von denen es leider mehr gibt als freie – geht die Rechnung nicht auf. Dann steht das Auto vor dem Büro – und der heimische Solarstrom fließt ins Netz. Diesem Dilemma will Marco Piffaretti aus der Schweiz mit einem neuen System ein Ende machen. Sun2Wheel heißt es. Und der Name ist Programm.

Der Traum von der Sonne im Tank

Für Marco Piffaretti erfüllt sich mit dem Konzept eine alte Vision. Denn der Chef der Schweizer eMobility-Spezialfirma Protoscar ist ein Veteran der Tour de Sol. Schon im Juni 1986 sind er und weitere Vordenker aus dem „Team Ticino Vicolo Solare“ (TTVS) mit einem von Solarzellen bedeckten Auto rein elektrisch über die Alpen gefahren. „Jetzt machen wir uns an die industrielle Umsetzung dieser Idee“, sagt Piffaretti augenzwinkernd, „mit dem Unterschied, dass wir Energie-Bereitstellung und Nutzung getrennt haben.“ Denn Sun2Wheel funktioniert eben nicht wie das Solarauto von vor 30 Jahren. Das System besteht aus einer PV-Anlage, einem Pufferspeicher (im besten Fall einer Second-Life-Batterie eines ausrangierten E-Autos), Ladestation und einer intelligenten Steuerung (dem Herzstück, für das Piffaretti und sein Team verantwortlich zeichnen). Die Idee: Sun2Wheel speichert tagsüber Sonnenstrom und gibt ihn nachts an Elektroautos ab. Ist noch Energie übrig, geht diese – je nach Vorgabe der Nutzer an die Steuerung – ins Haus oder ins Netz.

Als Zielgruppe dafür hat Piffaretti vor allem jene Häuslebauer ausgemacht, die neu bauen und deshalb bei der Planung alle Freiheiten haben. Ein Dutzend Pionier-Kunden will er dieses Jahr gewinnen und mit diesen Demo-Anlagen realisieren. Auf seinem Grundstück im Tessin ist er bereits in Vorleistung gegangen: Dort hat er sich eine futuristische Demo-Garage mit integriertem 60 m²-Solardach und Holzwänden an einen Berghang gesetzt. Im Inneren sind zwei Second-Life-Batterien von Nissan mit zusammen 30 kWh nutzbarer Kapazität, Ladestationen für drei Elektroautos und die Steuerung untergebracht. „Es ist eine Demo-Garage, die ich jeden Tag benutze. Man kann die Komponenten auch in eine bestehende Garage einbauen. Ich hatte halt keine, darum habe ich sie mir gebaut“, so Piffaretti. Seine Anlage ist so ausgelegt, dass sie 12 Stunden puffern kann. Die Messlatte hängt hoch: „Den Sonnenstrom der Mittagssonne musst du um Mitternacht ins Auto hieven können.“ Man könne eine solche Anlage auch auf zwei bis drei Tage auslegen, für schlechtes Wetter oder das Wochenende.

Sun2Wheel orchestriert Energiefluss

Der Clou aber steckt nicht in der Hard- sondern in der Software. Sun2Wheel gibt nämlich dem örtlichen Energieversorger auch eine Regelmöglichkeit über Hochfrequenz-Signale. So können Peak-Leistungen vermieden oder flexible Tarife ermöglicht werden. Geht es nach Protoscar, könnte ein EVU das System auch selbst vertreiben. Und dann seinen Kunden unterschiedliche Leasing-Raten abhängig von der externen Regulierung anbieten. Die Logik: Hoher Preis, wenn der EVU keinen Zugriff hat, niedriger Preis bei voller Regelbarkeit. Oft seien die Wünche von Kunde und Energieversorger auch gar nicht weit auseinander, glaubt man bei Protoscar. Mögliche Abweichungen will man mit den Pionier-Kunden herausfinden – und das System entsprechend anpassen. „Das Schöne ist, dass ich als Nutzer nichts machen muss“, meint der Erfinder. Das wichtigste aber sei, dass das Elektroauto immer eingesteckt werde, auch wenn der Akku fast voll ist.

Mithilfe von Sun2Wheel wurde auch eine Anlage bei EVTEC in Luzern mit einem Schnelllader realisiert, um Peak-Leistungen nicht an den Energieversorger bezahlen zu müssen. Und ein bisschen Sun2Wheel steckt auch in der ChargeLounge bei Ikea in Ludwigsburg. Ein weiteres Privathaus entsteht gerade in Luzern. Weitere interessierte Partner können sich bei Protoscar jederzeit melden. Ob und wann sich das System zu einem Endprodukt für den Vertrieb in der Breite entwickelt, werde sich dann zeigen.

Für die Garage des Vordenkers gibt es derweil schon neue Ideen. Aktuell fließt 90 Prozent der produzierten Energie (pro Jahr insgesamt etwa 7.000 kWh) in die drei Elektroautos (Lampo, Tesla Model S 90, BMW i3 64 Ah) – mal gleichzeitig, mal nacheinander, stets orchestriert von Sun2Wheel. Der nächste Schritt wäre bidirektionales Laden. Und irgendwann sollte die ganze Garage mit Gleichstrom funktionieren. So träumt Piffaretti von bidirektionalem DC-Laden mit etwa 11 kW, um auch die Akkus der E-Autos im System noch besser nutzbar zu machen. Was mit japanischen Autos schon gehe, käme bei den europäischen aber erst in ein paar Jahren mit der ISO 15118. Bis dahin hat der Schweiter eMobility-Veteran wohl zumindest den Traum von der Sonne im Tank mit vielen anderen Pionieren schon umgesetzt.

3 Kommentare

zu „Sun2Wheel lenkt Sonnenstrom ins Elektroauto“
Thomas Wagner
27.03.2017 um 08:52
Batterien in die Garage zu bauen um den Strom für das Elektroauto zu speichern, ist zwar ein schönes Bild, jedoch bei den heutigen Preisen für Akkus noch ein ziemlich teurer Spaß. Da wäre es besser man würde für den Betrag, den der Garagenakku kostet seine Solaranlage vergrößern und das eigene Elektro-Auto von einem Ökostrom-Anbieter aufladen lassen, so würde mehr Solarstrom produziert denn es ist der Solarstrom, der die Energiewende macht, nicht der Stromspeicher ! Und solange, die regenerativen Stromerzeuger in Deutschland gerade mal 1/3 der Stromerzeugung bewerkstelligen, ist jedes mehr an Solarstrom im Netz ein weniger an Atom- und KohleStrom.
Ralf
28.03.2017 um 11:32
Die Rechnung geht irgendwie nicht auf. Mit einem 30kWh-Speicher ein 90kWh-Auto aufzuladen ist mit aktuellem Stand der Physik nicht möglich. Um tatsächlich ein Auto aufzuladen und dann auch noch für schlechtes Wetter gerüstet zu sein und die Verluste auszugleichen sind vermutlich mehrere 100kWh Kapazität nötig.
marco piffaretti
28.03.2017 um 13:53
Da über 90% der Tage nicht mehr als also 150km Reichweite (für die 3 eAutos) nachgeladen werden muss (also knapp 30kWh), geht die Rechnung schon auf. In den wenigen Fällen wo das nicht reicht, kommt die restliche Energie aus dem Netz. Wobei nicht notwendigerweise immer auf 100% vollgeladen werden muss. In Zukunft (bei immer niedrigeren Batteriepreisen) kann die Pufferbatterie zudem noch grösser werden. Betreffend Mobilititätswende und Energiewende: es braucht -nebst eAutos- beides: stationäre Pufferbatterien UND Photovoltaik. Wenn man jedoch auch beim Arbeitgeber (also Tagsüber, wenn die Sonne scheint) laden könnte, dann währe das noch besser!

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