Artega Karolino – Konkurrenz- oder Schwestermodell?

Artega-Karolino

Vor vier Tagen wurde bekannt, dass sich der Auslieferungsstart des Microlino verzögert und Artega darüber hinaus offenbar ein Konkurrenzprodukt plant – den Karolino. Nun gibt es weitere Details: Demnach hat die Pilotproduktion des Karolino bereits begonnen, der Marktstart ist für Herbst vorgesehen. Die Microlino-Erfinder aus der Schweiz wittern dahinter ein Komplott.

Nach dem jüngsten Bericht zum verschobenen Marktstart des Microlino ist klar, dass es Ärger zwischen den Erfindern des Mircrolino – der Schweizer Firma Micro Mobility Systems – und dem Sportwagen-Hersteller Artega gibt, der Ende 2018 alle Rechte für die Produktion des Schweizer E-Kabinenrollers vom italienischen Hersteller Tazzari übernommen hat. Nachdem sich vor vier Tagen Wim Ouboter, Besitzer und Gründer der Schweizer Autoschmiede mit deutlichen Worten Luft verschafft hatte, äußert sich nun Artega. Auffällig: Der Microlino ist den Delbrückern nur zwei, drei Sätze wert, der Großteil der Pressemitteilung kreist um den Karolino, den Artega als Schwestermodell vorstellt, der aber wohl eher Konkurrenzmodell ist.

Artega bleibt nach eigenen Angaben exklusiver Produzent des Microlino für Europa. Den Vertrieb übernehme die Micro Mobility Systems AG in eigener Regie. Das ist alles, was Artega zum Schweizer E-Kabinenroller im Isetta-Look sagt. Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung hebt Artega ansonsten vor allem die Überlegenheit des Karolino gegenüber dem Microlino hervor. „Wir haben dem Karolino gegenüber dem damaligen Entwicklungsstand des Microlino in mehr als 150 technischen Punkten verbessert“, bekräftigt Artega-Geschäftsführer Klaus Dieter Frers. Mit „damaligen Entwicklungsstand“ ist der Zeitpunkt der Übernahme im November gemeint, als man „das Microlino-Entwicklungsprojekt und einige Vorserienfahrzeuge von der italienischen Tazzari-Gruppe übernommen und zur Serienreife weiterentwickelt“ habe, so Frers, der beim Karolino von Qualität „Made in Germany“ spricht. Ein Seitenhieb in Richtung Schweiz?

Während für den Microlino nach der Verzögerung noch kein neues Auslieferdatum feststeht, kündigt Artega an, dass der Karolino in vier verschiedenen Ausstattungsstufen auf der IAA Premiere feiern und ab Oktober ausgeliefert wird. Er sei ein Kultauto, ein Stadtflitzer im Retrodesign der 50er Jahre. Das perfekte Stadtauto: elektrisch, stylisch und hochwertig, so Frers. Kennt man die Microlino-Studie, klingt das alles allerdings zu vertraut, um als Innovation von Artega durchzugehen.

Aus der Schweiz kommt denn auch ein ungeheuerlicher Verdacht: Die Ouboter-Familie vermutet, dass die ersten Karolino-Bilder, die Artega veröffentlicht hat, eigentlich den Microlino zeigen. Dabei könnte es sich um die ersten Serienexemplare handeln, die Micro Mobility System vorfinanziert habe, vermutete jedenfalls Oliver Ouboter auf Nachfrage von electrive.net. Das Fahrzeug aus Delbrück sei eine „Kopie des Microlino“, was so „unter Partnern natürlich nicht geht“, so Ouboter. Ob es nun zu einem Rechtsstreit kommt, ließ er offen.

Die Unterschiede hebt Artega unterdessen folgendermaßen hervor: Chassis und Fahrwerk seien zugunsten einer höheren Steifigkeit bei geringerem Gewicht und deutlich verbesserten Fahr- und Bremseigenschaften neu konstruiert worden. Die Optik sei hochwertiger und auch der Innenraum sei überarbeitet worden, zum Beispiel mit optionalen Komfortsitzen. Auf Kundenwunsch könnten auch Smartphone-Connectivity und ein Sprachassistent mit Künstlicher Intelligenz sowie ein Soundsystem eingebaut werden. Und: „Durch Änderungen im Bordnetz und dem Einsatz von leistungsfähigen Batterien sowie Steuerungselektronik (…) konnte der Stromverbrauch gesenkt und das Fahrzeug schnellladefähig gemacht werden. Anfangs wird eine Ladezeit von zwei Stunden ausreichen, um die Lithium-Ionen-Batterie von null auf einen Ladezustand von 80 Prozent zu bringen. Die Ladezeit soll künftig auf nur noch eine Stunde verringert werden.“

„Der Karolino übertrumpft vergleichbare Fahrzeuge in verschiedenen Kategorien. Dazu zählen Reichweite, Gewicht, Ladezeit und Preis. Der Karolino ist für uns derzeit das beste Fahrzeug seiner Klasse“, schwärmt derweil Klaus Dieter Frers. Er spricht sogar davon, Regionalzentren in verschiedenen deutschen Großstädten zu eröffnen, um dort noch in diesem Jahr die ersten Karolinos zu verkaufen. Bei der Schweizer Microlino-Erfinderfamilie dürfte man diese Ankündigung mit Argwohn vernehmen, hatte man doch genau die gleichen Pläne mit dem eigenen Fahrzeug.

Artega setzt bei der Entwicklung und Produktion derweil neben eigenen Ressourcen auf seine Partnerschaften zum Autoelektronik-Hersteller Paragon einschließlich dessen Tochter Voltabox. Bei beiden Firmen ist Klaus Dieter Frers ebenfalls engagiert: Bei Paragon als Vorsitzender, bei Voltabox im Aufsichtsrat. „Wir sind ein Familienbetrieb mit Herz und viel Erfahrung im Bereich Elektromobilität“, äußert Frers. „Durch die Übernahme der italienischen TMI von der Tazzari-Gruppe haben wir Vertriebs- und Produktionsrechte für diese Fahrzeugplattform erworben. Dies war für uns ein wichtiger und richtiger Schritt.“ Wie sich der Zweikampf zwischen Microlino und Karolino nun weiterentwickelt, ist schwer abzuschätzen. Rein optisch sind die beiden Fahrzeuge jedenfalls kaum zu unterscheiden. Gut möglich, dass am Ende ein Richter darüber entscheiden muss.
artega.de

Update vom 21. Mai 2019: Auf eine Nachfrage von electrive.net reagierte Klaus Dieter Frers mit folgender Antwort: „Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich mit Rücksicht auf eine mögliche Einigung mit Micro keine weiteren Stellungnahmen abgeben möchte.“ In dem Zusammenhang verwies Frers auf ein Interview, welches auf der Artega-Webseite veröffentlicht worden ist. Dort heißt es wörtlich: „Wir haben das (den öffentlichen Disput, Anm. der Redaktion) bisher nicht kommentiert, um eine Einigung in Sachfragen nicht zu gefährden. Entscheidend ist: Wir handeln auf rechtlich gesicherter Basis. Auch die naheliegende Koexistenz ist vertragskonform.“ Der Vertrag aus dem Jahr 2016 sehe vor, dass „TMI und damit Artega alleiniger Entwickler und Produzent des Microlino in Europa ist“. Diese Exklusivität gelte nach wie vor und Artega werde Micro Mobility in dem Umfang beliefern, der im Vertrag festgelegt ist.

1 Kommentar

zu „Artega Karolino – Konkurrenz- oder Schwestermodell?“
Bülent T.
20.05.2019 um 10:40
Oha. Das macht keinen guten Eindruck, klingt fast schon kriminell!

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