Scania: Erster BEV-Lkw in Deutschland in Kundenhand

Scania wird im September seinen ersten vollelektrischen Lkw in Deutschland ausliefern – und zwar an Bona, einen Spezialisten für Fußböden. Der Elektro-Scania soll als emissionsfreier City-Shuttle die beiden Standorte des Unternehmens in Limburg miteinander verbinden.

Den Verkauf der Batterie-elektrischen Baureihe hatte Scania bereits Mitte September gestartet. Der BEV-Lkw leistet 230 kW und wird mit Batteriekapazitäten von 165 und 300 kWh für Reichweiten von bis zu 250 km angeboten. Auch eine PHEV-Variante mit 60 Kilometer E-Reichweite haben die Schweden im Angebot. Beide Modelle basieren auf einem modularen System des schwedischen Herstellers und sind jeweils mit den Fahrerkabinen der L- und P-Serie erhältlich. Grundsätzlich sind verschiedene Aufbauten möglich, Scania nennt einen Kühlkoffer, Kipper, Betonmischer und Müllsammler als Beispiele – sowie Sonderfahrzeuge für Feuerwehr- und Rettungsdienste.

Dass das erste Modell der vollelektrischen Lkw-Baureihe von Scania nun ausgerechnet an ein Unternehmen mit schwedischen Wurzeln geht, ist reiner Zufall. Bei Bona handelt es sich um ein 1919 in Malmö gegründetes Familienunternehmen mit einer zunehmend auf Umwelt- und Klimaschutz ausgerichteten Unternehmensphilosophie. Es beschäftigt an zwei Standorten rund 100 Mitarbeiter: Im Süden der Stadt sind Verwaltung, F&E sowie die Produktion untergebracht. Im Norden befindet sich das neue Distributionszentrum, wo die Ware kommissioniert und in Wechselbrücken für den Hausspediteur bereitgestellt wird.

Vier bis fünfmal am Tag wird der Elektro-Lkw nun ab September auf der rund sechs Kilometer langen Strecke zwischen den zwei Betriebsanlagen des Unternehmens pendeln. Dass die Route zum größten Teil durch die Innenstadt von Limburg führt, beschäftigt Bona-Geschäftsführer Thomas Brokamp schon länger. Die Domstadt wartet nur mit einer einzigen großen Verkehrsachse auf, Alternativen zur Zentrumsdurchfahrt gibt es keine. Bei dieser Verkehrsführung kommt es immer wieder zu hohen Stickstoffdioxidwerten, weißt Brokamp. Mittlerweile stehen deshalb Fahrverbote ab April 2022 im Raum. Um die Emissionen in den Griff zu bekommen, hat die Stadt einen Green-City-Plan aufgelegt, der Projekte wie eine schadstoffarme City-Logistik und den Ausbau der E-Mobilität vorsieht.

Lange Suche nach einem serienreifen E-Lkw

Für Bona lautete die Gretchenfrage, wie sich ein Fahrzeug finden lässt, das die eigenen Vorstellungen in Sachen Nachhaltigkeit auf die Straße bringt. Ganze drei Jahre schaute sich das Unternehmen auf dem Markt um. „Ich war überrascht, wie schwierig es war, einen Hersteller mit einem Elektro-Lkw zu finden“, kommentiert Brokamp. Zwar gab es bereits einige Prototypen und elektrifizierte Umbauten, die für die angestrebte Lösung mit einem Serienfahrzeug jedoch nicht in Frage kamen. Erst eine Anfrage bei Scania im Herbst 2020 habe die Sache ins Rollen gebracht, so Bona.

„Gerade im Stadtverkehr hat der Batterie-betriebene Lkw von Scania gute Argumente für sich“, sagt Bona-Prokurist Thorsten Kusch, der die Beschaffung begleitet hat. „Der Lkw ist emissionsfrei auf Achse, dabei leise und mit Systemen wie Abbiege-, Notbrems- und Spurhalteassistent auch sehr sicher.“ Entschieden hat sich Bona für einen Motorwagen der P-Baureihe mit einem Niedrigdach-Fahrerhaus. Der Dreiachser geht mit neun Batteriepaketen mit einer Gesamtkapazität von 300 kWh an den Start – also mit dem maximal erhältlichen Energiegehalt. Die Reichweite beziffert Scania auf 250 Kilometer.

In puncto Service verspricht der Hersteller dasselbe Dienstleistungsangebot wie bei herkömmlich angetriebenen Sciana-Lkw. Das betrifft etwa die Bereiche Finanzierung, Versicherung, Service und Wartung sowie Fahrerschulung. Brokamp und Kusch von Bona haben sich für einen Mietkauf über die Scania Finance Deutschland GmbH entschieden.

Der weitere Fahrplan für den ersten vollelektrischen Scania-Lkw im Bona-Fuhrpark steht auch schon fest. Den Aufbau des Koffers mit Ladebordwand übernimmt der Fahrzeugbauer Sonntag im sauerländischen Lennestadt. Im September 2021 soll der Elektro-Lkw fertig ausgerüstet sein. Unterdessen steht bei Bona der Aufbau der Ladeinfrastruktur auf der Agenda. Die Weichen für eine Stromversorgung mit regenerativer Energie hat das Unternehmen bereits beim Bau des Distributionszentrums vor drei Jahren gestellt. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 616 kWp.

Auch die Kabel zum Anschluss der Ladestation sind schon verlegt. Jetzt geht es um den Bau einer Batterie-Ladestation, in der die gewonnene Energie zwischengespeichert wird. Mit Anbietern stehen die Limburger zurzeit in Verhandlung. Bis alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, wird allerdings noch etwas Zeit ins Land gehen. Scania und Bona haben daher eine spezielle Vereinbarung getroffen: Der Scania Elektro-Lkw wird den Dienst zunächst für sechs Monate bei Scania Rent als Demofahrzeug antreten. Der E-Lkw kann dann bei anderen Scania-Kunden und Interessenten als Praxisbeispiel für eine emissionsfreie City-Logistik eingesetzt werden.

Scania verspricht von nun an „jährlich neue Elektrofahrzeuge“

Scania gehört bekanntlich zur Traton-Gruppe und stellt neben Lkw und Bussen auch Industrie- und Marinemotoren her. Die Forschung und Entwicklung befinden sich in Schweden, Brasilien und Indien, die Produktion findet in Europa, Lateinamerika und Asien statt. Weltweit beschäftigt der OEM etwa 51.000 Mitarbeiter. 2020 verzeichnete Scania Deutschland 4.818 neu zugelassene Scania-Lkw und damit hierzulande einen Marktanteil von 10,5 Prozent. In Österreich waren es 1.086 neu zugelassene Exemplare und somit ein Marktanteil von 19,9 Prozent.

Die Markteinführung eines BEV- und einer PHEV-Lkw für den städtischen Verteilverkehr bezeichnete Scania-CEO Henrik Henriksson Ende vergangenen Jahres als „Auftakt unseres Engagements für eine langfristige Elektrifizierung“. In den nächsten Jahren werde man jährlich neue Elektrofahrzeuge für das gesamte Produktangebot auf den Markt bringen. „Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass wir in wenigen Jahren auch Elektro-Lkw für den Fernverkehr einführen werden, die auf eine Schnellladung während der vorgeschriebenen 45-minütigen Ruhezeiten der Fahrer ausgelegt sind.“ Eine Jahreszahl für den Launch eines solchen Modells nennt Henriksson allerdings nicht.

Zur BEV-Variante machte Scania im September über die eingangs erwähnten technischen Daten hinaus noch folgende Präzisionen: Der E-Lkw wird per CCS mit bis zu 130 kW geladen. Für die kleine Batterie (fünf Module, 165 kWh) ergibt sich eine Ladezeit von 55 Minuten, bei dem großen Akku (neun Module, 300 kWh) sind es 100 Minuten. Wenn die Batterie nicht ganz entladen ist, dürften aber 30-45 Minuten in den meisten Fällen ausreichen, genügend Strom für die nächste Etappe nachzuladen – falls im städtischen Einsatz überhaupt während der Tour nachgeladen werden muss.

Weitere Verbraucher werden nicht an die Schnittstelle, die üblicherweise am Motor oder Getriebe sitzt, angeschlossen. Hierfür gibt es bei Scanias BEV-Lkw eine am Chassis montierte DC-Box, die etwa für Kühlaggregate oder einen kleinen Ladekran bis zu 60 kW zur Verfügung stellt.

Neben BEV und PHEV hat Scania übrigens noch eine weitere elektrifizierte Lkw-Variante im Angebot – allerdings nicht im freien Verkauf. Die Schweden sind Partner der deutschen eHighway-Testerprobungen und stellen als dieser die 15 umgerüsteten Lkw mit Pantografen für die drei Teststrecken in Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg zur Verfügung.
logistra.de, scania.com

4 Kommentare

zu „Scania: Erster BEV-Lkw in Deutschland in Kundenhand“
NixNox
11.08.2021 um 08:57
LKW und AC Ladesäule passen irgendwie nicht zusammen. Habt ihr kein anderes Titelbild?
Sebastian
25.08.2021 um 14:31
Irgend wie lustig, nicht das Bild oben mit "Strom tanken", sondern die Tatsache das es sich bei der täglichen Strecke um 6 banale KM handelt. Trauen die von der Dispo nicht mehr zu?Mich würde mal interessieren wann Firmen wie Edeka REWE groß in den Markt einsteigen und echte Touren vom Verteiler zu den Märkten angehen. Da sind echte KM täglich drin, als im Schatten des Kirchtums, wie im Artikel dargelegt.
Stefan
26.08.2021 um 00:19
Der alte Standort liegt in der Nähe von Gütergleisen und dem Regionalbahnhof Limburg, das neue Distributionszentrum in der Nähe der Autobahn... Es gibt viele Möglichkeiten.
Dirk
24.11.2021 um 16:56
Der Transit- und Schwerlastverkehr gehört auf die Schiene, nicht auf die Straße. Damit sparen wir immense Ausgaben für die Reparaturen der Autobahnen und damit auch CO2-Emission, verringern den Flächenverbrauch (Stichwort 6-8 spurige Autobahnen/LKW-Rastplätze) und vermindern Unfallsrisiken sowie Staus.

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