
Alpine A290 GTS im Fahrbericht: Ist die Sportversion des R5 den saftigen Aufpreis wert?
Nicht nur das Design der elektrischen Renault-5-Familie ist vom Retro-Charme geprägt. Auch bei der Modellpolitik und der Nomenklatur der verschiedenen Versionen haben sich die Franzosen in ihrer Konzerngeschichte Inspiration geholt. Dass die Sportversion des Kleinwagens nun das gepfeilte A auf dem Lenkrad trägt, statt des gewohnten Renault-Rhombus, mag zunächst überraschen.
Doch schon die zweitsportlichste Variante der ersten R5-Generation wurde zwischen 1976 und 1983 als R5 Alpine angeboten. Da sich Alpine inzwischen von einer reinen Sportwagenschmiede zur Premium-Marke des Konzerns entwickelt hat, ist es nur folgerichtig, die leistungsstärkere Hot-Hatch-Version wieder unter diesem Namen zu vermarkten.
Auch dass die kompromisslose Speerspitze der Baureihe, der R5 Turbo 3E mit 400 kW Leistung, als Renault auftritt, ist aus historischer Sicht stimmig. Schließlich gilt er als geistiger Nachfolger des legendären und von 1980 bis 1985 gebauten Renault 5 Turbo, der kurz nach seinem Debüt mit Mittelmotor und Heckantrieb auf den verschneiten Berg-Etappen der Rallye Monte Carlo 1981 zum Sieg driftete.
Doch nicht nur der breitbackige Turbo war damals ein beliebtes Rallye-Tool. Renault selbst und einige Privatteams gingen mit speziell präparierten R5 Turbo in den verschiedensten Meisterschaften an den Start. Auch hier wiederholt sich die Geschichte: Mit der Alpine A290 Rallye bietet Renaults Tochter Alpine erstmals einen vollelektrischen Kundensport-Rennwagen ab Werk an.
Der A290 ist noch ein seltener Anblick
Die Designer haben beim A290 beim Spielen mit dem Rallye-Thema sichtlich Spaß gehabt. Die quadratischen Extra-Lampen mit der X-förmigen Leuchtgrafik sollen beispielsweise an die Zusatzscheinwerfer historischer Monte Carlo-Boliden erinnern. Dazu kommen dezente Kotflügelverbreiterungen, sowie markante Front- und Heckschürzen mit Diffusor-Einsätzen. Weiter ausgestellte Schweller und auffällige Sicken in den Seiten runden die Individualisierung des zugrunde liegenden R5-Designs ab.
Das Endergebnis hat im Rahmen meiner Testfahrt so einige Blicke auf sich gezogen und im Bekanntenkreis ordentlich Sympathiepunkte gesammelt. Im ersten Moment ruft der Kleinwagen bei den Passanten aber auch Verwunderung hervor – die Leute erkennen zwar die Grundform des R5, sie scheinen aber aufgrund des Body Kits, der Zusatzscheinwerfer und des fehlenden Renault-Logos erstmal irritiert zu sein.







Die sechs Zentimeter mehr Spurbreite sind spürbar
Es ist kaum verwunderlich, dass es auch fahrerisch viele Gemeinsamkeiten mit dem R5 E-Tech Electric gibt: Schon der Bruder mit dem Renault-Logo fährt sich für einen Kleinwagen sehr erwachsen. Hier macht sich die Mehrlenker-Achse positiv bemerkbar, die im B-Segment alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
Dank seiner fetten Michelin-Pneus (225/40/19 Zoll) und 60 Millimeter mehr Spurbreite liegt der nur 3,99 Meter lange A290 auch bei hohen Geschwindigkeiten wie ein Brett auf der Straße. Mit 1,82 Meter ist Alpines Einstiegsmodell für einen Kleinwagen aber auch ungewöhnlich breit.
Fahrwerkstechnisch ließen sich die Ingenieure aus Dieppe nicht lumpen. Sie haben es nicht nur bei Feinjustierungen belassen, sondern die Hardware deutlich verstärkt und an gewissen Stellen auch Leichtbau-Komponenten verwendet. Der A290 verfügt beispielsweise über Alu-Achsschenkel und einen Motorrahmen, der ebenfalls aus dem Leichtmetall gefertigt ist. Wie bei der Sportwagen-Ikone A110 sollen Stoßdämpfer mit hydraulischen Anschlägen trotz der dynamischen Grundabstimmung einen ordentlichen Fahrkomfort gewährleisten. Selbst mit ungleichmäßigem Kopfsteinpflaster kommt Alpines Einstiegsmodell gut zurecht.
Ein Hardcore-Sportler sieht anders aus
Die Liebe zum Detail bei der Chassis-Entwicklung ist definitiv spürbar. Für einen Elektro-Kleinwagen fühlt sich der A290 erfreulich agil an. Auch die Lenkung ist für E-Auto-Verhältnisse mitteilungsfreudig, gleichzeitig aber auch leichtgängig genug für den Alltag. Bei einem früheren Test konnte ich Alpines Einstiegsmodell bereits auf einer mallorquinischen Rennstrecke ausfahren – das Auto lenkt tatsächlich willig ein und bietet jede Menge Fahrspaß.
Wer ein waschechtes Sportgerät erwartet, dürfte trotzdem ein Stück weit enttäuscht sein. Der A290 lässt die Kompromisslosigkeit vermissen, die die Hot Hatches aus unserem westlichen Nachbarland in der Vergangenheit ausgezeichnet hat.
Renaults Premium-Tochter ist sich offenbar bewusst, dass die anvisierte Zielgruppe eher einen spaßigen, stylischen und üppig ausgestatteten Alltagsbegleiter als ein Rallyeauto für die Straße sucht. Auf dem Weg zur Arbeit oder dem Bio-Markt lässt sich der A290 ohnehin nicht so weit an seine Grenzen bringen, dass man seine kleineren dynamischen Defizite überhaupt spüren würde. Selbst auf kurvigen Bergsträßchen lässt es die StVO nicht zu.
| Alpine A290 GTS | Alpine A290 GT | |
|---|---|---|
| Antrieb | FWD | FWD |
| Leistung | 160 kW | 130 kW |
| Drehmoment | 300 Nm | 285 Nm |
| Beschleunigung | 6,4 s | 7,4 s |
| Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h | 160 km/h |
| WLTP–Reichweite | 362 km | 379 km |
| Batteriekapazität | 52 kWh | 52 kWh |
| Ladeleistung DC | 100 kW | 100 kW |
| Ladezeit DC 10-80% | 30 min | 30 min |
| Preis | 45.000 Euro | 39.000 Euro |
Vor allem im mittleren Bereich zieht er gut durch
Die etwas übergriffige Traktionskontrolle schmälert den Fahrspaß da schon eher. Bei einem 160 kW und 300 Newtonmeter starken Kleinwagen mit Frontantrieb ist es wenig verwunderlich, dass die Vorderräder gewisse Schwierigkeiten damit haben, die Kraft ohne größere Verluste auf die Straße zu bringen – durchdrehende Räder sind also eigentlich programmiert. Doch die Antischlupfregelung möchte das mit aller Kraft verhindern. Das sorgt dafür, dass sich der A290 selbst im Sportmodus beim Anfahren schwächer anfühlt, als er eigentlich ist.
Erst oberhalb von etwa 20 km/h zieht er kräftig durch, wie man es von einem sportlichen E-Auto gewohnt ist. Auf dem Datenblatt der von uns getesteten Topversion GTS steht, dass der knapp 1,5 Tonnen schwere R5 in Laufbekleidung bei Bedarf in 6,4 Sekunden von Null auf Hundert beschleunigen kann. Angesichts des guten Punches im mittleren Geschwindigkeitsbereich ist das auch durchaus glaubwürdig.
Bei höherem Tempo, etwa ab 120 km/h, geht ihm allerdings etwas die Puste aus – die Raumschiff-ähnlichen Soundeffekte im Sportmodus wirken daher übertrieben. Einen ähnlichen Eindruck hinterlassen die an Teslas Plaid-Animationen erinnernden visuellen Effekte auf dem Fahrerdisplay.
Die für ein Hot Hatch nicht gerade beeindruckende Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h ist nur im Normal- und Sportmodus erreichbar, im „Save“ genannten Eco-Modus wird dem Vortrieb des A290 GTS dagegen schon bei 130 km/h Einhalt geboten. Dass der Westentaschen-Sportler nicht schneller rennen darf, ist angesichts der guten Straßenlage wohl eher der Effizienz als der Fahrsicherheit geschuldet.
Der Autobahn-Verbrauch ist keine Glanzleistung
Zum bekömmlichen Federungskomfort kommen eine sehr gute Geräuschdämmung und bequeme Sitze, in denen man sich dank der hohen Seitenwangen gut eingepackt fühlt. Die Assistenzsysteme funktionieren zuverlässig und geschmeidig. Das gilt vor allem für den adaptiven Abstandstempomaten, der spielend leicht bedienbar ist und mit seinen sanften Brems- und Beschleunigungsvorgängen gefällt. Für einen Kleinwagen ist das wirklich beachtlich.
Und trotzdem ist die Autobahn nicht das Revier des A290, was vor allem an seinem deftigen Verbrauch bei dreistelligen Geschwindigkeiten liegt. Auf der Strecke von Berlin nach Hamburg genehmigte er sich im Schnitt über 20 kWh/100km und das obwohl ich eine ganze Weile mit Tempo 110 im Windschatten eines Lieferwagens vor mich hin geschlichen bin. So bleiben von den 364 WLTP-Kilometern auf der Langstrecke eher knapp über 200 übrig.
Grund für den hohen Verbrauch oberhalb des Landstraßen-Tempos dürfte der für Elektroauto-Verhältnisse vergleichsweise schlechte cW-Wert sein. Alpine macht beim A290 zwar keine offizielle Angabe, der Luftwiderstandsbeiwert dürfte aber ungefähr auf dem Niveau des Renault 5 E-Tech Electric liegen. Bei dem Retro-Knirps liegt der Wert um die 0,30. So manches ausgewachsene Elektro-SUV ist aerodynamisch deutlich effizienter. Es hat eben auch seine Schattenseiten, wenn man ein in seiner Grundform aus den frühen Siebzigerjahren stammendes Design mit ähnlichen Proportionen und einer großen Stirnfläche in die Neuzeit übersetzt. Aufgrund ihrer Kürze sind Kleinwagen ohnehin anfällig für Verwirbelungen am Heck, was bei der Fahrzeuggattung aerodynamisch ein grundlegendes Handicap darstellt.
Im Stadtverkehr fühlt sich der wuselige Knirps deutlich wohler – dank der starken Rekuperation lässt sich hier auch der WLTP-Verbrauch von 16,5 kWh/100km unterbieten. Seit einem kleinen Update Mitte Oktober beherrschen übrigens alle A290 das One-Pedal-Driving.
Die Reichweitenanzeige, in der der Radius mit dem aktuellen Akkustand unter verschiedenen Fahrbedingungen prognostiziert wird, ist wirklich hilfreich. Trotzdem hätten sowohl der R5 als auch der A290 mehr Menüpunkte gebrauchen können, die über den Verbrauch und die Effizienz informieren.
Der A290 übertrifft die Peak-Ladeleistung leicht
Die von Renault angegebene Peak-Ladeleistung von 100 kW ist mehr als realistisch. Kurz nach dem Start des Ladevorgangs übertrifft er sie bei einem Akkustand von 15 Prozent sogar minimal. Die Ladekurve bleibt lange auf einem hohen Niveau. Selbst bei einem Akkustand von 75 Prozent lagen noch 56 kW an. Dank einer vorkonditionierten Batterie nahm der Ladehub von 10 auf 80 Prozent 29 Minuten in Anspruch. Die Werksangabe von einer halben Stunde wurde also sogar dezent unterboten. Ebenfalls vorbildlich: Der A290 lädt an AC-Säulen serienmäßig mit 22 kW.
Die Laderoutenplanung des Android-basierten Navis funktioniert bestens und gefällt mit ihrer schnellen Reaktionszeit. Allerdings ist sie etwas arg vorsichtig. Ich bin in Berlin mit einem Akkustand von 90 Prozent gestartet, mir hat das System auf der rund 290 Kilometer langen Route nach Hamburg aber gleich zwei Ladestopps à la 15 Minuten vorgeschlagen. Ein etwas längerer Stopp war bei der Fahrt aber völlig ausreichend.
An den richtigen Stellen individualisiertes R5-Cockpit
Während des Ladevorgangs hat der Fahrer genug Zeit, das gegenüber dem R5-Cockpit liebevoll aufgewertete Interieur in Augenschein zu nehmen. Im B-Segment gibt es wohl kaum ein anderes Auto, das einen so hochwertigen Innenraum bietet. Hier und da finden sich zwar auch einige Elemente aus Hartplastik, der Materialmix kann sich im Großen und Ganzen sehen lassen.
Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem Renault 5 sind das sportliche Alpine-Lenkrad mit einem dickeren Kranz und die drei auf der Mittelkonsole platzierten Wähltasten für die Fahrstufe – ein Detail, das die Designer vom A110 übernommen haben.
Ein echtes Highlight sind die zweifarbigen mit eingenähter Tricolore auf der Rückenlehne. Es sind Details dieser Art, die den kleinen Franzosen aus der Masse herausstechen lassen. Leider fällt die Sitzposition für ein Hot Hatch etwas zu hoch aus – im A290 kommt fast schon Crossover-Feeling auf.
In Sachen Platzangebot ist er eher Alltagsauto als Sportwagen. 326 Liter sind in dem Segment eine echte Ansage. Wenn die Rückbank flach liegt, erweitert sich der Stauraum sogar auf 1.106 Liter. Zum Vergleich: Das Gepäckabteil des Opel Corsa Electric fasst 267 Liter. Dafür wird der große Kofferraum bei den beiden Elektro-Kleinwagen aus dem Hause Renault mit wenig Beinfreiheit im Fond erkauft.
Fazit
Der A290 ist wohl der coolste E-Kleinwagen auf dem Markt – das ist aber eben kein Parameter, der in einen objektiven Test einfließen sollte. Und der erste vollelektrische Alpine ist eben auch eines der teuersten Modelle im B-Segment. Schon die 130 kW starke Basisversion GT schlägt mit 39.000 Euro zu Buche, die von uns getestete Topversion A290 GTS ist nochmals 6.000 Euro teurer.
Für lediglich 3.000 Euro mehr bekommt man bei Renault das geräumige Familien-SUV Scénic E-Tech Electric mit der großen 87-kWh-Batterie. Dieser ist mit 614 Kilometern WLTP-Reichweite uneingeschränkt langstreckentauglich und ein guter Allrounder. Interessanterweise teilen sich Alpines Hot Hatch und der elektrische Scénic den Motor.
Natürlich sprechen die beiden Franzosen komplett andere Zielgruppen an. Für kaum einen Alpine-Interessenten dürfte der Scénic eine Alternative sein. Der Vergleich zeigt aber deutlich auf, dass es in dieser Preisklasse Modelle gibt, die eben viel mehr Auto fürs Geld bieten – und dass der sportliche Bruder des R5 seinen Käufern eine gewisse Kompromissbereitschaft abverlangt. Neben dem happigen Preis spricht vor allem sein hoher Autobahnverbrauch gegen ihn.
Ein Großteil der Kundschaft dürfte sich daran aber kaum stören, da sie für die Langstrecke vermutlich ein weiteres Auto in der Garage stehen haben. Und als spaßiger und stylisher Zweitwagen macht der A290 eben eine super Figur.
Ob einem die Exklusivität und der sportliche Look den üppigen Aufpreis gegenüber dem normalen Renault 5 den Aufpreis wert sind, bleibt am Ende eine Frage des Geschmacks und des Geldbeutels. Sein in einer vergleichbaren Ausstattung fast 10.000 Euro günstigerer Bruder macht optisch nämlich auch schon einiges her und bietet ebenfalls eine ordentliche Portion Fahrspaß. Der „Haben Wollen“-Effekt ist beim ersten Elektro-Alpine aber definitiv noch höher.




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