Easee entkräftet Vorwürfe von schwedischer Behörde

Bild: Easee

Der norwegische Wallbox-Hersteller Easee hat auf die Vorwürfe der schwedischen Elsäkerhetsverket reagiert, die bei der Easee Home Sicherheitsmängel und fehlerhafte Deklarationen festgestellt hatte. Easee hat nun seine Begründungen und Unterlagen an die Behörde übermittelt – und mit electrive.net über das Antwortschreiben gesprochen.

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In Kurzform: Bei einem regulären Test von sechs Wallboxen unterschiedlicher Hersteller hatte die Elsäkerhetsverket, die Behörde für elektrische Sicherheit, auch die Easee Home untersucht. Dabei wurde bemängelt, dass kein FI-Schutzschalter (30mA AC/6mA DC) verbaut sei, obwohl das in der Gebrauchsanweisung angegeben ist. Zudem habe das Produkt bei der Überspannungsprüfung LLLN->CP versagt, „was einen schweren Mangel darstellt“. Zudem sei die EU-Deklaration des Produkts „mangelhaft“.

Das 16-seitige Antwortschreiben von Easee an die Behörde liegt electrive.net vor. Darin betont das Unternehmen, dass man „diesen Dialog begrüßt und der Arbeit der schwedischen Behörde für elektrische Sicherheit positiv gegenüber steht“. „Easee hat Unterlagen und Begründungen dafür vorgelegt, wie die Anforderungen in unseren Produkten erfüllt werden. Wir sind dankbar für die Möglichkeit, dies zu zeigen und zu verdeutlichen“, heißt es in der Erklärung.

Doch was ist mit den konkreten Vorwürfen?

Als ersten Punkt greift Easee die nicht bestandene Überspannungsprüfung auf, bei der mit 7.000 Volt zwischen den drei Phasen (L) und dem Nullleiter (N) zu dem „Control Pilot“-Pin (CP) am unteren Ende der Wallbox gemessen wurde – also dem Typ-2-Anschluss, in den der Kunde sein Ladekabel einsteckt. Hierzu schreibt Easee, dass diese Überspannungsprüfung gegen den CP-Pin bei keiner Spannung anwendbar sei.

Kann ein Finger den CP-Pin berühren oder nicht?

Denn in der EN 61851-1 Ch. 12.7.2, in der die Überspannungsprüfung geregelt wird, werde festgehalten, dass die Prüfspannung an spannungsführende Teile und freiliegende leitfähige Teile anzulegen sei – also alle Phasen (LLLN) und den PE, der als freiliegendes, leitfähiges Teil eingestuft werden. „Der CP-Stift in der Ausgangsbuchse steht weder unter Spannung noch ist er freiliegend. Die Öffnung hat einen Durchmesser von 3,5 Millimeter, die leitenden Teile sind 6,5 Millimeter tief verbaut“, erklärt Knut Arve Johnsen, Vice President Hardware bei Easee, im Gespräch mit electrive.net. „In der IEC 60529 wird geregelt, dass der ‚Test-Finger‘ einen Durchmesser von 12 Millimetern und eine Länge von 80 Millimetern hat. Damit kann man keine Teile in einer 3,5 Millimeter großen Öffnung berühren.“

Oder wie es Easee in dem Antwortschreiben an die Behörde sachlich ausdrückt: „Da der CP-Pin bei Easee Home/Charge nicht berührbar ist, ist der von Elsäkerhetsverket erwähnte Test nicht anwendbar.“

Zu dem angeblich nicht verbauten FI-Schalter ist die Antwort einfach und komplex zugleich: Laut Easee gibt es einen integrierten FI-Schutzschalter. Allerdings hat dieser „nicht die Form eines herkömmlichen, auf einer DIN-Schiene montierten Geräts. Tatsächlich ist er kein separates Gerät, sondern in die Gesamtkonstruktion des Ladegeräts integriert“, heißt es in dem Schreiben. Für einen integrierten FI habe sich Easee aus Sicherheitsgründen entschieden, da er so nicht vom Installateur übersehen oder von irgendjemand umgangen werden könnte.

Unterliegt ein integrierter FI-Schalter den gleichen Vorschriften wie ein traditioneller FI?

Das System arbeitet mit einem Sensor, den Easee aus Deutschland zukauft. Dieser soll Wechsel- und Gleichstromfehler erkennen und das Ereignis signalisieren. Eine spezielle Elektronik unterbricht dann sofort die Stromzufuhr zu allen Schaltgeräten und isoliert die Ausgangssteckdose. Der eigentliche Erkennungs- und Abschaltmechanismus enthält keine Software, sondern das Ereignis wird von einem Mikrocontroller beobachtet, der den Benutzer und Easee über den Vorfall informiert.

Der Punkt, auf den Easee hinweist: „Ein solcher integrierter FI-Schutzschalter ist in keiner Gerätenorm speziell definiert.“ Es gibt zwar Normen zu traditionellen FI-Schutzschaltern, wie sie in Sicherungskästen verbaut werden. „Ein traditioneller FI mit manuellem Schalter ist für einen Sicherungskasten gut geeignet. Im geschlossenen Gehäuse einer Wallbox, in dem ich gar nicht an den FI-Schalter herankomme, bietet ein manueller Schalter keinen Mehrwert, er ist nur eine potenzielle Fehlerquelle“, sagt Knut Arve Johnsen.

Für die FI-Schalter gibt es zwei unterschiedliche Normen, die ältere Typ-A-Norm EN 61008-1 und die neuere RDC-DD-Norm IEC 62955. Easee gibt an, die „grundlegenden Sicherheitsanforderungen“ zu beachten – etwa die Auslösestufen und Zeitlimits, aber auch die Isolierung. Aber: „Auf die beiden oben genannten RCD-Normen wurde in der Produktdokumentation Bezug genommen, obwohl sie in einigen Fällen entsprechend der Absicht der Norm und nicht der beschriebenen Lösung selbst angewandt wurden“. Dabei beruft sich Easee wiederum auf Anhang III der Niederspannungsrichtlinie (LVD). „Die Vorschriften für die CE-Kennzeichnung sollen den technologischen Fortschritt nicht einschränken, und so geben die Richtlinien und der Kern der Normen eher vor, was erreicht werden soll, als wie es erreicht werden kann“, schreibt das Unternehmen.

Ein Beispiel: Sowohl die EN 61008-1 als auch die IEC 62955 schreiben ein „test device“ für regelmäßige Prüfungen vor. Der Haken: Gemäß IEC 62955 soll diese Prüfeinrichtung „manuell oder eine automatisch ausgelöste Testfunktion“ sein, während EN 61008-1 nur besagt, dass sie „vorgesehen“ sein soll. Easee hat eine automatisch ausgelöste Testfunktion nach IEC 62955 verbaut, die den FI-Schalter zwischen jedem Ladevorgang oder mindestens alle 24 Stunden testet. „Die automatische Testfunktion in Easee Home/Charge lässt einen Fehlerstrom durch den FI-Sensor fließen, wie in EN 61008-1 Kap. 8.11 (Abbildung 7) beschrieben, und überprüft die korrekte Erkennung von AC- bzw. DC-Fehlern“, so das Unternehmen. „Mit dieser automatischen Methode stellt Easee sicher, dass der FI-Schutzschalter funktionstüchtig ist, bevor eine Aufladung zugelassen wird. Wenn ein fehlerhafter FI-Schutzschalter erkannt wird, lässt das Ladegerät keine Stromzufuhr zur Ausgangssteckdose oder zum Fahrzeug zu und warnt den Endbenutzer über die Easee-Mobil-App und mit einem roten Licht am Ladegerät selbst.“

Mit dieser automatischen Testfunktion sieht Easee die Normen als erfüllt an – auch wenn es keine physische Taste gibt, um den Test zu starten. Easee erwägt aber laut dem Schreiben, einen Software-Button in die „Easee Installer App“ zu integrieren, mit der Elektriker zu Testzwecken den Test manuell starten können. Der Endkunde soll damit aber nichts zu tun haben.

Easee will Bedienungsanleitung  und Details anpassen

Auch die von der Elsäkerhetsverket monierte Betriebsanleitung soll angepasst werden – so sollen konkret Fälle aufgelistet werden, in denen dennoch ein externer FI-Schalter nötig ist. Zum Beispiel, wenn andere elektrische Geräte außer der Ease Home in dem Schaltkreis verbaut sind, etwa eine Lampe oder eine Steckdose. Dann wird ein FI im Sicherungskasten benötigt. Dass eine solche Passage bisher nicht enthalten war, erklärt Easee mit der ohnehin nötigen Installation durch einen geschulten Elektriker – der wisse, wann ein separater FI-Schutzschalter nötig sei und wann der integrierte FI ausreiche.

Zudem wird es einige weitere Änderungen geben, von denen der Endkunde vermutlich aber wenig mitbekommt – diese Punkte betreffen die Declaration of Conformity (DoC). Hier hatte Easee bisher auf zwei Direktiven verwiesen, wobei die Elsäkerhetsverket bemängelt hatte, dass immer nur eine Direktive auf ein Produkt zutreffe. Den Vorschlag für eine neue Version hat Easee der Behörde nun vorgelegt. In die Produktanleitung soll eine Kurzform der DoC aufgenommen werden, die Langfassung sollen die Kunden auf Wunsch online finden können.

Bei dem ebenfalls bemängelten Herstellungsdatum, das der Behörde fehlte, geht es um eine Detail-Auslegung der Formulierung. Sowohl die EN 61851-1 als auch die EN 61439-1 fordern ein Mittel zur Identifizierung des Herstellungsdatums. Die Behörde wollte daher ein genaues Datum sehen. Easee ist der Meinung, dass anhand der aufgedruckten Seriennummer und Produktionsmonat und -jahr der Kunde den Produktionsmonat einsehen könne und Easee mit der Seriennummer das exakte Datum feststellen könnte – und so die Norm erfüllt sei. Bei der Sichtbarkeit der Markierungen wird Easee aber wohl einen der Sticker ändern oder anders anbringen.

Ob die Elsäkerhetsverket diese Erläuterungen so akzeptiert, wird sich in den kommenden Wochen zeigen: Die Behörde will noch im Februar ihren finalen Bericht zu den sechs getesteten Wallboxen vorlegen.

Update 22.02.2023: Die Diskussion um die Sicherheit und den Aufbau der Wallboxen des norwegischen Herstellers Easee geht in die nächste Runde: Nachdem das Unternehmen seine Sicht auf die zugrundeliegenden Normen und deren Anwendungen dargestellt hatte, meldet sich nun ein Vertreter des Internationalen Normierungskomitees IEC 61851 zu Wort – und wird zum Teil deutlich.
Quelle: Info per E-Mail

6 Kommentare

zu „Easee entkräftet Vorwürfe von schwedischer Behörde“
Daniel
15.02.2023 um 17:44
"Abschaltmechanismus enthält keine Software, sondern das Ereignis wird von einem Mikrocontroller beobachtet" - auf einem Mikrocontroller läuft Software. Was ist denn mit dem Satz gemeint?
Egon Kohler
16.02.2023 um 16:58
Naja, der Unterschied ist schon wesentlich: - der Abschalt-Mechanismus ist eine Hardware, die unabhängig vom Microcontroller funktioniert - der Microcontroller und seine Software beobachten und melden nur, das heisst auch wenn dieser nicht mehr funktioniert (/die Software abstürzt o.ä.) funktioniert die Abschaltung trotzdem, sie wird nur nicht mehr korrekt gemeldet Scheint mir sicherheitstechnisch korrekt und sinnvoll.
tobias
16.02.2023 um 10:33
Dass die Abschaltung selbst ohne Software oder Microcontroller funktioniert, der Microcontroller den Vorgang lediglich beobachtet, um den Benutzer zu informieren.
Maximilian Steinert
16.02.2023 um 20:18
Da wird schon ein Microcontroller was auswerten. Die Beschreibung hört sich nach einem DC-Fehlerstromsensor an.Ein Sensor erkennt DC Fehlerströme, diese werden von einem Microcontroller ausgewertet. Auf diesem Läuft keine Software sondern Firmware. Diese kümmert sich nur um die Fehlerüberwachung und um die Abschaltung im Fehlerfall. Ein Microcontroller kann auch nicht abstürzen oder sich aufhängen und ist hier als Teil einer Zertifizierten Abschalteinrichtung zu betrachten.Ich hoffe das war halbwegs verständlich.
Maximilian Steinert
16.02.2023 um 20:23
Achso, Arbeit ohne Abstürze setzt natürlich fehlerfreie Schnittstellen sowie eine hohe Störfestigkeit gegen externe Einflüsse vorraus.
GR
17.02.2023 um 14:10
Leider wird zum Thema Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) in der Ladeinfrastruktur oft einiges durcheinander geworfen, so auch hier. Die verbauten „Module“ sind weder eine RCD noch ein FI-Schutzschalter (RCCB). Die verbauten RDC-Module sollen das Ladegerät lediglich Schutzgeräte-kompatibel machen. Es wird verhindert, dass ein z. B. im Stromkreisverteiler verbauter Fehlerstromschutzschalter des Typs AC oder A (in Deutschland und den meisten EU-Ländern der Standard) durch einen DC-Fehlerstrom größer 6 mA erblinden und damit temporär seine Schutzfunktion verlieren könnte. Ein DC- Fehlerstrom kann durch die Ladetechnik im Fahrzeug generiert werden. Der FI-Schutzschalter ist pro Ladepunkt ohnehin gefordert und kann nicht durch das RDC-Modul ersetzt werden. Darum sind die Anforderungen an RDC-Module ganz andere als an RCD resp. RCCB. Die RDC-Norm lässt allerdings auch RDC-PD (Protection Device) zu. Diese Geräte entsprechen den FI-Schutzschaltern und schützen sich zusätzlich selbst vor Erblindung. In der Norm wird sogar auf die Prüfnormen für RCD verwiesen, während an die RDC-Module deutlich geringere Prüfanforderungen gestellt werden. Es soll ja auch der vorgelagerte FI-Schutzschalter die Arbeit machen und im Fehlerstromfalle für ein sicheres Trennen des Netzes sorgen. Das kann und darf (normativ) das RDC-Modul mit dem Ladeschütz in der Wallbox nicht leisten. Schließlich sei noch erwähnt, dass auf das RDC-Modul sogar verzichtet werden darf, wenn eine RCD des Typs B vor der Wallbox installiert wurde. In keinem Fall aber kann auf die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung verzichtet werden, nur weil ein RDC-Modul verbaut ist. Alleine das verdeutlicht, dass die RCD die eigentliche Schutzeinrichtung ist, nicht die RDC.

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