Hyundai Kona Elektro: Reicht das im Jahr 2022?

Bei Hyundai dreht sich viel um den 800-Volt-Stromer Ioniq 5 und die anstehende Premiere des Ioniq 6. Elektrischer Bestseller ist aber ein anderes Modell: In der KBA-Statistik taucht der Kona Elektro auf den vorderen Plätzen auf – dabei ist die Technik einige Jahre alt. Ob das im Vergleich zu neuen E-Autos ausreicht, zeigt unser Test.

Bei seiner Premiere im Jahr 2018 war der Kona Elektro ein echter Game Changer: In einer Zeit, in der (gefühlt) das Tesla Model S das einzig langstreckentaugliche E-Auto war und Audi sowie Mercedes ihre großen und schweren E-SUV gerade erst ankündigten, brachte Hyundai ein gerade einmal 4,21 Meter langes Auto mit einer 64 kWh großen Batterie (netto) auf den Markt. In seiner Größenklasse war der Kona Elektro zwar nicht günstig, bot aber Reichweiten von rund 450 Kilometer in der Norm und über 500 Kilometern in der Stadt.

Seitdem haben die Koreaner den elektrischen Kona quasi ohne größere technische Änderungen im Programm. Zur Modellpflege und dem Produktionsstart im tschechischen Werk Nosovice (davor kamen alle Kona Elektro aus dem Werk Ulsan in Südkorea) gab es zwar ein Upgrade beim Onboard-Charger, der nun das dreiphasige AC-Laden mit 11 kW ermöglicht. Weitere Änderungen fanden nur an der Optik und im Innenraum statt. An der Antriebstechnik – 100 kW Leistung mit 39,2-kWh-Batterie oder 150 kW mit 64-kWh-Speicher – hat sich seit dem Verkaufsstart nichts geändert.

2022 ist aber das Marktumfeld ein anderes als damals: VW hat den nur einige Zentimeter längeren ID.3 im Programm, Stellantis hat den Markt mit unzähligen eCMP-Modellen seiner Konzernmarken geflutet. Und auch chinesische Hersteller wie die SAIC-Marke MG haben mit dem ZS EV inzwischen vergleichbare Modelle im Angebot. Was also hat der Kona an sich, dass er (Stand Ende Mai) mit 6.345 Neuzulassungen im Elektroauto-Ranking auf Platz 3 steht? Wohlgemerkt vor Modellen wie dem ID.3 (4.464 Autos, Platz 12), dem Ioniq 5 (4.107 Autos, Platz 13) oder dem bestverkauften MEB-Modell ID.4/ID.5 (5.618 Autos, Platz 4).

Jeden Monat über 1.000 Kona Elektro zugelassen

Zunächst vorweg: In Zeiten volatiler Lieferketten und langer Lieferfristen gibt die KBA-Statistik den Markt natürlich nicht genau wider. Platz 3 bei den Neuzulassungen sagt wenig über die aktuelle Nachfrage aus und aus der Statistik geht nicht hervor, wann die nun ausgelieferten und zugelassenen Fahrzeuge tatsächlich bestellt wurden. Hyundai wird hier noch von einem gewissen Auftragsbestand leben, jetzt bestellte Ioniq 5 fließen hingegen erst in einigen Monaten oder gar 2023 in die KBA-Statistik mit ein. Aber: Hyundai ist lieferfähig und hat in jedem Monat dieses Jahres eine vierstellige Zahl an Konas ausgeliefert.

Für den Test hat Hyundai Deutschland einen roten Kona Elektro mit der großen Batterie gestellt. Das Cockpit kommt sofort vertraut vor, nicht nur wegen des Hyundai-typischen Elektro-Sounds beim Starten, sondern auch der schwebenden Mittelkonsole, die den Kona Elektro von den anderen Antriebsvarianten des Modells abhebt. Es fallen aber auch schnell die ersten Änderungen des Facelift-Modells auf: Der Infotainment-Touchscreen ist größer und die Schnellwahltasten sind unter dem Touchscreen platziert – nicht mehr rechts und links davon, was gerade auf der rechten Seite für den Fahrer teilweise schwer zu erreichen war. Auch das Info-Display für den Fahrer ist neu, von dem starren Digital-Rundinstrument in der Mitte mit kleinen Displays daneben sind die Designer zu einem durchgängigen Display gewechselt, was deutlich variablere Anzeigen zulässt. Die Materialien wirken etwas hochwertiger als zuvor, es bleibt aber größtenteils bei dem Segment-üblichen Kunststoff.

Dass es über all die Jahre am Antriebssystem keine Änderungen gab, fällt hingegen nicht auf. Mit 150 kW in einem Kleinwagen macht das Fahren Spaß, keine Frage. Der Elektro ist nicht nur stärker als die meisten anderen Kona-Varianten, sondern bietet mit der ansatzlosen Beschleunigung auch einen guten Durchzug – das Ein-Gang-Getriebe ist eben immer im richtigen Gang und muss nicht erst schalten. Der Permanentmagnet-Synchronmotor bringt mit seinen 395 Nm Drehmoment die angetriebenen Vorderräder aber nur selten an die Haftungsgrenze – die Elektronik greift hier rechtzeitig ein.

Die Werksangabe für die Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h liegt bei 7,9 Sekunden und damit recht genau auf dem Niveau eines gleich starken ID.3, der eigentlich einen Traktionsvorteil durch den Heckmotor haben sollte. Ob der Kona Elektro im Test nun tatsächlich unter den acht Sekunden geblieben ist, haben wir nicht nachgemessen. Denn in der Praxis zählt ein ganz anderer Wert: der Verbrauch.

Der ist in der WLTP-Norm beim Kona Elektro mit 14,7 kWh/100km angegeben. Dank einiger kleiner Maßnahmen (u.a. Leichtlaufreifen) ist die Reichweite des Facelift-Modells auf 484 Kilometer gestiegen. Dass Hyundai (anders als beim Facelift des Ur-Ioniq) den Antrieb und die Batterie nicht angerührt hat, ist hier ein großer Vorteil: Denn der Kona Elektro ist auch 2022 noch ein extrem sparsames Elektroauto. Im Gegensatz zu anderen Modellen ist es hier gut möglich, die WLTP-Werte auch in der Praxis zu erreichen.

Auf der Landstraße und in der Stadt zeigte der Bordcomputer teilweise Werte von weniger als 12 kWh/100km an. Auf der Autobahn waren es je nach Witterung und Geschwindigkeit zwischen 16 und 20 kWh/100km. Je nach Fahrweise und Einsatzszenario sind so zwischen 320 Kilometern auf der Autobahn und (rechnerisch) 533 Kilometer in der Stadt möglich – im gemischten Einsatz werden es um die 400 Kilometer sein. Der ADAC hat zum Beispiel eine EcoTest-Reichweite von 435 Kilometern ermittelt. Das sind nach wie vor Top-Werte für ein Kleinwagen-SUV!

Neuer Onboard-Charger ist eine echte Verbesserung

Ob der Kona bei der nächsten Fahrzeugwahl in Frage kommt, dürfte sich bei den E-Kleinwagen (und den zugehörigen SUV) also kaum an der Reichweite entscheiden. Stattdessen könnte das Thema Laden eine Rolle spielen: Wer überwiegend zu Hause, am Arbeitsplatz oder an öffentlichen AC-Säulen lädt, ist mit dem Facelift-Modell gut bedient. Dieses bietet die marktüblichen 11 kW, was eine enorme Verbesserung zum Modell von 2018 ist: Damals war nur ein einphasiger Lader mit 7,2 kW verbaut. Bei der Schieflastverordnung war also vielerorts nur das Laden mit 4,6 kW möglich – entsprechend lange dauerte es, bis der 64-kWh-Speicher voll war.

Dass es beim DC-Laden aber kein Update seit dem Marktstart gab, könnte für einige Kunden trotz der Effizienz gegen den Kona sprechen: Die Ladeleistung liegt bei 76 kW in der Spitze, was gemessen an der Batteriegröße nicht viel ist. Anstatt wie ein BMW i3 oder Audi e-tron diese Ladeleistung linear halten zu können, muss der Kona ab rund 55 Prozent Ladestand abregeln. Für den üblichen Lade-Hub von zehn auf 80 Prozent benötigt der Kona 47 Minuten – das können andere Modelle inzwischen einfach besser. Für möglichst schnelles Vorankommen empfiehlt es sich im Kona, nur bis 50-60 Prozent zu laden und dafür häufiger die Ladesäule anzusteuern. Auf 80 Prozent zu laden lohnt sich kaum: Der Kona zeigt selbst an, dass der vergleichsweise kleine Bereich von 55 auf 80 Prozent satte 21 Minuten dauern soll. Und für den Bereich von 80 auf 100 Prozent veranschlagte der Bordcomputer in unserem Test weitere 48 Minuten.

Sprich: Wer viel auf der Autobahn unterwegs ist oder aus anderen Gründen primär auf DC-Lader angewiesen ist, muss entsprechend viel Zeit einplanen – oder direkt zu einem anderen Modell greifen. Wer zum Beispiel fast ausschließlich zuhause lädt und nur in seltenen Fällen an den DC-Lader rollt, muss auf die Ladekurve keinen Wert legen.

Ein Platzwunder ist der Kona Elektro nicht – auch wegen der Misch-Plattform

Ein weiterer Punkt, der kaufentscheidend sein kann, sind die Platzverhältnisse. Der Kona ist wie erwähnt nur 4,21 Meter lang, ein Raumwunder ist also ohnehin nicht zu erwarten. Da der Kona eine recht große Batterie unterbringen muss, sitzen Erwachsene auf der Rückbank nicht allzu bequem – der Boden ist hoch, der Kniewinkel entsprechend spitz. Der Kofferraum fasst nur 332 Liter, wobei der ADAC bis zur Unterkante der Kofferraumabdeckung sogar nur 225 Liter gemessen hat. Die Rücksitzlehnen lassen sich zwar umklappen, es ergibt sich aber keine ebene Ladefläche. Aber immerhin über 1.000 Liter Stauraum. Ein vergleichbar großes Fahrzeug auf einer reinen Elektro-Plattform könnte hier vielleicht etwas mehr rausholen.

Im Alltag könnten – je nach Nutzung – hingegen andere Faktoren stören. Einen Frunk unter der Fronthaube hat der Kona Elektro nicht. Das Ladekabel wird in einem Fach unter dem Kofferaumboden verstaut. Sobald etwas Gepäck im Kofferraum ist, wird der Zugang weiter erschwert. Und: Nach dem Aussteigen muss man erst nach hinten zum Kofferraum, um das Ladekabel dann an der Front des Autos einzustecken – die Ladebuchse ist immer noch vorne. Auch hier gilt: Es trifft nicht jeden. Wer eine eigene Wallbox mit fest angeschlagenem Kabel hat, muss das Fach unter dem Kofferraumboden nicht anrühren.

Der größte Dealbreaker könnte aber der Preis sein: Unser Testwagen stand mit der „Trend“-Ausstattung mit über 47.000 Euro in der Liste – mit dem „Prime“-Paket werden daraus schnell über 50.000 Euro. Davon kann zwar noch bis Jahresende der volle Umweltbonus abgezogen werden, dennoch ist der Kona Elektro damit kein Schnäppchen. Die eingangs erwähnten Zulassungszahlen zeigen auf der einen Seite, dass sich genügend Kunden finden, die diesen Preis (oder etwas weniger für andere Ausstattungen) zahlen, aber auf der anderen Seite auch, dass die Nachfrage hoch ist – und Hyundai keine extremen Rabatte gewähren muss.

Eine E-Routenplanung fehlt noch

Sollte sich Hyundai – wie jüngst die Schwestermarke Kia mit dem Niro – für eine Neuauflage des Kona entscheiden, gäbe es natürlich noch einige weitere Punkte, die man verbessern könnte. Neben der DC-Ladeleistung hätten wir hier zum Beispiel eine E-Routenplanung mit Ladestopps auf der Liste – für Vielfahrer sehr angenehm und für Elektroauto-Neulinge eine echte Hilfe. Alternativ ist bereits heute der Umweg über entsprechende Lade-Apps per Apple CarPlay oder Android Auto möglich. Wie beim neuen Niro EV wäre dann aber keine Vorkonditionierung der Batterie möglich – das geht bei den neuen Modellen von Hyundai-Kia nur bei der Routenführung per Hersteller-Navi.

Ein kleinerer Punkt: Bei Autobahn-Tempo wird es im Innenraum recht laut. Da der Kona ohnehin nicht als E-Langstreckenauto ausgelegt ist, hatte die Dämmung hier wohl keine hohe Priorität. Allerdings führen auch viele tägliche Pendelstrecken über die Autobahn – eine Nachbesserung an dieser Stelle würde also auch den Alltagskomfort erhöhen. Die Auswahl an Assistenzsystemen ist bereits heute sehr groß, das Fahrwerk ist angenehm gefedert und bietet ein sicheres Fahrgefühl – sportliche Ambitionen gibt es nicht. Eine Anhängerkupplung übrigens auch nicht.

Fazit

Bereits zum Basispreis von 36.400 Euro vor Umweltbonus ist der Kona ordentlich ausgestattet – 17-Zoll-Alufelgen, das digitale 10,25-Zoll-Display und zum Beispiel der Spurhalteassistent sind Serie. Die 64-kWh-Batterie kostet 6.500 Euro Aufpreis, was den Basispreis auf 42.900 Euro oder 33.330 Euro nach Abzug der Förderung bringt. Gemessen an Verbrauch und Reichweite ist der Kona damit auch vier Jahre nach seinem Marktstart zahlreichen Konkurrenzmodellen in dieser Preisklasse überlegen. Wenn es auf Faktoren wie das Schnellladen oder das Platzangebot geht, kann es je nach Anforderung anders aussehen. Aber klar ist: Verstecken muss sich der Kona Elektro auch 2022 noch nicht.

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