E-Charger 600: Enercon nimmt HPC-Ladesystem in Betrieb

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Enercon nimmt heute am Stammsitz in Aurich (Ostfriesland) seinen ersten High-Power-Charger mit einer Ladeleistung von bis zu 350 kW in Betrieb. Das Konzept wurde bereits im vergangenen Jahr auf der Hannover Messe vorgestellt. Bei der Anlage in Aurich handelt es sich um den ersten Prototyp des E-Charger 600.

Mit dem Einstieg ins Ultraschnellladen will sich der Windenergie-Konzern noch breiter aufstellen und die Nutzung von erneuerbaren Energien vorantreiben. Errichtet wurde der Enercon-Schnelllader am Energie-, Bildungs- und Erlebnis-Zentrum (EEZ) in Aurich-Sandhorst. Betrieben wird die Ladestation dort künftig von den Stadtwerken Aurich. „Als Anbieter von Systemlösungen für regenerative Energien entwickelt Enercon nicht nur technologisch führende Windenergieanlagen, sondern auch innovative Technologien und Konzepte zur Sektorkopplung“, sagte Jens Winkler, Leiter Energiewirtschaft bei Enercon, gegenüber electrive.net im Vorfeld der Inbetriebnahme. „Nur wenn der Systemwechsel auch in anderen Sektoren – insbesondere dem Verkehr – gelingt, wird die Energiewende erfolgreich sein und das vereinbarte Klimaschutzziel erreicht. Daher machen wir uns für den Systemlösungsansatz stark“, so Winkler weiter.

Die Technologie des E-Charger 600 (CCS) basiert auf Enercons Schnittstellentechnologie zur Anbindung von Speicherlösungen ans Netz. Kernkomponenten sind Wechselrichter, wie sie Enercon auch in seinen Windrädern verbaut. Die Leistungselektronik steuert das niedersächsische Unternehmen Power Innovation aus Achim bei. Zentrales Element des Enercon-Ladesystems ist ein Batteriespeicher als Pufferlösung, der jene 350 kW stets gewährleisten soll, aber auch netzdienliche Dienste tun kann, etwa überschüssigen Ökostrom aufnehmen. In Aurich ist ein solches Batteriesystem allerdings noch nicht installiert, die Anlage hängt vorerst am Mittelspannungsnetz. Dennoch wirkt sie auch ohne Pufferspeicher schon netzdienlich, wie Enercon betont.

„Beim Ladevorgang bezieht unsere Leistungselektronik die Leistung schonend aus dem Netz“, erläutert Alfred Beekmann, Leiter Steuerungs-und Regelungstechnik bei Enercons Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft WRD. „Wir sind mit unserem System kompatibel mit weltweiten Netzrichtlinien und Anforderungen der Netzeinspeisequalität. Möglich ist der Anschluss auf Nieder- oder Mittelspannungsebene. Das System ist Container-basiert aufgebaut und je nach Bedarf in 300 kW-Schritten modular erweiterbar“, so Beekmann weiter. Bis zu vier Ladesäulen mit je 350 kW am maximaler Ladeleistung kann das System bedienen.

Spitzen-Ladeleistungen von bis zu 350 kW an mehreren Ladepunkten gleichzeitig erfordern laut Enercon typischerweise einen Mittelspannungsanschluss, der von einem Umspannwerk mit einer entsprechenden Leistungsreserve zur Verfügung gestellt wird. Über einen Transformator wird die Mittelspannung vom jeweiligen Spannungsniveau (z.B. 20 kV oder 30 kV) auf 400 V Wechselspannung transformiert, mit der dann der E-Charger 600 für die Schnellladevorgänge versorgt werden kann. Idealerweise stellt sich das Unternehmen hier Windkraft als Energielieferant vor.

Enercon erklärt weiter: „Die Wechselspannung wird mit Hilfe der Enercon-Wechselrichtertechnologie in eine Gleichspannung transformiert, die als Basis zum Laden der Batterien erforderlich ist. Zum Laden einer Batterie wird eine regelbare Gleichspannung benötigt, die je nach Ladezustand der Fahrzeugbatterie (State of Charge, SOC) den erforderlichen Stromfluss zum Laden ermöglicht. Dieser Gleichspannungslevel wird mit sogenannten DC-DC-Stellern eingestellt. DC-DC-Module in der Leistungsklasse 30 kW werden dabei in der erforderlichen Konstellation parallel oder in Reihe geschaltet, damit die gewünschten Spannungs- und Stromstärken erzielt werden. Die Verteilung der 600 kW Ladeleistung beim E-Charger 600 auf bis zu vier Ladesäulen erfolgt über eine sogenannte Schaltmatrix. Diese verbindet die Leistungselektronik über die Ladesäule mit den Fahrzeugbatterien. Gleichzeitig ist eine schnelle Entkopplung der Leistungselektronik von der Ladesäule durchführbar. Dies gewährt die Sicherheit der Nutzer beim Ladevorgang und im Fehlerfall.“

Im Enercon E-Charger 600 bezieht die Wechselrichtertechnik die Leistung schonend aus dem Netz (sogenannte aktive Gleichrichtung) und speist – je nach Bedarf – Blindleistung ins Netz ein, um die Spannung zu stützen oder zu stabilisieren, teilt das Unternehmen mit. Somit beherrsche die Schnellladetechnologie von Enercon fast alles, was auch eine Windkraftanlage der Niedersachsen in Richtung Netz könne.

Die kommerzielle Markteinführung des E-Charger 600 wird im Frühjahr 2018 zunächst in Deutschland und anderen europäischen Ländern erfolgen. Installationen der ersten Serien-Anlagen sind mit Tankstellenbetreibern und Energieversorgern bundesweit in Planung. Die nächsten Prototypen entstehen in Niedersachsen im Netzgebiet der EWE. Ebenfalls vorbereitet werden weitere Versionen für internationale Märkte. Für Jens Winkler liegen die Vorteile auf der Hand: „Die Onshore-Windenergie liefert den grünen, klimaneutralen Strom, der zum Betrieb von E-Fahrzeugen erforderlich ist. Eine gut ausgebaute Infrastruktur für schnelles Laden wird bestehende Vorbehalte auf Verbraucherseite ausräumen und E-Fahrzeugen zum Durchbruch verhelfen.“ Und der Enercon GmbH mit etwas Glück ein weiteres Geschäftsfeld erschließen.
ndr.de (TV-Beitrag)

2 Kommentare

zu „E-Charger 600: Enercon nimmt HPC-Ladesystem in Betrieb“
net-worker
14.03.2018 um 11:13
Interessante Technik. Eine Frage wäre noch ob die Ladesäulen kompatibel mit der Porsche HPC Technik mit 800V Spannung sind?
Daniel Bönnighausen
14.03.2018 um 11:20
Inwiefern kompatibel? Beim High Power Charging wird zunächst einmal zum größten Teil auf CCS gesetzt. Auch hier handelt es sich um 800-Volt-Technologie. Ein Porsche Mission E könnte hier also auch mit der vollen Ladeleistung laden.

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