Ford E-Transit: Erste Ausfahrt im elektrischen Lastenesel

Allein der tägliche Blick auf die Straßen der Großstädte genügt, um zu erkennen, wie viel Potenzial in der Elektrifizierung der Transporter-Flotten nur allein im innerstädtischen Verkehr über alle Dienstleistungs- und Handwerksunternehmen hinweg steckt. Ford bietet mit dem E-Transit nun auch einen eigenen E-Transporter an. Eine erste Ausfahrt zeigt, was der elektrische Lastenesel zu leisten vermag.

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Der Bedarf an elektrischen Transportern ist zwar da, die Auswahl an Modellen aber noch immer recht dürftig. Ein VW e-Crafter kann nicht mehr bestellt werden und der Renault Master E-Tech mit etwas größerem Akku ist online noch nicht konfigurierbar. Der Mercedes eSprinter mit einem Akku über 50 kWh lässt noch auf sich warten. Wer auf der Suche nach einem E-Transporter mit einer Reichweite von über 200 Kilometern nach WLTP ist, der wird derzeit nur bei den Stellantis-Marken inklusive Fiat oder auch kleineren Herstellern wie Maxus fündig. Zwar können mit den derzeitigen E-Transportern am Markt schon viele Strecken – gerade in der KEP-Branche – bedient werden. Um jedoch noch mehr Routen abdecken bzw. Kunden erreichen zu können, müssen E-Transporter über einen ausreichend großen Akku verfügen. Zumindest optional.

Aufgrund des vorhandenen Potenzials verwundert es nur wenig, dass Ford nun auch mit dem E-Transit ein Angebot schaffen will. Nicht zuletzt auch deshalb, da bereits der konventionelle Transit seit Jahrzehnten eines der wichtigsten Transportermodelle auf dem Markt ist. Was die elektrische Variante zu leisten vermag, sollte eine erste Ausfahrt in Barcelona offenbaren. Auch, was Ford für ein Ökosystem rund um den E-Transit geschaffen hat – für Flottenkunden nicht unwichtig.

Zwei Motorisierungen

Ford bietet insgesamt zwei Motorisierungen für den E-Transit an: Kunden haben demnach die Wahl zwischen einem Motor mit einer Leistung von 135 kW und einem mit 198 kW. Doch selbst der kleinste E-Motor bietet mehr Leistung als der größte Dieselmotor für den Transit. Ausgereizt werden konnten die Leistungen in Barcelona – auch wenn ein Teilstück über die Stadtautobahn führte – nicht. Hier muss im Nachgang ein ausführlicher Test mit voller Beladung ein entsprechendes Ergebnis liefern. Für die Stadt und auch die Landstraße sind aber beide Motorisierungen – so viel kann bereits gesagt werden – sicher mehr als ausreichend.

Besonders diejenigen, die vorher mit einem Diesel unterwegs waren, werden positiv von dieser Antriebsart überrascht sein. Da wäre zunächst einmal die ausbleibende „Schalterei“ oder die fehlenden Vibrationen durch den konventionellen Antrieb. Doch auch die Stille sorgt für eine angenehme Fahrt mit dem E-Transporter. Vom Antrieb selbst dringen noch weniger Geräusche als bei den Wettbewerben wie eSprinter, e-Crafter oder auch Master E-Tech in den Innenraum.

Die Leistung des E-Transit lässt sich über das Fahrpedal sehr geschmeidig dosieren. Traktionsprobleme bei der Beschleunigung im hektischen Stadtverkehr von Barcelona gab es keine. Mit dem Heckmotor zog auch eine neu gestaltete Hinterradachse ein, die auf eine Einzelradaufhängung setzt. Ohnehin lässt sich das Elektrofahrzeug sehr komfortabel bewegen. In den Kurven bewahrt der E-Transit Haltung. Zwar lässt sich das Fahrzeug auch fast ohne aktives Bremsen bewegen. Das bekannte One-Pedal-Driving bleibt allerdings aus. Hier sollte Ford im Nachgang zumindest die Option schaffen – es sollte sich um eine reine Software-Einstellung handeln.

Im Gespräch mit einzelnen Kollegen stellte sich heraus, dass man insgesamt fast sogar schon von „Pkw-Feeling“ sprechen könnte. Für diejenigen, die in dem E-Transit auch einen Großteil ihres Arbeitsalltags verbringen, ist dieser Faktor durchaus wichtig.

Eine Akku-Größe

Etwas kürzer fassen lässt sich das Thema Akku und Reichweite: Während die Stellantis-Marken, Mercedes-Benz oder auch Maxus mehrere Batterie-Größen zulassen, gibt es den Ford E-Transit nur mit einem 68-kWh-Akku (netto). Je nach Version (Länge, Breite und Aufbau) sollen so zwischen 238 km (L4H3 und 135 kW) und bis zu 317 km (L2H2 und 198 kW) nach WLTP möglich sein. In Barcelona konnten wir drei unterschiedliche Varianten des E-Transit fahren. Egal ob mit einer Zuladung von 400 kg, Einzel- oder Doppelkabine oder auch Motorisierung. Es ergaben sich auf dem 20 Kilometer kurzen Rundkurs Verbrauchswerte von 21 bis 25 kWh/100 km. In der Praxis dürften die Werte aber eher bei 23 bis 30 kWh/100 km liegen mit teils höheren Geschwindigkeiten, höherer Zuladung oder dem Energieverbrauch der Heizung. Der Einsatz solcher Transporter kann je nach Firma sehr unterschiedlich sein. Und damit auch der Verbrauch.

Daraus resultieren Praxisreichweiten zwischen 230 und 300 Kilometern. Genauere Werte muss auch hier ein längerer Test noch zeigen. Zum Vergleich: Der Mercedes eSprinter liegt mit 47 kWh (netto) bei einem WLTP-Wert von bis zu 157 Kilometern. Ein Opel Movano-e liegt mit 70 kWh (brutto) bei bis zu 224 Kilometern. Der Fiat E-Ducato schafft es hingegen auf 370 Kilometern nach WLTP.

„Nasenlader“ mit guten Ladeleistungen

Ist der chemische Speicher leer, kann dieser in knapp über acht Stunden an einer AC-Lademöglichkeit wieder aufgeladen werden. Die maximale Ladeleistung gibt Ford mit 11,3 kW (dreiphasig) an – ausreichend. Schneller geht es an einer DC-Säule. Mit einer maximalen Ladeleistung von 115 kW kann der Akku so innerhalb von 35 Minuten von 15 auf 80 Prozent wieder geladen werden.

Muss öffentlich geladen werden, hilft hier das Navigationssystem bei der Suche nach einer Ladesäule weiter. Zumindest nach einer, die über das Blue-Oval-Netzwerk (über 300.000 Ladepunkte in Europa) angebunden ist. Eine Routenplanung mit automatischen Ladestopps – fraglich, wann so etwas mit einem E-Transporter dieser Art überhaupt notwendig wird – ist noch nicht möglich. Es wird laut Ford aber bereits daran gearbeitet.

Doch der E-Transit kann auch Strom abgeben. So gibt es beispielsweise zwei Haushaltssteckdosen in der nähe der Heckklappe, die jeweils eine Leistung von maximal 2,3 kW bereitstellen können. Ein Novum unter den E-Transportern.

Der E-Transit ist ein Lastenesel

Keine Frage, die Ladetechnik und vor allem die Reichweite sind bei der Auswahl nach dem passenden E-Transporter sehr wichtig. Fast noch wichtiger ist allerdings, ob der E-Transporter auch als Lastenesel taugt. Für die KEP-Branche, so zeigen es Erfahrungen, wird die Nutzlast nicht unbedingt voll ausgereizt. Werfen wir an dieser Stelle mal einen Blick in einen Handwerksbetrieb: Eine Sortimo-Ausstattung kann mal eben die 100 Kilogramm (leer) erreichen. Mit entsprechender Ausstattung an Werkzeugen und Material können dies schnell 200 bis 300 Kilogramm oder sogar mehr werden. Mit Beifahrer schrumpft die noch verfügbare Nutzlast weiter. Da ist es durchaus ein Vorteil, dass Ford für den E-Transit auch eine 4,25-Tonnen-Variante anbietet, für die lediglich eine Führerschein-Erweiterung im Führerschein der Klasse B notwendig ist.

Ford bietet den E-Transit als klassischen Kastenwagen, mit Doppelkabine und auch als Pritsche für diverse Aufbauten an. Kunden haben die Wahl zwischen den Längen L2 bis L4 und den Höhen H2 bis H3. Für all diese Varianten kann zwischen beiden Motorleistungen gewählt werden. Knackpunkt allerdings: Aufgrund der Batterie und dem Heckmotor liegt der Laderaum etwas höher.

Dennoch sind Laderaumvolumen von 7,2 bis 15,1 Kubikmeter möglich. Die Nutzlast liegt zwischen 795 kg (L4H3) und maximal 1.685 kg (L3H2). Eine Anhängelast gibt es auch. Für die Varianten 350 L2H2, 350 L3H2, 350 L3H3 und 350 L4H3 beträgt diese 750 kg. Die Varianten 319 L3H2 und 425 L2H2 können hingegen keinen Anhänger ziehen.

Hoher Grad an Vernetzung und Assistenzsystemen

Ein Novum ist sicherlich auch der Grad an Vernetzung und Assistenzsystemen. Kaum ein E-Transporter bietet eine solche Vielfalt. Im E-Transit ist die neue Ford-SYNC-Generation serienmäßig vorhanden, diese soll unter anderem durch eine verbesserte Spracherkennung und Cloud-Navigation überzeugen. Hinzu kommen Over-the-Air-Updates, die das Navigationssystem und weitere Funktionen drahtlos aktualisieren. Serienmäßig sind zudem Assistenten wie der Fahrspur-, Post-Collision-, Pre-Collision-, Berganfahr- oder auch Fernlicht-Assistent. Und dann wäre da noch der serienmäßige Müdigkeitswarner. Viele weitere Assistenten sind optional erhältlich. Darunter ein Pre-Collision-Assist mit Fußgänger-Erkennung, adaptiver Tempomat oder auch eine 360-Grad-Kamera. Testen konnten wir die Assistenten bei der kurzen Ausfahrt nicht. Die Erfahrung dazu liefern wir mit einem ausführlichen Test ebenfalls nach. Und: Auch das Navigationssystem gibt es nicht in der „Basis“-Ausstattung. Hier muss zur „Trend“-Ausstattung gegriffen werden, in der auch das 12-Zoll große Touchscreen angeboten wird.

Ökosystem namens Ford Pro

Die „Always-on“-Konnektivität über das FordPassConnect-Modem ist serienmäßig verbaut. Auf diese Weise stehe der E-Transit auch in Verbindung zu den zahlreichen Funktionen des Ford-Pro-Ökosystems. Dabei handelt es sich um eine Art Rundum-Sorglos-Paket. Darunter fällt das bereits im letzten Jahr eingeführte Dienst „Ford Liive“. Der Dienst soll dabei helfen, mögliche Ausfallrisiken der Nutzfahrzeuge von Flotten- und Gewerbekunden frühzeitig zu erkennen und vor einem tatsächlichen Fahrzeugausfall zu beheben. Hinzu kommt mit „Ford Pro Charging“ ein Angebot, welches Gewerbekunden auf deren Bedürfnisse maßgeschneiderte Ladeinfrastruktur anbieten soll. Mit „Ford Pro Software“ bietet Ford ein ganzes Paket an Dienstleistungen rund um die Flottenverwaltung an. Dieses reicht von einer einfachen App für kleinere Flotten bis hinzu zu Lösungen inklusive API für große Fuhrparkbetreiber. Fahrzeuge anderer Hersteller können über das System ebenfalls verwaltet werden. Auch das Thema Finanzierung ist ein Baustein von Ford Pro. Das Ökosystem haben wir für Sie an dieser Stelle etwas ausführlicher beschrieben.

Fazit

Ford kennt seine Kunden und aufgrund der Erfahrungen beim konventionellen Transit auch die Anforderungen seiner Gewerbekunden. Daraus entstanden ist ein guter E-Transit. Während ein eSprinter oder Movano-e Nutzlasten von maximal knapp über eine Tonne zulassen, gibt es beim E-Transit eine maximale Nutzlast von bis zu 1,7 Tonnen. Gepaart mit der Auswahl bei der Motorisierung, der Größe des Akkus, Ladetechnik als auch Ökosystem, muss sich dieser E-Transporter vor der Konkurrenz keineswegs verstecken.

Dann wäre allerdings noch der Preis zu nennen. Los geht es bei 55.845 Euro (netto). Ein Movano-e startet bei 59.990 Euro, ein eSprinter gar bei 62.001 Euro. Der E-Ducato bietet zwar mehr Reichweite, doch hier liegt der Einstiegspreis beim großen Akku bei 72.600 Euro. Maxus bietet mit dem eDeliver 9 einen E-Transporter mit sogar 89 kWh an. Hier müssen Kunden für die maximale Reichweite allerdings immer noch 71.990 Euro hinblättern. Für Gewerbekunden ist jedoch wichtig, dass im Falle eines Ausfalls ein Ersatzfahrzeug bereitsteht. Ford teilte dazu mit, dass zumindest die Ford Transit Center (die großen Ford Nutzfahrzeug-Händler) über E-Transit-Ersatzfahrzeuge verfügen werden.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass ein vergleichbarer Diesel-Transit (bezogen auf die Motorleistung und Nutzlast) knapp 10.000 Euro günstiger ist. Nach Abzug der staatlichen Förderung (Umweltbonus) reduziert sich die Differenz jedoch deutlich. Darüber hinaus gibt es auch andere Förderprogramme, die beispielsweise die Differenz zu einem konventionellen Fahrzeug mit 40 bis 80 Prozent fördern. Von den Vorteilen während der Laufzeit noch gar nicht gesprochen. Am Ende rechnen Fuhrparkbetreiber allerdings sehr genau. Hier wird sich zeigen müssen, ob der E-Transit zügig in die Flotten aufgenommen wird.

9 Kommentare

zu „Ford E-Transit: Erste Ausfahrt im elektrischen Lastenesel“
Sebastian
05.05.2022 um 13:13
Kommt sehr stark auf den Einsatz an. Mit dem Akku kommt der Wagen keine 200 KM weit. Nicht weiter schlimm, wenn der Wagen das täglich fahren muss und kann bzw. über Nacht oder am Tag laden kann. Fraglich wird es wenn es auf Strecke geht. Bin gestern mit einem Vergleichswagen von Ford als Bus 1.600 KM gefahren. 3x geladen und in 19 Std. am Zielort. Das mit einem BEV wäre 1 Tage länger gewesen, wobei im Ursprungsland nicht mal Ladesäulen vorhanden waren. Gefahren wurde mit 120 bis 150 km/h... 10,3 Liter Diesel hat sich der Wagen pro 100 KM genommen. Als BEV wäre nach 100 KM Ende Akku... und dann 65 kWh je 50 cents. Kannst dir selber ausrechnen.als daily Kastenwagen für den örtlichen Handwerker/Dienstleister etc. eine gute Sache.
Stefan
06.05.2022 um 01:00
1600 km können Nordmazedonien, Kosovo, Moldavien oder weiter östlich sein.
Jens
05.05.2022 um 18:31
In welchem Land gibt´s denn bitte keine Ladesäulen? Und wie repräsentativ ist das für Mitteleuropa oder Deutschland? Wie kommt man auf "nach 100 KM Ende Akku", wenn im Artikel von 230 bis 300 km realer Reichweit die Rede ist?
Sebastian
05.05.2022 um 22:10
Jens, mein sehr sparsames Model S kommt mit gleichem Akku bei 90 km/h 400 KM weit. Was meinst was dann so eine Schrankwand wie der Transit dann leisten kann, bei 3tonnen Gewicht=?
Daniel Bönnighausen
06.05.2022 um 08:44
Hallo,an dieser Stelle muss ich mich nun doch einmal äußern. Sie sprechen oben von 120 bis 150 km/h und einer daraus resultierenden Reichweite von nur 100 km. Jetzt vergleichen Sie allerdings ein Model S mit nur 90 km/h und einer Reichweite von 400 km.Ich kann Ihnen versichern, dass die obige, von mir genannte Praxisreichweite erreicht werden kann. Auch mit Autobahnanteilen.
Sebastian
06.05.2022 um 13:24
nene.. ich sagte meine letzte Tour bin ich im Transit Bus Diesel gefahren... mit Tempomat was erlaubt ist und wo frei 150 km/h. Da war der Verbrauch wie gesagt über alle KM gemessen bei 10,3 Liter.DAS mit einem BEV geht sicher so das alle 100 KM ein Akku leer ist.Da ich etliche Fahrzeuge, inkl. BEVs im Fuhrpark besitzen kann ich mir locker so eine Einschätzung erlauben.
AB
05.05.2022 um 14:36
1600km-Strecken sind auch bei einem Verbrenner eher eine extrem seltene Ausnahme. Fahrzeuge werden für einen durchschnittlichen Einsatzzweck gebaut. Und der durchschnittliche Transporter in diesem Segment hat eine Jahreslaufleistung von 20tkm, das sind gut 70km pro Arbeitstag. Da passen die Daten der Transits schon, selbst beladen und mit Heizung.
Sebastian
05.05.2022 um 17:59
Wie gesagt, kommt darauf an. Viele Bautrupps fahren one way 800 KM und dann stehen die Transporter wochenlang vor Ort und fahren weniger als 20 KM von Montag bis Freitag um 12 Uhr. Dann aber wieder 800 KM.wie ich sagte, der regionale Gas-Wasser-Dingsbums Handwerker der nie seinen Postleitzahl area verlässt. super. Ob der 70T Euro bereit ist zu bezahlen, wird man zukünftig bei den KBA Zahlen sehen.
Andi Moeller
21.06.2022 um 23:20
Darf man den 425er tatsächlich mit FS Klasse B fahren ? Lt BAFA nicht, da er die Bedingungen nicht erfüllt. Nur der 350er bekommt die Förderung der BAFA.

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