
Erste Mitfahrt im Range Rover Electric: Auf Kuschelkurs in die Zukunft
In den sozialen Medien haben sich Befürworter und Kritiker eine wilde Schlacht geliefert und so die Zugriffszahlen in schwindelnde Höhen getrieben. Und in den Wirtschaftsblättern haben sie schon den Abgesang angestimmt – kaum ein neues Auto hat in dem letzten Jahren so viel Wind gemacht wie der Type 00, mit dem Jaguar 100 Jahre Geschichte abschüttelt und sich als ebenso elektrische wie exzentrische Luxusmarke neu erfinden will. Und dabei ist der so sehr polarisierende Hyper-GT noch gar nicht auf dem Markt.
Doch jetzt zeigen die Briten, dass sie es auch anders können. Denn wenn das gleiche Team nach über vier Jahren Entwicklungszeit zum Jahreswechsel den elektrischen Range Rover an den Start bringt, gibt es keine Experimente und erst recht keine Schockwellen, sondern Tradition und Beharrlichkeit: „Wir wollen zu allererst mal den besten Range Rover aller Zeiten bauen“, sagt Entwicklungschef Thomas Müller, „und erst in zweiter Linie ein Elektroauto.“ Und damit nur ja keiner die immerhin 55 Jahre Offroad-Tradition vergisst, parkt er seine Prototypen bei der Erstbegegnung stolz zwischen Oldtimern der ersten vier Generationen. Also soll auch der Neue das bieten, was einen Range Rover ausmacht – kuscheligen Komfort, egal auf welchem Untergrund.
Luxus-Werte wichtiger als E-Auto-Effizienz
Wichtiger als elektrische Effizienz war den Briten mit Blick auf die Werte, die den Range Rover zum ultimativen Luxusliner für die Landpartie gemacht haben, jene völlig unaufgeregte Mühelosigkeit und jener souveräne Nachdruck, die es sonst allenfalls noch bei Rolls-Royce gibt. Nur, dass dieser Eindruck beim Range Rover auch dort weiter gehen muss, wo die Straße endet.
Denn in einem Range Rover schwebt man nicht nur wolkenweich über die linke Spur, sondern fährt auch mühelos durch Matsch und Modder, ohne dass man dem Auto seine Anstrengungen anmerken würde, fasst Müller das Wesen des Wagens zusammen.







Auf Asphalt schafft er deshalb mit der schieren und spontanen Kraft der E-Motoren gespenstische Spitzengeschwindigkeiten, die weit jenseits von 200 km/h liegen sollten – bestätigt ist das noch nicht. Und weil es – man mag es bei der gewaltigen Statur kaum glauben – dank viel Feinschliff und einem voll verkleideten Unterboden zudem der windschnittigste Range Rover aller Zeiten ist, dringt dabei auch kein noch so feines Rauschen und Pfeifen mehr durch die doppelt verglasten Scheiben.
Im Gelände dagegen rasen vor allem die Rechner und ermitteln in wenigen Millisekunden die richtige Kraftverteilung, regeln das explosive Drehmoment fein herunter und garantien so, dass der Range nie ungeduldig mit den Hufen scharrt oder ins Schlingern kommt, selbst vereiste Steigungen mühelos meistert und sogar im Tiefschnee noch das One-Pedal-Fahren beherrscht, wenn man die Arbeit nicht gleicht dem Gelände-Autopiloten fürs Abenteuer überlässt.
Und natürlich haben sie sich auch mehr Gedanken über das Thermomanagement gemacht als viele andere Hersteller, weil der Range Rover gleichermaßen Dauergast im Winterwunderland ist wie in der Wüste. Deshalb balanciert die Klimazentrale ständig alle Interessen aus und sucht den idealen Kompromiss zwischen Batterie-Konditionierung und Ladeleistung, Innenraum-Komfort und Reichweite und kann dabei schon ab -10 Grad mit der Wärmepumpe Energie zurückgewinnen.
Die Basis dafür liefert eine Elektroarchitektur, die zwar in eine Verbrenner-Plattform gequetscht wurde, bei der die Briten aber trotzdem klotzen statt kleckern: Zwei Motoren mit 404 kW und 850 Nm machen den elektrischen Range diesseits des alten Range Rover SV mit V8-Benziner zum größten Kraftmeier in der Familie. Ein 800 Volt-Akku mit 117 kWh soll „sehr deutlich über 500 Kilometer“ Reichweite ermöglichen, stellt Müller in Aussicht. Und geladen wird mit 22 KW am Wechsel- und bis zu 350 kW am Gleichstrom, wobei sie genau wie Porsche das Bank-Laden am geteilten Akku praktizieren und deshalb schneller sein wollen als die Konkurrenz.
In erster Linie ein Range Rover und erst in zweiter ein Elektroauto – das hat allerdings auch seine Nachteile. Denn die Architektur für alle Antriebe vom Diesel über den Benziner und den PHEV bis zum BEV erfordert selbst auf diesem Niveau ein paar Kompromisse. Das bei der Generation E so beliebte One-Pedal-Fahren machen sie zwar auf Knopfdruck möglich. Aber für einen Frunk fehlt ihnen unter der Haube der Platz. Und der riesige Kofferraum ist da nur ein schlechter Trost. Denn erstens muss man aus einem großem Raum halt im Zweifelsfall auch viele Koffer wuchten, wenn man ans Ladekabel im Souterrain will. Und zweitens will gerade in so einem noblen Auto doch niemand ein schmuddeliges Kabel zwischen maßgeschneidertes Ledergepäck und tiefe Teppiche stopfen.
60.000 Interessenten – aber noch unverbindlich
Ach ja – und so richtig Eindruck schinden kann man mit dem elektrischen Range Rover auch nicht. Denn viel mehr als der Verzicht auf die Endrohre, die Typen-Schilder und natürlich das E-Kennzeichen sind es nicht, was den Unterschied zu Benzinern und Diesel macht. Aber anderseits: Wie viel mehr Eindruck als mit der automobilen Entsprechung zum Buckingham Palace will man schon schinden?
Und an der nötigen Neugier mangelt es offenbar nicht. Denn immerhin haben die Briten offenbar schon über 60.000 Interessenten registriert. Allerdings nur unverbindlich und ohne Anzahlung. Schließlich gibt es für den elektrischen Range Rover ein Dreivierteljahr vor der Markteinführung noch keinen Preis. Doch so viel dürfte schon jetzt feststehen: Billig wird das Vergnügen sicher nicht. Wenn schon der Plug-in-Hybrid mit knapp 150.000 Euro in der Liste steht, darf man für das EV gut und gerne mit 170.000 Euro rechnen. Macht aber nichts. Denn die Kunden lassen sich vom hohen Preisen offenbar nicht schrecken. Im Gegenteil: Im Durchschnitt zahlen sie über 150.000 Euro pro Auto, und das immerhin 70.000 Mal im Jahr, freuen sich die Briten. Kein anderes Modell in dieser Preisregion komme auf solche Stückzahlen – egal ob elektrisch angetrieben oder konventionell.
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