Opel grandland electric fahrbericht robin engelhardt
Bild: Maximilian Krauß
FahrberichtAutomobil

Grandland Electric im Langstreckentest: Unterwegs im Nobel-Opel

Mit dem Flaggschiff-SUV runden die Rüsselsheimer ihre Modellpalette ab und spendieren ihm deshalb viele Oberklasse-Features. Wir haben den vielversprechenden Nobel-Opel zwei Wochen lang getestet. In vielen Punkten kann der Grandland überzeugen, lässt aber gerade bei den eMobility-Themen Federn. Was überwiegt im Gesamt-Eindruck?

Nicht ohne Stolz hat Opel bei der Markteinführung des Grandland betont, dass nun das gesamte Portfolio der Marke auch elektrisch verfügbar sei. Wobei das „auch“ schon zeigt: Keines dieser Fahrzeuge wurde von Grund auf als reines Elektroauto konzipiert, denn alle gibt es eben auch als Verbrenner (wir kommen später nochmal auf die damit verbundenen Nachteile zurück).

Ein zeitgenössisches SUV

Das Außendesign erregt wenig Aufmerksamkeit, dafür eckt der Grandland aber auch nirgends an, er fügt sich geschmeidig in die Masse der anderen SUVs ein. Die Basis-Lackierung „Impakt Kupfer“ tut ihm gut, denn so fällt er dann doch ein bisschen auf. Ganz der Mode folgen auch die Leuchtmittel, vorne und hinten gibt es durchgezogene Lichtbänder, die Front ziert ein illuminiertes Markenlogo.

Am Heckdeckel setzt man dagegen ausschließlich auf Buchstaben und schreibt „OPEL“ in das Leuchtband, die Modellbezeichnung ist großflächig ins Blech gestanzt. Den Antrieb verrät nur noch das E-Kennzeichen, das kleine runde „e“, das bei älteren Opel BEVs noch einen Hinweis gab, trägt der Grandland nicht mehr.

Premiumambiente mit „Oberklasse-Dreifaltigkeit“

Beim Cockpit hat Opel im Vergleich zu früheren Modellen, vor allem aber im Vergleich zu den eigenen Modellen aus niedrigeren Segmenten, eine ordentliche Schippe draufgelegt. Ein hübsches Head-up-Display, solide Verarbeitung und gute Sitze mit Oberklasse-Dreifaltigkeit aus Sitzheizung, Sitzlüftung und Massagefunktion laden die Passagiere herzlich ein. Die Sitzheizung gibt es auch für die beiden hinteren äußeren Sitzplätze, Lüftung und Massage nur vorne. Hier hat Opel ein Stück Luxus verbaut, in dieser Preisklasse hat sonst kaum ein Hersteller auch nur die Option auf Massagesitze. Dass man im Sichtfeld viel Kunstleder und Stoffbezüge verwendet hat, unterstreicht das Premiumfeeling.

Das Zentraldisplay widersetzt sich dem Trend zu immer größeren, lieblos in die Mittelkonsole gedübelten Tablets, stattdessen duckt sich ein schmaler, langgezogener Bildschirm elegant unter der Fahrerblicklinie hindurch. Ergänzt wird das Bedienkonzept mit haptischen Tasten für Klimaanlage und Lautstärkeregelung sowie einer soliden Lenkradbedienung. Über das Lenkraddesign könnte man trefflich streiten, insbesondere das flache Logo ist leider ein Branchentrend geworden, der wahrscheinlich nur im Controlling Begeisterung auslöst.

Eine hübsche Lösung ist der Milchglaskasten in der Mittelkonsole für die induktive Smartphone-Ladeschale. Wie in einem Schneewitchensarg kann man sein Endgerät dort verstauen, die blickdichte Scheibe verhindert Ablenkung und gleichzeitig hat man dank grüner LED immer im Blick, ob es auch wirklich lädt.

Kompromissmobil bei Hard- und Software

Leider merkt man im Innenraum auch eines: Der Wagen ist eben doch ein umgebauter Verbrenner, ein Kompromissmobil – nicht von Grund auf als Elektroauto entwickelt. Trotz ordentlicher Fahrzeughöhe ist es Opel nicht gelungen, auf den hinteren Sitzen eine bequeme Oberschenkelauflage zu erreichen, die Beine hängen zu weit oben. Das geht, gerade in einem 1,66 Meter hohen SUV, besser.

Bei 1,80 Meter Körpergröße drückt die (im Foto voll ausgefahrene) Nackenstütze auf einer Höhe im Genick, die im Alltag unbequem und beim Crash gefährlich ist.
Auch der fehlende Frunk oder diverse Software-Details erinnern ständig daran, dass der Grandland im Herzen kein Elektroauto sein will.

Die Ladeklappe lässt sich nur öffnen, wenn man die „Zündung“ ausschaltet –und damit alle Funktionen im Innenraum. Dann kann man die viel zu große Abdeckung öffnen und das Laden starten, um zurück im Auto zu merken: Es ist kalt, denn die Heizung ist aus – klar, „Zündung“ fehlt. Also wieder den Start-Stopp-Knopf gedrückt, es kommt wieder warm – dafür sehen wir bei eingeschalteter Zündung aber nicht mehr, ob der Wagen noch lädt – geschweige denn, wie schnell. Wobei man die Laderate sowieso nie in Kilowatt, sondern immer nur in km/h sieht. Und das sind nicht mal die einzigen Ladeprobleme – mehr dazu später.

Lobend erwähnt werden muss noch der stattliche 550 bis 1645 Liter fassende Kofferraum, der zwei clevere Zusatz-Features hat. Die Rückbank ist nicht nur links und rechts getrennt umklappbar, sondern dreigeteilt, also jeder Sitzplatz einzeln. Statt einer Mini-Durchreiche für sehr dünne Skier gibt es so eine riesige Öffnung, für die auch Snowboards kein Problem sind. Der doppelte Ladeboden hakt beim Aufklappen ein, sodass man das Ladekabel bequem mit beiden Händen aus dem Unterboden herausheben kann.

Gute Benutzeroberfläche, mittelmäßiges Navi

Beim Infotainment hat Opel eine fast perfekte Leistung abgeliefert. Das Head-up-Display macht Freude, denn es zeigt eine schöne große Navikarte an, außerdem kann man direkt vom Lenkrad aus im Head-up-Display durch die aktuelle Musik-Playlist und den Anrufverlauf scrollen. Was genau Head-up- und Tachodisplay anzeigen, kann man nach Herzenslust frei konfigurieren. Die Menüführung ist logisch strukturiert und ruckelfrei. Das Navi hat einen brauchbaren Routenplaner, der gute Lade-Vorschläge liefert und den Ankunftsladestand präzise vorhersagt, löblich! Das gab es bei Stellantis so nicht immer.

Perfekt ist das Navi aber nicht: Leider hat es einen Hang zu Umwegen und möchte mit stoischer Hartnäckigkeit immer mal wieder einen Ausflug auf die Landstraße machen, wenn auf der Autobahn mehr als zehn Sekunden Verzögerung drohen. Auch abseits der Autobahn ist das System mehr Touristenführer als zielstrebiger Navigator, denn auf uns bisher unbekannten Routen haben wir München und Umland völlig neu kennengelernt.
Was freilich kein KO-Kriterium sein muss, nutzen doch ohnehin immer mehr Fahrer Apple Car Play oder Android Auto. Das läuft kabellos, passt aber leider nicht ganz sauber in das Format des sehr breiten aber niedrigen Zentraldisplays.

Verbrauch top, Laden flopp

Für seine Abmessungen positiv überraschend ist der Verbrauch. Unser Gesamtschnitt lag bei 20,5 kWh/ 100 km – bei damals noch herbstlich frischen Temperaturen und oft sportlicher Fahrweise – völlig in Ordnung. Im zähen Verkehr (Höchstgeschwindigkeit 120 km/h mit einem Durchschnitt von 100 km/h) lässt er sich mit sparsamen 17,8 kWh/ 100 km bewegen und in der Stadt stehen schlanke 14 kWh/ 100 km im Zähler. Nutzt man die maximal möglichen 170 km/h voll aus, klettert der Verbrauch auf 35,1 kWh/ 100 km – spätestens dann wünscht man sich die große Batterie. Der Testwagen hatte „nur“ die 73-kWh-Batterie an Bord. Die reicht in der Stadt, über Land und beim normalen Mitschwimmen auf der Autobahn gut aus, wer aber zügiger fahren will, fährt mit der 97-kWh-Variante besser.

Mit dem „kleinen“ Akku und unseren Verbrauchswerten ergibt sich eine Minimalreichweite von 200 Kilometern, das Ende der Fahnenstange liegt bei 520 Kilometern und im Alltag sind realistische 400 Kilometer drin. Mit diesem Verbrauch muss der Grandland sich nicht verstecken, vor allem, weil im Sommer wahrscheinlich noch eine gute Ecke mehr drin ist und weil für echte Kilometerfresser schon der Riesenakku nachgereicht wurde.

Beim Thema Laden hingegen kann man leider wirklich nichts schönreden, es wird der Preisklasse des Fahrzeugs schlicht nicht gerecht. Dass für den Standard-Ladehub von zehn auf 80 Prozent bummelige 35 bis 40 Minuten vergehen, ist im Jahr 2025 zu wenig. Optimal vorzuheizen scheint er auch nicht – bei niedrigeren Außentemperaturen fällt die Ladeleistung deutlich früher ab. Bei guter Witterung hält er die 160 kW Spitzenleistung bis etwas über die Hälfte, bei niedrigeren Temperaturen wird schon ab 30 Prozent runtergeregelt.

Für den Extra-Kick am Schnelllader sorgen regelmäßig auftretende Ladeabbrüche, in einer Häufigkeit, die uns bisher bei keinem anderen aktuellen Elektroauto aufgefallen ist. Perfektioniert wird dieser Umstand noch dadurch, dass der Wagen keinen Mucks macht, wenn der Ladevorgang abbricht. Zur Erinnerung: Um es am Schnelllader warm zu haben, lassen wir die „Zündung“ an. Einen Ladebildschirm mit Infos gibt es aber nur bei ausgeschalteter „Zündung“. Bei eingeschalteter „Zündung“ verweigert der Wagen beharrlich jede Auskunft, ob er noch lädt, nur am Hochzählen des Ladestands kann man es vage erkennen.

Komfort aus der Oberklasse

Eine Sportskanone ist zumindest der von uns getestete Fronttriebler nicht, aber das muss eine Familienkutsche ja auch nicht sein. Was wirklich zählt, macht er wunderbar: Kurvenlage, Geräuschkulisse und Autobahn fahren – da gibt es nichts zu meckern. Auch bei hohen Geschwindigkeiten fährt der Grandland äußerst bequem und souverän, die abgeriegelten 170 km/h fühlen sich absolut nicht danach an, die Straßenlage ist satt, die Lenkung fein, der Innenraum angenehm leise.

Die Rekuperation lässt sich mit Schaltwippen am Lenkrad verstellen, auf ein One-Pedal-Driving wurde aber verzichtet, ebenso wie auf eine Hold-Funktion.
Nachts erfreuen wir uns am Matrix-LED Licht, dass sich hinter den deutschen Premiumwettbewerbern nicht verstecken muss, es ist immer taghell und trotzdem wird niemand geblendet.

Die Fahrerassistenzsysteme hinterlassen hingegen einen ambivalenteren Eindruck. Spur und Abstand werden ordentlich gehalten – aber mehr auch nicht. Spurwechsel, gar automatische? Nein. Rettungsgasse? Nö. Und nicht mal das Abstand halten im Stau will so richtig klappen – zu ruckelig und hektisch wechselt er zwischen Beschleunigen und Bremsen.

Positiv zu vermerken ist, dass der Spurhalteassistent bis zur Endgeschwindigkeit des Fahrzeugs tadellos arbeitet und den Wagen auch bei hohen Geschwindigkeiten hervorragend in der Spur hält. Auch die kapazitive Handerkennung am Lenkrad macht das assistierte Fahren angenehmer.

Fazit: Die Leasingrate muss stimmen

Der Opel Grandland macht einiges ganz gut. Das Cockpit gefällt, das Außendesign ist modern, die Sitze bequem, Platz gibt es reichlich. In Schlüsseldisziplinen wie dem Navi erlaubt er sich aber unschöne Patzer.
Das alles macht ihn nicht zu einem schlechten Auto, aber so richtig gut ist er eben auch nicht. Für den Listenpreis kaufen sollte man ihn aber auf keinen Fall, dafür gibt es in der Preisklasse mittlerweile einfach zu viele deutlich bessere Fahrzeuge.

Für das gleiche Geld können andere Hersteller einen Allradantrieb, größere Akkus oder bedeutend kürzere Ladezeiten liefern – manch einer sogar alles auf einmal.
Deutlich attraktiver ist das Fahrzeug im Leasing, hier geht Opel aktuell mit wirklich attraktiven Raten ins Rennen. Wer mit den erwähnten Defiziten klarkommt, kann bei einem guten Leasingangebot bedenkenlos zugreifen.

0 Kommentare

zu „Grandland Electric im Langstreckentest: Unterwegs im Nobel-Opel“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert