Fernlenken von autonomen Fahrzeugen bald in Deutschland erlaubt
Bislang ist es in Deutschland allenfalls technisch möglich, Autos aus der Ferne zu lenken – doch erlaubt ist es das bei Fahrten auf öffentlichen Strecken nicht. Startups und Automobilunternehmen, die an einer solchen Technologie arbeiten, müssen für Tests daher bislang auf Privatgelände oder ins Ausland ausweichen. Dabei könnte die Fernlenkung ein wichtiges Problem des autonomen Fahrens lösen: Kann das KI-System eines Fahrzeugs eine Situation nicht lösen, so könnte aus der Ferne ein sogenannter Teleoperator einspringen. Das ergibt ab dem sogenannten Level 4 des automatisierten Fahrens Sinn, bei dem anders als bei den niedrigeren Leveln 2 und 3 kein Fahrer mehr in Bereitschaft für bestimmte Situationen hinter dem Lenkrad sitzen muss.
Teleoperatoren sind zum Beispiel beim bekannten Robotaxi-Service Waymo in den USA gängige Praxis, wobei die Teleoperatoren von Waymo nicht direkt die Lenkung übernehmen, sondern die Robotaxis vor allem bei der Navigation (etwa bei gesperrten Spuren) unterstützen. Auch Tesla verwendet bei seinem Robotaxi-Testlauf in Austin, Texas, eine Remote-Unterstützung. Grundsätzlich macht eine solche Fernlenk-Unterstützung vor allem für Flotten Sinn, die viele Fahrzeuge einsetzen – etwa Robotaxi-Projekte. In ferner Zukunft wäre es aber auch denkbar, dass Level-4-Fahrzeuge ohne Lenkrad auch für Privatpersonen angeboten werden und zum Beispiel die Autohersteller die Nutzung von Teleoperatoren als Service anbieten könnten.
Fünfjährige Erprobungsphase ab Dezember
Die nun vom Ministerium verkündete Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung (StVFernLV) schafft erstmals auch in Deutschland einen Rechtsrahmen zum Betrieb von ferngelenkten Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen. Sie tritt zum 1. Dezember 2025 in Kraft. „In einer fünfjährigen Erprobungsphase ermöglichen wir Innovation, ohne Sicherheit und Verantwortung aus dem Blick zu verlieren. Die Verordnung ermöglicht neue Mobilitätskonzepte und legt den Grundstein für eine dauerhafte gesetzliche Regelung“, sagt Christian Hirte, Parlamentarischer Staatsekretär beim Bundesminister für Verkehr.
Ein Blick in die Verordnung zeigt, dass eine wichtige Sicherheitsebene eingebaut ist: Eine ausschließliche Fernlenkung von Fahrzeugen ist nicht vorgesehen, vielmehr handelt es sich um eine Ergänzung für autonome Fahrzeuge, um diese noch sicherer zu machen. Und dabei gibt es auch eine Rückfallebene: Erkennt das ferngelenkte Kraftfahrzeug bestimmte Ereignisse wie den Abbruch der Verbindung zum Teleoperator, so muss es in der Lage sein, selbstständig und ohne andere Verkehrsteilnehmende zu gefährden, einen „risikominimalen Zustand“ zu erreichen. Gemeint damit ist „ein Zustand im Stillstand, in den sich das ferngelenkte Kraftfahrzeug unter angemessener Beachtung der Verkehrssituation und der größtmöglichen Sicherheit für die Fahrzeuginsassen, andere Verkehrsteilnehmende und Dritte an einer möglichst sicheren Stelle versetzt und die Warnblinkanlage aktiviert.“
Regelung für Robotaxis, Carsharing und Logistik
Das Bundesverkehrsministerium nennt verschiedene Anwendungsbeispiele, für die das Fernlenken eine Rolle spielen könnte. Carsharing-Anbieter könnten ihre Fahrzeuge ferngesteuert zur nächsten Kundin oder zum nächsten Kunden fahren. Taxis könnten flexibel und bedarfsgerecht unterwegs sein – ganz ohne Fahrpersonal an Bord, wie es Waymo in den USA bereits macht. Aber auch im Bereich der Logistik und des Gütertransports könnten sich durch den Einsatz ferngelenkter Fahrzeuge Effizienzgewinne erzielen lassen, so wie bereits das Projekt ATLAS-L4 für autonome Lkw gezeigt hat. Teil des Projekts war es, ein Kontrollzentrum zu konzipieren, von dem aus autonome Lkw in besonderen Situationen auch ferngelenkt werden können.
Deutschland versucht bereits seit längerem, eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung des autonomen Fahrens einzunehmen. Basis dafür ist das 2021 in Deutschland verabschiedete Gesetz, das autonomes Fahren auf fest definierten Strecken unter einer technischen Aufsicht grundsätzlich ermöglicht. Die nun beschlossene Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung stellt dazu eine wichtige Ergänzung dar.
bmv.de, recht.bund.de (gesamte Verordnung)
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