Forscher-Teams wollen Batterie-Lebensdauer mit neuem Ladeprotokoll erhöhen

Ein verbessertes Ladeprotokoll könnte die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien deutlich verlängern. In Versuchen hat ein internationales Forscherteam einen Weg gefunden, wie beim Laden Alterungseffekte verringert werden können – nur anhand des Ladeprotokolls.

helmholtz zentrum berlin ladeprotokoll gepulster strom
Bild: HZB/10.1002/aenm.202400190

Aktuell sehen die Protokolle das Laden mit einem konstanten Stromfluss vor. Wie die Untersuchung des Teams unter der Leitung von Philipp Adelhelm (Helmholtz-Zentrum Berlin und Humboldt-Universität) in Zusammenarbeit mit der TU Berlin und der Aalborg University in Dänemark gezeigt hat, ist das aber nicht die beste Methode. Die Studie, die in der Fachzeitschrift Advanced Energy Materials veröffentlicht wurde, analysiert den Einfluss des Ladeprotokolls auf die Lebensdauer der Batterie.

Im Rahmen des Projekts haben die Forscher handelsübliche NMC532-Zellen mit Graphit-Anode untersucht – in der Kathode sind neben dem Lithium die Verbindungen aus Nickel, Mangan und Kobalt im Verhältnis 5:3:2 gemischt. Derzeit sind viele E-Autos mit einer solchen Mischung auf der Straße unterwegs, auch wenn bei Neuwagen der Trend inzwischen in Richtung NMC811 geht.

Ein Teil der Batterietests wurde an der Universität Aalborg durchgeführt. Die Batterien wurden entweder konventionell mit Konstantstrom (CC) oder mit einem neuen Ladeprotokoll mit gepulstem Strom (PC) geladen. Anschließend wurden die Zellen in Post-mortem-Analysen zerlegt und unter die Lupe genommen, wobei sich laut den Forschern „deutliche Unterschiede“ gezeigt haben. So war an den Proben, die mit konstantem Strom geladen wurde, die Festelektrolyt-Grenzfläche (SEI) an der Anode deutlich dicker, was die Kapazität beeinträchtigte. Außerdem fand das Team mehr Risse in der Struktur der NMC532- und Graphit-Elektroden, was ebenfalls zum Kapazitätsverlust beitrug. Im Gegensatz dazu führte die PC-Ladung zu einer dünneren SEI-Grenzfläche und weniger strukturellen Veränderungen in den Elektrodenmaterialien.

Diese ersten Beobachtungen wurden mit weiteren Untersuchungen detaillierter betrachtet. Am „BESSY II“, einem 240 Meter langen Ringbeschleuniger für Elektronen am Helmholtz-Zentrum, untersuchte der Forscher Yaolin Xu die Zellen mit Operando-Raman-Spektroskopie und Dilatometrie sowie Röntgenabsorptionsspektroskopie. Dadurch gelang es ihm, zu analysieren, was beim Laden mit unterschiedlichen Protokollen passiert. Ergänzende Experimente wurden am Synchrotron PETRA III durchgeführt. „Das Aufladen mit gepulstem Strom fördert die homogene Verteilung der Lithium-Ionen im Graphit. Dadurch verringert sich die mechanische Belastung und Rissbildung in den Graphitpartikeln, so dass die Graphitanode länger stabil bleibt“, schließt er. Die gepulste Ladung unterdrückt auch strukturelle Veränderungen in den NMC532-Kathodenmaterialien.

Sprich: Das Laden mit hochfrequentem gepulstem Strom verringert Alterungseffekte. Allerdings haben die Forscher-Teams auch herausgefunden, dass es auf die Frequenz des gepulsten Stroms ankommt.  Ladeprotokolle mit hochfrequent gepulstem Strom verlängern die Lebensdauer kommerzieller Lithium-Ionen-Batterien am stärksten, bis zur Verdopplung der Zyklenlebensdauer (mit 80 Prozent Kapazitätserhalt). Mitautorin Julia Kowal, Expertin für elektrische Energiespeichertechnik an der TU Berlin, betont: „Das gepulste Laden könnte viele Vorteile in Bezug auf die Stabilität der Elektrodenmaterialien und der Grenzflächen bringen und die Lebensdauer der Batterien deutlich verlängern.“

helmholtz-berlin.de

16 Kommentare

zu „Forscher-Teams wollen Batterie-Lebensdauer mit neuem Ladeprotokoll erhöhen“
Gregor
12.04.2024 um 13:36
Uff...na das sind ja mal Neuigkeiten. Boar, ich dachte nach der Garantie ist so ein EAuto Akku schon platt und kaputt. Diese doofen Forscher müssen wieder mal jegliche Telegram In Luft auflösen. /ironie ausGeil was hier alles erforscht wird. Bin gespannt wie sich dabei das Verhältnis zur Ladegeschwindigkeit ändert. Wobei das bei Heimspeichern keine Rolle spielen sollte.Und 30 Jahre Lebensdauer ware brutal
Maik
12.04.2024 um 22:19
Interessant wäre ob man dies per Software in Bestandsfahrzeuge/Ladesäulen nachrüsten kann.
Markus
13.04.2024 um 15:03
Geht das denn einfach so mit den bestehenden Ladesäulen? Neues Protokoll und alles ist gut? Oder bedeutet das es ist dann wieder alles auf einmal veraltet von heute auf morgen?
Manu
16.04.2024 um 15:19
Servus Markus, nein das geht nicht so einfach. Du bräuchtest da viele Änderungen am System oder einen Multilevelumrichter, der Frequenzen erzeugen kann. Oder du müsstest den DC-Zwischenkreis loswerden (Kodensatoren die eine glättende Funktion zwischen Umrichter und Batterie haben). Leider variiert das ganze auch von von Zellen zu Zellen und daher geht es echt nur mit mehr Aufwand.Aber das ist genau das was wir seit einigen Jahren sagen: https://www.youtube.com/watch?v=zyvnc7DK7WI&ab_channel=electriveGruß Manu
Piet
15.04.2024 um 07:50
Die Erkenntnis ist von besonderer Bedeutung, weil sie in der Theorie auf Fahrzeugen und Autos per Softwareaktualisierung aufgespielt werden könnte. Bleiben 2 Fragen: Werden die Fahrzeughersteller das jemals tun? Wird die Hardware (Elektronik) in den Fahrzeugen und den Stationen der geänderten Belastung besser oder schlechter standhalten?
Manu
16.04.2024 um 15:22
Servus Piet, leider geht das nicht einfach mit Softwareupdate. Du müsstest schon einiges ändern. Wenn wir davon ausgehen es reicht das es die Ladesäule macht, dann sind die nicht drauf ausgelegt Frequenzen von 50 Hz - 2kHz aufzuprägen. Geht durch die Leitungen auch schwer die eine Induktivität haben.Der HW wird das wenig ausmachen falls es geht. Etwas mehr Lebensdauer und je nach Protokoll etwas mehr RMS Strom.Gruß Manu
Frank
15.04.2024 um 10:51
Wenn heutige Batterien bereits Fahrleistungen von 0,5 bis 1 Mio km erlauben, würde ich auch ohne diese neuen Erkenntnisse sagen: Viel wichtiger als die Alterungseffekte aufgrund der Lade-/Entladevorgänge ist die kalendarische Alterung von Batterien. Daher die Frage: Kann PC-Ladung auch ein Stück weit der kalendarischen Alterung entgegen wirken bzw. eine gewisse "Auffrischung" bewirken?
Manuel
16.04.2024 um 15:24
Hallo Frank, hier würde ich der Vollständigkeit gerne darauf hinweisen das nicht jede Batteriechemie 500 Mio km schafft. Die kalendarische Alterung sollte eine wesentlich kleinere Rolle spielen, bei den meisten Zellchemien.Kalendarische Alterung ist ein super kompliziertes Feld. Ich würde aber aus dem Bauch raus sagen wir können da nichts dagegen machen.
Peter Straker
16.04.2024 um 07:10
Damit war man schon bei NiMH Akkus sehr erfolgreich - kaum vorstellbar, dass das bislang noch niemand mit auf Li-basierten Zellen untersucht haben soll
Manuel
24.04.2024 um 15:32
Hallo Peter, bei Bleibatterien macht mans so bei NiMH genauso. Keiner versteht warum man das vergessen hat! Ich als Forscher genau an dem Thema kanns auch nicht verstehen.... Aber ich denke das passiert immer wieder Mal das man als Menschheit Sachen vergisst.
Manfred
16.04.2024 um 08:15
Die Frage lautet: "Was heißt hier hochfrequent?". Geht es um ein paar hundert Hz oder ist damit eine wesentlich höhere Frequenz gemeint. Dann wird eine Softwarelösung wohl nicht funktionieren und es braucht eine andere Hardware. Mal abgesehen von den EMV-Problemen, die so hohe gepulste Ströme machen werden.
Manuel
24.04.2024 um 15:39
Die Frage lautet: "Was heißt hier hochfrequent?". Geht es um ein paar hundert Hz oder ist damit eine wesentlich höhere Frequenz gemeint. Dann wird eine Softwarelösung wohl nicht funktionieren und es braucht eine andere Hardware. Mal abgesehen von den EMV-Problemen, die so hohe gepulste Ströme machen werden.Hallo Manfred, hochfrequent bedeutet eine Spanne von 1, 2 Hz bis zu 2 kHz. Hängt von Zellchemie, SoH, SoC, Temperatur ab, wie alles bei Batterien ;). Hier funktioniert auf keinen Fall nur eine Softwarelösung. Der Fahrer gibt vor wie viel Moment~Strom er will, die Spannung ist festverdrahtet und dazwischen ist noch ein DC-Zwischenkreis (fetter Kondensator) der alle Rippelströme glätten soll. Wir müssen um die Methode zu verwenden Hardware machen. Jetzt gibt es zwei Methoden das zu machen, einmal an jede Batterie einen DC/DC-Konverter oder eben gleich eine Multilevelbatterie aufbauen. Die EMV Probleme sind wesentlich kleiner als man erstmal annimmt. Die EM wird wesentlich kleiner als wenn man 800V bzw. 400V 17000 mal in der Sekunde schaltet.Gruß Manu
Max
16.04.2024 um 08:43
Faktisch kann das E-Fahrzeug den max Ladestrom ja bestimmen wie es will und könnte so schon einen Puls erzeugen.Ob die Ladesäule das dauerhaft mitmacht und ob sie auch dauerhaft die Netzrückwirkungen im Zaum halten kann, ist die Frage.
Manuel Kuder
24.04.2024 um 15:51
Faktisch kann das E-Fahrzeug den max Ladestrom ja bestimmen wie es will und könnte so schon einen Puls erzeugen.Ob die Ladesäule das dauerhaft mitmacht und ob sie auch dauerhaft die Netzrückwirkungen im Zaum halten kann, ist die Frage.Servus Max, so leicht ist es leider nicht. So hochfrequent (wie gesagt muss schon Hz sein) können die wenigsten Ladesäulen den Strom einstellen. War auch nie notwendig! Daher bräuchte man wahrscheinlich nochmal ein Nachrüstkit für die Ladesäulen (DC). AC ist nochmal eine ganz andere Baustelle, da meist im Fahrzeug verbaut. Eine batteriegepufferte Ladesäule darf so Rippel machen, wenn die aber nicht gepuffert ist zeigt einem der Netzbetreiber den Vogel, wenn man versucht sowas wie einen Phasenanschnitt mit 22kW zu machen. Alles nicht so einfach, aber gut für die Batterien und das sollte unser aller Ziel sein! Die Batterie ist teuer und mit viel Ressourcenaufwand und Energieaufwand verbunden!!Gruß Manu
Marc
17.04.2024 um 22:37
Gab es da nicht schon Erkenntnisse, dass schon alleine das Unterbrechen des Ladevorganges zu einer verminderten Alterung führt? So was ließe sich recht einfach in ein Ladeprotokoll einbauen.
Manuel
24.04.2024 um 15:52
Doch das bringt auch schon was ;). Hat aber nichts mit dem zu tun was hier beschrieben wird. Hier geht es wirklich darum die Elektrodeposition genau zu steuern.

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