Mit dem Hyundai Ioniq 5 im Winter auf Langstrecke

Dass der Hyundai Ioniq 5 seine extrem gute Ladeleistung bei kühleren Temperaturen nicht abrufen kann, hatte sich bereits im Herbst angedeutet. Doch wie stark beeinflusst das eine winterliche Langstreckenfahrt wirklich? Wir haben den Test gemacht und einige Erkenntnisse gewonnen. Denn nicht alles, was am Ioniq 5 auffällt, ist für alle Kunden relevant.

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Als Hyundai Ende Juni erstmals Journalisten hinters Steuer seines ersten E-GMP-Modells gelassen hat, war die Lage vielversprechend. Bei derartigen Fahrvorstellungen reicht die Zeit für ernstzunehmende Lade-Tests zwar nicht aus, aber der erste Eindruck hatte es in sich: Bei hohen 82 Prozent Ladestand floss bei einer kurzen Probe-Ladung der Strom mit 124 kW in den Akku. Wie sich später herausstellen sollte, eine wichtige Info: Die Fahrvorstellung fand bei angenehmen 27 Grad in Valencia statt.

Schon im Herbst hatte mein Kollege Christoph M. Schwarzer bei seinem Test des Ioniq 5 mit Heckantrieb Probleme, die von Hyundai versprochenen 220 kW Ladeleistung in der Spitze zu erreichen. Die Werte waren immer noch sehr gut, aber eben deutlich von der Ladekurve unter Optimalbedingungen entfernt.

Also haben wir den Ioniq 5 zum erneuten Test gebeten, um die Langstrecke im Winter zu erproben: Wie weit sinkt die Ladeleistung bei Temperaturen um den Gefrierpunkt? Und wie beeinflusst das die Fahrzeit auf der Langstrecke?

Hyundai hat dafür das derzeitige Top-Modell zur Verfügung gestellt – einen Ioniq 5 mit großem Akku (72,6 kWh) und dem 225 kW starken Allradantrieb in der höchsten Uniq-Ausstattung. Selbst nach Förderung liegt der Preis für diese Ausstattung bei rund 50.000 Euro. Abgesehen von dem Solardach (mit wohl ohnehin überschaubarem Effekt im Winter) waren beinahe alle Optionen an Bord – inklusive der Relax-Sitze.

Selbst bei Autobahn-Fahrt erwärmt sich der Akku kaum

Um die Sitze wird es noch kurz im Komfort-Abschnitt gehen, kommen wir zu den Langstrecken-Erfahrungen. Hierfür haben wir die für den Ioniq 5 wichtigen Akku-Temperaturen per OBD-Dongle und Smartphone-App ausgelesen. Bereit für die Abfahrt aus dem Rheinland in Richtung Stuttgart stand der Ioniq 5 über Nacht im Freien – die zwei Grad Außentemperatur entsprachen zu Fahrtbeginn auch der minimalen Temperatur in der Batterie.

Nach rund 170 Kilometern Fahrt sorgte nicht die Restreichweite, sondern biologische Gründe für eine erste Pause. Bei gemütlicher Autobahn-Fahrt mit einem kleinen Stau bei Köln und wenn möglich einem Reisetempo von 120 bis 130 km/h wurde der Antrieb aber kaum gefordert. Als wir den Ioniq 5 mit dem Hypercharger von Fastned verbanden, zeigte die „CarScanner“-App sieben Grad als minimale Temperatur im Akku an. Also nur fünf Grad Erwärmung bei einer Autobahnfahrt unter den beschriebenen Bedingungen. Eigentlich ein gutes Zeichen für die Effizienz des Elektro-Antriebs, in diesem Fall aber viel zu wenig für hohe Ladeleistungen.

Während diesem Ladevorgang (und auch bei weiteren) konnten wir das Verhalten nachvollziehen, welches der norwegische YouTuber Björn Nyland in seinen Videos zum Ioniq 5 und dem Schwestermodell Kia EV6 beschrieben hatte: Entscheidend ist die minimale Temperatur in der Batterie, hier gibt das Batteriemanagementsystem (BMS) in Fünf-Grad-Schritten mehr Leistung frei, also bei 5, 10, 15, 20 und 25 Grad werden jeweils höhere Stufen erreicht. Steigt die maximale Temperatur zu weit, wird wieder Leistung abgeregelt – im Winter sind wir aber nicht an diese Obergrenze gestoßen.

Für unseren Ladevorgang in Limburg bedeutete das: Statt mit den 220 kW lud der Ioniq 5 anfangs nur mit rund 70 kW. Im Laufe des Ladevorgangs wurden zwar auch dreistellige Werte angezeigt, 43,8 kWh in 33 Minuten bedeuten 80 kW im Schnitt. Aber: Der Ladevorgang hatte die Batterie erwärmt, auf mindestens 32 Grad.

220 kW Ladeleistung bei -1 Grad

Im Laufe der weiteren Fahrt kühlte der Akku – derzeit noch ohne aktive Vorkonditionierung vor einem Ladevorgang – zwar wieder aus. Mit einer zunehmend leerer werdenden Autobahn konnten wir aber das Reisetempo später auf rund 150 km/h erhöhen, um bei dem höheren Leistungsbedarf etwas mehr Temperatur im Akku zu halten. Das Ergebnis: Bei unserem zweiten Ladestopp in Wunnenstein bei Ionity kamen wir mit zehn Prozent Ladestand und 19 Grad im Akku an. Und siehe da: Über eine kleine Stufe bei rund 170 kW hatte sich der Akku schnell um ein paar Grad über die magische Marke von 25 Grad erwärmt. Bei einem Grad unter null zog der Ioniq 5 die versprochenen 220 kW aus der Tritium-Säule.

Die 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent haben wir nicht ganz erreicht, da wir wie erwähnt zu Anfang noch unter den 25 Grad lagen und somit die optimale Ladekurve im unteren Bereich verfehlt haben. Nach 16 Minuten waren es aber knapp 65 Prozent – mehr als genug für die Fahrt bis zum Ziel.

Kurzes Zwischenfazit: Die Reisezeit für die 430 Kilometer ist nicht aussagekräftig, weil sie zum einen den erwähnten Stau samt Umfahrung als auch nicht ideal getimte Ladestopps enthielt. Und der Akku war zu Fahrtbeginn nur zu rund 90 Prozent geladen. Dennoch: Bei in der Summe 49 Minuten Ladezeit hat die verringerte Ladeleistung bei den niedrigen Temperaturen für ca. zehn bis 15 Minuten zusätzliche Reisedauer gesorgt. Beim ersten Ladestopp war der Ladestand noch zu hoch, beim zweiten haben wir deutlich mehr geladen als nötig gewesen wäre – das kann man nicht dem Auto anlasten, hat sich aber bei einer stressfreien Fahrt ohne Anspruch auf neue Rekord-Zeiten so ergeben.

Da wir die Rückfahrt einige Tage später mit 100 Prozent Ladestand beginnen konnten, hat hier auch ein Ladestopp für die 430 Kilometer gereicht, dieser fand wiederum nach 254 Kilometern bei Fastned in Limburg statt. Dort sind wir mit elf Prozent und einer angezeigten Rest-Reichweite von 25 Kilometern angekommen. Unter diesen Bedingungen bei -1 Grad Celsius sowie zeitweise Regen und Schneefall sind 250 Kilometer eine realistische Autobahn-Reichweite.

Und das Laden? Bei Ladebeginn hatte der Akku nur elf Grad, also keine ideale Ladekurve in Sicht. Dennoch hielt sich die Verzögerung in Grenzen: Mit elf auf 80 Prozent haben wir das „Norm-Fenster“ von zehn auf 80 Prozent quasi abgedeckt. In exakt 30 Minuten sind 54 kWh in den Akku geflossen, womit wir zwölf Minuten länger gebraucht haben als die viel beworbenen 18 Minuten. Prozentual ein großer Unterschied, auf einer mehrstündigen Fahrt sind die 12 Minuten aber nicht groß ins Gewicht gefallen. Im Gegenteil, es war sogar ganz angenehm: 18 Minuten hätten für die Kaffeepause in dem Fall nicht gereicht. Kurze Randnotiz: Während des Ladevorgangs hatte sich die Batterie von elf auf 34 Grad erwärmt, bei 80 Prozent Ladestand lag die Leistung noch bei 91 kW.

Auch hier muss man wieder erwähnen: Eigentlich war der Zeitverlust geringer als 12 Minuten. Denn am Ziel sind wir noch mit 45 Prozent Ladestand angekommen, wir hätten also in Limburg gar nicht bis 80 Prozent laden müssen.

Auf Langstrecken mit einem oder zwei Ladestopps hält sich der Zeitverlust also in Grenzen. Er ist unbestreitbar da und kann sich für Vielfahrer oder auf noch längeren Strecken aufsummieren und stören. Wir hatten bei unserem Test zwar keine zweistelligen Minusgrade, dennoch lag die Batterie-Temperatur bei Fahrtbeginn jeweils um den Gefrierpunkt. Ist es draußen kälter, sollte aber die Batterieheizung im Winter-Modus eingreifen und ein Absacken der Batterie-Temperatur unter -5 Grad verhindern