Österreich: „ENIN-Förderung ist Eintrittskarte in die Welt der Elektromobilität für schwere Nutzfahrzeuge“

Die Kunden von Tschann warten drauf, einen Antrag für ENIN, das Förderprogramm für Nutzfahrzeuge in Österreich, stellen zu können. Bis sich die Maßnahme in den Büchern des österreichischen Nutzfahrzeughändlers bemerkbar macht, wird es aber wohl noch etwas dauern. Im Interview spricht Geschäftsführer Enrico Simma über den Anlauf der Elektromobilität in Österreich.

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Österreich will in den kommenden Jahren den Anteil an emissionsfreien Nutzfahrzeugen auf den Straßen deutlich steigern. Voraussichtlich im August startet ENIN (Emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur), ein Programm, das Unternehmen bei der Flottenumstellung auf nicht-fossil betriebene Nutzfahrzeuge sowie bei der Errichtung der für diese Nutzfahrzeuge erforderlichen Lade- bzw. Betankungsinfrastruktur unterstützen soll.

Die Fördermaßnahme sieht Enrico Simma, Geschäftsführer des Österreichischen Nutzfahrzeughändlers Tschann, als eine „Eintrittskarte in die Welt der Elektromobilität für schwere Nutzfahrzeuge“. Die hohen Investitionskosten machten „einen kommerziellen Einsatz bislang unwirtschaftlich“, sagt er. Tschanns Kunden warteten nur darauf, den Antrag stellen zu können.

Infolgedessen und mit Blick auf das von ihm geführte Unternehmen erwartet Simma aber erst im ersten Quartal 2023 mit konkreten Bestellungen. Was Simma noch zum Anlauf der Elektromobilität für Nutzfahrzeuge in Österreich sagt, was er über die Lkw-Maut für emissionsfreie Nutzfahrzeuge in dem Land denkt und wie sich Tschann’s Zusammenarbeit mit dem Partner DAF ändern wird, lesen Sie im Interview.

Herr Simma, laut der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) war im Jahr 2020 der Anteil von Elektro-Pkw an den Neuzulassungen in Österreich auf 6,4 Prozent gestiegen, im Bestand lag der Anteil bei knapp einem Prozent. Bei den E-Nutzfahrzeugen der Klassen N1, N2 und N3 sah es für das Jahr deutlich schlechter aus: 1,8 Prozent bei den Neuzulassungen, 0,65 Prozent im Bestand. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Schwierigkeiten für den Anlauf der Elektromobilität, vor allem mit Blick auf Nutzfahrzeuge, in Österreich?

Die größte Hürde sind sicherlich die hohen Investitionskosten, die einen kommerziellen Einsatz bislang unwirtschaftlich machten. Dies ändert sich aber aktuell gerade, denn mit ENIN steht nun in Kürze auch in Österreich erstmals eine Förderung für schwere Nutzfahrzeuge der Klassen N2 und N3 zur Verfügung. Weiterhin gefördert werden auch Nutzfahrzeuge der Klasse N1.

Was wird bei Tschann bisher von Kunden nachgefragt? Welche technischen Merkmale halten Kunden noch ab? Ab welchen Werten würden sie kaufen?

Die Themen Reichweite und Ladeinfrastruktur sind hier sicher die bestimmenden Faktoren. Und natürlich die Förderbarkeit. Mit den aktuellen Modellen DAF CF Electric (Reichweite bis 220 km) und LF Electric (Reichweite bis zu 280 km) können wir Einsätze im regionalen Verteilerverkehr, im Werksverkehr und im Linienverkehr abdecken. Bei entsprechender Ladeinfrastruktur und Routenplanung sind Tagesreichweiten von bis zu 500 km darstellbar. Das Angebot richtet sich daher zunächst an Kunden, die in diesen Segmenten Verkehre anbieten. Es ist ein Beginn, denn nach und nach wird die öffentliche Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, die Reichweiten werden steigen und die Investitionskosten werden sinken.

Sie sprachen es bereits an. Ab August 2022 soll es in Österreich mit ENIN eine Förderung für Emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur geben. Wie wird sich das auf das Geschäft von Tschann auswirken? Was erwarten Sie und was erhoffen Sie sich?

Die kommende ENIN-Förderung ist die Eintrittskarte in die Welt der Elektromobilität für schwere Nutzfahrzeuge. Wir haben eine Reihe von Kunden mit ausgereiften Projekten, die nur darauf warten, den Förderantrag stellen zu können. Nach Förderzusage wird es dann auch die entsprechenden Aufträge geben. Aufgrund des Fristenlaufes rechnen wir im ersten Quartal 2023 mit konkreten Bestellungen.

Was muss die Politik in Österreich machen, damit künftig mehr elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge auf Österreichischen Straßen unterwegs sein werden?

Ähnlich wie in Deutschland muss der Ausbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur entlang der Hauptverkehrsachsen in Angriff genommen werden. Dazu muss natürlich auch die entsprechende Stromversorgung sichergestellt werden. Dazu braucht es den raschen Ausbau alternativer Energiequellen und kürzere Verfahren. Unverständlich ist auch, dass man bei Zero-Emission-Fahrzeugen nicht ganz auf die Lkw-Maut verzichtet. Derzeit gibt es dazu nur eine halbherzige Lösung. Das würde nicht viel kosten, aber ein klares Signal setzen. Schließlich muss es auch bei anderen Energieträgern, wie z.B. Wasserstoff, etwas weitergehen. Denn mit batterie-elektrischen Fahrzeugen (BEV) alleine, wird man immer nur einen Teil des Transports abdecken können.

Zusammen mit dem Errichtungs- und Betreibergesellschaft GROHAG haben Sie kürzlich einen 26 Tonnen schweren E-Lkw im Hochgebirge getestet. Wo sehen sie Optimierungsbedarf? Worauf sollten Unternehmen ihren Blick richten?

Der Test hatte den Zweck, die Skepsis mancher Kunden, dass BEV nicht für Gebirgsstraßen geeignet seien, zu widerlegen. Das ist voll und ganz gelungen. Die größte Erkenntnis war, dass zwar beim Bergauffahren erwartungsgemäß sehr hohe Energiemengen nötig sind, die die Reichweite zunächst überproportional schrumpfen lassen, dass aber beim Bergabfahren 55 Prozent der verbrauchten Energie wieder in die Batterie zurückgespeist wurden. Zudem werden die Bremsen geschont. In der Bilanz ergibt sich durch das Befahren von Bergstraßen nur ein geringer Reichweitenverlust. Die Praxistauglichkeit wurde damit nachgewiesen.

Laut Webseite bietet Tschann noch keine elektrisch betriebenen Nutzfahrzeuge an? Wird sich das bald ändern?

Ja, bislang wurden die Fahrzeuge direkt vom Hersteller DAF vertrieben. Wir übernehmen nun diese Aufgabe und starten mit dem Verkauf von Elektro-Lkw. Tschann übernimmt für seine DAF-Verkaufsgebiete in Bayern und Österreich den Vertrieb aller DAF-Elektro-Modelle, also aktuell LF Electric und CF Electric. Wir haben dabei den Vorteil, dass DAF die Fahrzeuge bereits seit Längerem in Serie produziert und Bestellungen sofort entgegen genommen werden können.

Welche Bedeutung hat Wasserstoff als alternativer Antriebsstoff für Sie? Wird sich Tschann in Zukunft auch damit auseinandersetzen?

Um den Güterverkehr CO2-neutral zu machen, braucht es sicher verschiedene Technologien. DAF entwickelt auch Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb, sowohl als Direktverbrenner als auch mit Brennstoffzelle. Wir gehen bei dieser Entwicklung natürlich mit und berücksichtigen in unserem Planungen die ganze Bandbreite alternativer Antriebsformen.

Herr Simma, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

2 Kommentare

zu „Österreich: „ENIN-Förderung ist Eintrittskarte in die Welt der Elektromobilität für schwere Nutzfahrzeuge““
Dirk
01.08.2022 um 10:43
Da muss sich Österreich aber mal mächtig ins Zeug legen, was Schnellladesäulen angeht. Im Moment scheinen die mir ca. 5 Jahre hinter Deutschland zu liegen.Standard sind 22kW AC-Lader auf jedem Dorfplatz, aber DC-Lader findet man nur spärlichst und alles >50kW sind Einhörner.Das ist insbesondere verwunderlich, da man doch gerne sauberere Luft hätte und alles tut, um den Verkehr entsprechend zu lenken (Blockabfertigung, Geschwindigkeitsbegrenzung)...aber die E-Mobilität schnarcht extrem.
Stefan
01.08.2022 um 16:52
Das ist eine sehr subjektive Sicht auf eine speziell von Ihnen ausgewählte Strecke. Es gibt eine Menge Lader > 50 kW. Wie in Deutschland aber eben nicht alle direkt an der Autobahn.Die Verkehrslenkung geht eher dahin, vom Auto/LKW auf die Schiene umzusteigen. Weniger Fahrzeuge bringt weniger Lärm.

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