VW stellt Vorstand von Software-Tochter Cariad neu auf

Der Volkswagen-Konzern hat fast den kompletten Vorstand seiner mit Problemen kämpfenden Software-Tochter Cariad entlassen. Neuer Cariad-Chef wird Peter Bosch werden, aktuell Produktionsvorstand bei der Konzerntochter Bentley. VW hat damit mehrere Medienberichte bestätigt.

Bosch wird Dirk Hilgenberg ablösen, der seine Position genauso räumen muss wie Cariad-Technologiechefin Lynn Longo und Finanzvorstand Thomas Sedran. Das hatten unter anderem das „Manager Magazin“, der „Spiegel“ und das „Handelsblatt“ berichtet, bevor Volkswagen die Personalien am Nachmittag selbst per Mitteilung bestätigt hat.

Bosch wird zum 1. Juni 2023 CEO von Cariad und verantwortet in Personalunion auch die Bereiche Finanzen, Einkauf und IT – er übernimmt als eine Art „Super-Vorstand“ viele Aufgaben von Sedran und Longo. Nur Cariads Personalvorstand Rainer Zugehör bleibt.

„Peter Bosch ist der richtige CEO zur richtigen Zeit“, sagt VW-Konzern-CEO und Cariad-Aufsichtsratsvorsitzender Oliver Blume. „Er ist Stratege, Umsetzer und Teamplayer. Das hat er bei Bentley erfolgreich bewiesen. Er kennt den Volkswagen Konzern gut und hat zudem umfassende Change- und Beratungserfahrung“.

Zusätzlich soll der neue CEO künftig von zwei ausgewiesenen Software Experten im Vorstand unterstützt werden. „Die entsprechenden Personalien wird Cariad zeitnah umsetzen“, heißt es in der VW-Mitteilung. Dass man noch keine Namen nennen kann, dürfte auch an der Kurzfristigkeit der Bekanntgabe liegen: Nach Informationen der „Automobilwoche“ sollte der Wechsel erst am Donnerstag, also nach der VW-Hauptversammlung am Mittwoch, verkündet werden. Aufgrund der Medienberichte sei eine kurzfristige Sitzung des Aufsichtsrats angesetzt worden.

Die Aufgabe von Bosch an der Cariad-Spitze ist klar: Er soll die stockende Software-Entwicklung ans Laufen bringen und die Modellanläufe nicht verzögern. Blume betont, dass sich Carian „weiter für Partnerschaften öffnen“ werde. Laut den Medienberichten ist eine Entscheidung bereits getroffen, die in der VW-Mitteilung aber nicht bestätigt wird: Beim autonomen Fahren soll der Konzern künftig mit Mobileye zusammenarbeiten. Welche Teile genau Cariad von Mobileye übernimmt und was noch selbst entwickelt wird, ist noch nicht bekannt.

Eine eigene Strategie für Cariad wird Bosch aber wohl nicht erarbeiten müssen, denn unter Blume wurde die strategische Neuausrichtung der lange Zeit problematischen Software-Tochter bereits erarbeitet. Laut Konzerninsidern war Bosch aber bereits an der Neuaufstellung beteiligt, er soll als neuer CEO diese Veränderungsprozesse abschließen. An der grundsätzlichen Entscheidung von Herbert Diess, die Software-Entwicklung zu bündeln und eigenständig aufzustellen, wollen Blume und Bosch aber nicht rütteln.

Neben den neuen Vorstands-Personalien ist auch eine Neuordnung der Arbeitsabläufe geplant. Neben der schnelleren Software-Entwicklung muss Cariad aber auch sparen: In diesem Jahr sollen die Kosten um einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ sinken, so das „Handelsblatt“. Hierzu soll es ein „erfahrenes Transformation Board“ geben, so VW. Darin sollen „ausgewählte Cariad-Führungskräfte zu einer schlagfertigen Mannschaft für die Ausgestaltung der Neuaufstellung“ vereint werden.

Verzögerungen in der Softwareentwicklung hatten zu Verzögerungen bei den E-Modellen Porsche Macan und dem Audi Q6 e-tron und letztlich auch zur Entlassung von Herbert Diess geführt. Unter dessen Nachfolger Oliver Blume wurden einige Software-Anläufe bereits entzerrt, weshalb die künftige Modellplanung weiter angepasst werden musste. Dass aber wie beim Macan und Q6 e-tron Hardware-seitig fertig entwickelte Autos ohne passende Software nicht auf den Markt gebracht werden können oder sich Probleme wie beim ID.3-Anlauf wiederholen, soll so aber frühzeitig ausgeschlossen werden.

Bereits am Wochenende hatte ein VW-Sprecher angegeben, dass man die „die Situation der Cariad und der Projekte sehr genau“ analysiere. In diesem Zuge seien bereits Entscheidungen getroffen worden. Beispielsweise seien Softwarearchitekturen zeitlich geordnet worden. Damit dürfte unter anderem die Einheitssoftware 2.0 gemeint sein, die frühren Plänen zufolge 2026 im VW-Flaggschiff Trinity debütieren und autonomes Fahren nach Level 4 ermöglichen sollte. Da zunächst aber die Software 1.2 für die in naher Zukunft anstehenden (Elektro-)Modelle zur Serienreife gebracht werden muss, wurde die 2.0-Software um zwei Jahre verschoben.

Die Zukunft von Hilgenberg, Longo und Sedran ist übrigens noch unklar. „Wir danken dem Team um Dirk Hilgenberg für seinen leidenschaftlichen Einsatz und den geleisteten Fortschritt. Wir sind bereits mit ihnen über mögliche neue Aufgaben innerhalb des Volkswagen Konzerns im Gespräch“, sagt Blume.
manager-magazin.de (Paywall), handelsblatt.com, spiegel.de, volkswagen-newsroom.com

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