„Umstellung eines ambulanten Pflegedienstes auf E-Autos“ – Benedict Pretnar, Caritas
Pretnar verantwortet beim Caritasverband Taunus nicht nur die Alten- und Gesundheitshilfe, sondern auch den Fuhrpark. Über 50 Fahrzeuge sind im Einsatz und die sind „zu einem guten Drittel elektrifiziert“, wie Pretnar berichtet. Die Motivation ist vielschichtig: Nachhaltigkeit im Sinne der „Bewahrung der Schöpfung“ (immerhin ist die Caritas der Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirche), hohe jährliche Fahrleistungen – und ganz pragmatisch der schrumpfende Markt für kleine Verbrenner. „Im Bereich der Kleinstwagen geht die Produktion der Verbrenner über alle Hersteller immer mehr zurück“, erklärt Pretnar. Für ambulante Pflege, die enge Parklücken nutzen können muss und kurze Wege braucht, ist das ein zentraler Treiber.
Zwischen Alltag und Antrieb
Die Umstellung begann vor rund drei Jahren mit dem ersten größeren Flottenwechsel. Die Anforderungen sind dabei klar definiert: Pro Tour fallen etwa 50 bis 60 Kilometer an, insgesamt fahren die Pflegedienste täglich 25 bis 26 Touren. Entscheidend ist also nicht die Maximalreichweite, sondern der Rhythmus. Zwischen Früh- und Spätdienst liegt eine mehrstündige Pause – ideal zum Laden. „Da können wir auch ein E-Auto mit einer nominal geringeren Reichweite gut nutzen“, berichtet Pretnar aus der Praxis. Die anfängliche Wahl fiel auf den Renault Zoe, später folgten Dacia Spring und Citroën ë-C3.
Die Erfahrungen im Betrieb sind eindeutig positiv. Weder Winter noch Sommer stellten ein Problem dar. „Da gab es überhaupt keine Schwierigkeiten, auch im Winter mit Sitzheizung oder im Sommer mit Klimaanlage.“ Reichweitenangst, oft ein zentrales Gegenargument, habe sich schnell erledigt – auch, weil die Einsatzprofile klar planbar sind. Für Pretnar ist Elektromobilität im Pflegekontext weniger ein Technikthema als eine Frage realistischer Einsatzszenarien.
Laden bleibt die größte Baustelle
Komplexer ist das Thema Ladeinfrastruktur. An einer vollständig elektrifizierten Sozialstation stehen zehn Ladepunkte zur Verfügung, die in den Ladefenstern zwischen Früh- und Spätdienst vollständig ausgelastet sind. Bei den zwei anderen Sozialstationen in innerstädtischen Lagen dagegen stößt der Pflegedienst an Grenzen. „Da sind wir im Augenblick noch auf Verbrenner angewiesen“, sagt Pretnar offen. Eigene Ladepunkte lassen sich nicht realisieren: „Dort können wir leider keine zehn Wallboxen ans Haus hängen, die wir bräuchten, auch weil wir gar nicht die Stellplätze direkt am Haus haben.“ Öffentliche Ladeangebote passen zeitlich oder räumlich nicht zum Bedarf. Doch die Caritas ist mit den Kommunen bereits im Austausch, die Lage zu verbessern. Dafür nehmen umgekehrt auch einige Kollegen die E-Autos mit nach Hause, um dort an einer heimischen Wallbox zu laden – das schafft zumindest etwas Abhilfe.
Die Nutzung öffentlicher Schnelllader als Alternative ist für den Pflegedienst aber unpraktikabel – denn im „Speckgürtel von Frankfurt“, in dem der Caritasverband Taunus aktiv ist, sind diese noch nicht ausreichend vorhanden oder zu weit weg. Anfangs gab es in der Belegschaft generell große Skepsis gegenüber E-Autos, bis hin zu der Sorge, „mitten im Taunus bergauf im Winter bei Eis und Schnee stecken zu bleiben“. Pretnars Reaktion darauf ist pragmatisch und gelassen: „Ist nie passiert. Wird auch nicht passieren.“ Heute ist die Akzeptanz bei den Pflegekräften so hoch, dass beim nächsten Leasingzyklus nicht mehr über den Antrieb diskutiert wird, sondern nur noch über das konkrete E-Modell.
Zwischen Politik, Markt und Praxis
Geleast wird grundsätzlich für drei Jahre – unabhängig vom Antrieb. Förderungen, Steuervergünstigungen oder THG-Quoten werden mitgenommen, sind aber nicht ausschlaggebend. „Einen Anreiz würde es uns nicht geben“, sagt Pretnar. Der Antrieb komme aus der eigenen Selbstverpflichtung und aus Marktzwängen: Hersteller bieten kaum noch passende Verbrenner an. Größere Fahrzeuge nur wegen fehlender Ladeinfrastruktur lehnt der Experte aber ab.
Seine Forderungen richten sich daher vor allem an Kommunen: mehr öffentliche Ladepunkte, Kurzzeitparken mit Ladeoptionen, ausgewiesene Stellplätze. Für andere Pflegedienste hat er einen klaren Rat: Erst die Ladeinfrastruktur klären, dann Fahrzeuge auswählen – und Dinge ausprobieren, statt sie „von Anfang an kleinzudiskutieren“.
Am Ende formuliert Pretnar eine Vision, die bewusst unspektakulär klingt: „Dass wir 2030 nicht mehr darüber reden, welcher Antrieb für das Auto genutzt wird.“ Vielleicht ist genau das die größte Pointe dieses Vortrags: Elektromobilität im Pflegedienst funktioniert dann am besten, wenn sie kein Thema mehr ist.
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