
Ford Explorer im Test: Was der Hoffnungsträger bietet
Keine Frage, es gibt einen einfacheren Start. Doch Ford hat sich vor einigen Jahren entschieden, für das Werk in Köln „all in“ zu gehen. Die Produktion des Verbrenner-Fiestas, einem echten Volumenmodell, ist ausgelaufen. Stattdessen werden mit dem Explorer und dem zugehörigen SUV-Coupé Capri nur noch Elektroautos an dem traditionsreichen Standort direkt am Rhein gebaut. Allerdings hat Ford dafür die MEB-Plattform von Volkswagen eingekauft und sich gegen eine Eigenentwicklung entschieden.
Das muss – rein technisch gesehen – nicht schlecht sein, denn der MEB hat sich nach anfänglichen Start-Schwierigkeiten gut entwickelt. Die Software läuft inzwischen passabel und ist bei den EV-Funktionen (später dazu mehr) sogar eine der besseren am Markt. Und mit der APP550 gibt es eine starke und zugleich sehr effiziente Antriebseinheit.
Für den Test hat Ford den Explorer mit Heckantrieb und der großen Batterie gestellt, die Verkaufsbezeichnung hierfür ist „Extended Range“. In der „Standard Range“-Version muss der Explorer mit einem 52-kWh-Akku auskommen, bei der „Extended Range“ ist es in Kombination mit dem Heckantrieb der bekannte 77-kWh-Akku von VW, beim Allradler wird der 79-kWh-Akku verbaut. Die Akkupacks bezieht Ford derzeit noch aus der Skoda-Montage in Mlada Boleslav, bis auch in Köln die eigene Batterie-Montage steht. Dann werden die Akku-Packs dort selbst montiert – aber weiterhin mit der VW-Technologie.
Viele VW-Teile, aber sauber integriert
Wer im Explorer Platz nimmt und zuvor schon ein MEB-Elektroauto gefahren ist, wird sofort die VW-Bauteile erkennen. Das Fahrer-Display hinter dem Lenkrad stammt 1:1 von den Wolfsburgern, auch den kleinen Einstellhebel für die Außenspiegel in der Fahrertüre und die Fensterheber (nur zwei physische Tasten, die zwischen vorne und hinten hin- und hergeschaltet werden) sind aus VW-Modellen bekannt. Das gilt auch für die Touch-Flächen am Lenkrad, die zwar passend zum Ford-Design gezeichnet sind, in ihrer Funktion aber den VW-Lenkrädern gleichen – für etwas anderes als die Touch-Flächen ist der MEB-Kabelbaum nicht vorbereitet, den Ford-Leuten waren hier also die Hände gebunden. Mit ihren schwarzen Hochglanz-Oberflächen ziehen sie Fingerabdrücke regelrecht an. Aber: Kennt man die MEB-Modelle nicht, fällt der Mix aus VW- und Ford-Teilen nicht auf, die Integration ist gelungen.
Auch beim Fahren wird die Verwandtschaft deutlich: Zwar hat Ford mit einer Karosserielänge von 4,47 Metern ein Format gewählt, das den Explorer zwischen dem ID.3 (4,27 Metern) und ID.4 (4,58 Metern) platziert, die Basics wie der Radstand sind aber gleich – 2,77 Meter misst der Explorer zwischen den Achsen. Die Ford-Techniker haben aber die Aufhängung und Dämpfer angepasst und dem Explorer etwas mehr Dynamik verpasst. Da aber auch hier aufgrund der gleichen Plattform vieles an der Technik vorgegeben ist (etwa die Anlenkpunkte), fallen die Unterschiede eher gering aus. Wohl geringer, als von so manchem Ford-Fan erhofft, denn Fiesta und Focus haben sich in der Vergangenheit stets durch ein etwas engagierteres Fahrverhalten von Polo und Golf abgehoben. Damals gab es aber eben noch unterschiedliche Plattformen, die von Anfang an auf das gewünschte Fahrverhalten hin ausgelegt werden konnten.










Ein Vorteil des Explorers: Da er bei gleichem Radstand über zehn Zentimeter kürzer ist als ein ID.4, fällt der Explorer sehr agil aus und kann dank der kurzen Überhänge sehr einfach geparkt werden. Dazu trägt auch der sehr kleine Wendekreis bei – es gibt vorne keinen großen Verbrennungsmotor mehr, die Räder haben also mehr Platz für einen größeren Lenkwinkel.
Beim Elektroantrieb fallen die Unterschiede noch geringer aus – was mit der effizienten APP550 nicht schlecht sein muss. In unserem Test haben sich die Verbräuche zwischen 15,5 und etwa 23 kWh /100km bewegt, trotz teilweise noch einstelliger Temperaturen. Mit seiner bulligen und fast senkrechten Frontpartie und dem recht steil abfallenden Heck ist der Explorer aerodynamisch sicher nicht ideal – die Autobahn-Verbräuche blieben mit 20 bis 23 kWh/100km aber dennoch im Rahmen. Das entspricht bei 77 kWh nutzbarem Energiegehalt der Batterie zwischen 335 und 385 Kilometer realer Reichweite. Und mit den 15,5 kWh/100km, die wir auf der Landstraße erzielt haben, sind es sogar reale 500 Kilometer. Aber: Wie bei VW gibt es auch im Ford kein echtes One-Pedal-Driving, selbst die Fahrstufe „B“ belässt es bei einer relativ schlappen Rekuperation.
Beim DC-Laden sind mit diesem Akku maximal 135 kW Ladeleistung möglich. Ja, wir haben auch schon VW-Modelle erlebt, die mit dieser Werksangabe dennoch im Peak mit etwas höherer Leistung geladen haben, nicht aber der Explorer: Hier wurde mit maximal 137 kW in der Anzeige die Werksangabe quasi eingehalten. Dafür haben wir aber selbst bei einstelligen Plus-Graden die Werksangabe bei der Ladedauer von 28 Minuten für zehn bis 80 Prozent exakt erreicht – der gesamte Ladevorgang von sechs auf 80 Prozent hat genau 30 Minuten gedauert.
Damit steht der Explorer im Wettbewerb im soliden Mittelfeld. Wie unsere Grafik zeigt, bewegt sich der Kia EV3 mit dem 81,4-kWh-Akku in etwa auf demselben Niveau. Der 79-kWh-Akku von VW, der mit 185 kW in der Spitze geladen werden kann, hat hingegen deutliche Vorteile bis recht genau 60 Prozent Ladestand, danach ist die Ladekurve in etwa gleich. Der Zeitunterschied im Bereich von zehn auf 80 Prozent liegt bei drei bis vier Minuten. Auf einem ganz anderen Niveau bewegen sich hingegen die 800-Volt-Stromer von Hyundai-Kia, wie etwa der kürzlich von uns getestete Kia EV6 oder der zum Explorer grob vergleichbare Hyundai Ioniq 5. Hier dauert es nur 18 Minuten, bis der Akku wieder 80 Prozent hat.
Dafür bietet der Explorer (mit der aktuellen MEB-Software) zahlreiche Einstellmöglichkeiten rund um den Ladevorgang. So kann in den Lade-Einstellungen etwa der „Battery Care Mode“ zur Vermeidung hoher Ladestände (temperaturabhängig) aktiviert oder Details zum E-Routenplaner festgelegt werden. Der Vollständigkeit halber: In diesem Menü befinden sich auch die Einstellungen zum bidirektionalen Laden, das der Ford analog zu den VW-Modellen mit dieser Batterie unterstützt. Das setzt aber eine DC-Wallbox und ein entsprechendes Heimkraftwerk voraus. Unser Testwagen hat noch 4.000 von 4.000 Stunden bzw. 10.000 von 10.000 kWh angezeigt – das bidirektionale Laden wurde also bei diesem Fahrzeug noch nie genutzt.
Interessanter sind ohnehin die Einstellungen zum E-Routenplaner: Dort kann über zwei Slider sehr einfach festgelegt werden, mit welcher Rest-Reichweite man am Ziel (10 bis 100 Kilometer) oder am Ladestopp (0 bis 60 Kilometer) ankommen will. Bei den Ladestationen kann man leider nur zwischen allen verfügbaren Ladestationen und jenen aus dem Ford BlueOval Charge Network filtern. Vorbildlich ist hingegen die mit nur zwei Klicks erreichbare Möglichkeit, die Batterie nicht nur automatisch bei aktiver Zielführung, sondern eben auch manuell vorzukonditionieren. Und: Wie auch die VW-Modelle zeigt der Explorer hier ganz transparent an, welche DC-Ladeleistung mit der aktuellen Batterie-Temperatur möglich ist, was beim aktuellen Ladestand mit optimaler Batterie-Temperatur möglich wäre und wie lange es dauert, um die Batterie in den optimalen Bereich zu bringen.
So kann der Fahrer selbst gut abschätzen, wann er das System aktivieren muss, wenn er etwa lieber über Apps aus Apple CarPlay oder Android Auto navigiert. Oder es wird transparent angezeigt, wie schnell das Auto laden wird, wenn die Anfahrt zum Schnelllader zum Beispiel nur zehn Minuten beträgt. Bei anderen E-Autos ist es teilweise eine Lotterie, wie schnell das Auto zum Start tatsächlich lädt oder wann man manuell die Vorkonditionierung aktivieren sollte. Das macht Ford/VW hier sehr gut!
Viele Ablagen im Innenraum
Bedient werden all diese Menüs übrigens über den 14,6 Zoll großen Hochformat-Touchscreen in der Mitte – das Fahrer-Display hinter dem Lenkrad ist nur für die rudimentären Anzeigen zum Fahren, für Assistenzsysteme oder Verbrauchsdaten gedacht. Das Ford-eigene SYNC-System läuft stabil und flüssig, die App-Icons sind für die Touch-Bedienung ausreichend groß designt. Die viel kritisierten Touch-Slider für die Temperatur-Einstellung aus den MEB-VW-Modellen hat Ford zum Glück nicht übernommen. Dafür haben sich die Kölner für eine reine Touchscreen-Bedienung der Klimaanlage entschieden, was am unteren Rand des Hochformat-Displays auch nicht ideal ist.
Als Besonderheit kann der Touchscreen aber in seiner Neigung verstellt werden – mal etwas schräger, wobei sich das Display dann recht gut in die Linienführung des Cockpits einfügt. Oder beinahe senkrecht, dann ragt das obere Ende des Touchscreens Tablet-artig über die Oberkante des Armaturenbretts hinaus. So erhält man aber Zugang zu einem versteckten Ablagefach hinter dem Display, das sonst komplett verborgen bleibt. Allgemein mangelt es an Ablagen nicht, unter der Mittelkonsole ist ein großes, offenes Fach und in der Mittelkonsole ist die 17 Liter große „Mega Console“ integriert. Dort sollen zum Beispiel drei 1,5-Liter-Flaschen ohne Probleme verstaut werden können – oder ein 15-Zoll-Notebook. Ford hat auch Vorlagen für 3D-Drucker veröffentlicht, mit denen sich die Ablage weiter individualisieren lassen kann.















Der Kofferraum fasst ordentliche 450 Liter und ist an sich mit der ebenen Ladefläche gut nutzbar. Allerdings gibt es (wie bei VW) keinen Frunk, das Ladekabel wird also in einem Fach unter dem Kofferraumboden verstaut. Das ist nicht optimal, wenn der Kofferraum teilweise ausgeladen werden muss, um an das Staufach zu kommen. Und ein Ladekabel, das in jeder Kurve durch den Kofferraum fliegt, ist auch nicht im Sinne des Erfinders. Unser Testwagen war zudem noch mit der teilelektrisch ausklappbaren Anhängerkupplung ausgestattet, die im Falle des Hecktrieblers aber nur auf eine maximale Anhängelast von 1.000 Kilogramm kommt. Auch hier bietet der Ford also MEB-Standard, nicht mehr.
Und genau das führt zu einem der größten Probleme des Ford Explorers (und vermutlich auch des Capri, selbst wenn wir diesen nicht getestet haben): Es ist halt ein weiteres MEB-SUV, mit allen Vor- und Nachteilen. Die wichtige Antriebs- und Ladetechnik ist grundsolide, aber eben bei der Masse an MEB-Fahrzeugen vom Skoda Elroq über den ID.4 bis zum Audi Q4 e-tron mit Premium-Anspruch eher austauschbar. Es bleiben also Faktoren wie das Design und der Innenraum, um sich von der Vielzahl anderer Modelle abzuheben.
Der Testwagen kostet über 57.000 Euro
Und diese Unterschiede sind am Ende eben doch recht gering, um den Preis zu rechtfertigen. Zwar hat Ford die Preise für den Explorer inzwischen etwas gesenkt, für die Motorisierung unseres Testwagens werden in der „Select“-Ausstattung aber immer noch 48.900 Euro fällig – statt zuvor 49.500 Euro. Die „Premium“-Ausstattung (wie eben unser Testwagen) startet bei 52.900 Euro, mit etwas Sonderausstattung werden so schnell 57.000 Euro Fahrzeugpreis daraus.
Und für diesen Preis bekommt man eben schon deutlich größere Autos oder welche mit herausragenden Merkmalen wie etwa den 800-Volt-Stromer Kia EV6. Der von der Außenlänge gut mit dem Explorer vergleichbare Skoda Elroq 85 startet hingegen schon bei 43.900 Euro. Ausstattungsbereinigt fällt die Differenz zwar geringer aus als die 5.000 Euro beim Listenpreis, dennoch bleibt der Ford tendenziell teurer. Und auch mit dem 52-kWh-Akku unterbietet der Elroq 50 für 33.900 Euro den Explorer Standard Range (ab 39.900 Euro) deutlich.
Dabei gehörte es jahrelang zum Markenkern der Kölner, nicht nur die etwas fahraktiveren Autos zu bauen als der VW-Konzern, sondern die Wolfsburger auch beim Preis etwas zu unterbieten, aber mindestens auf Skoda-Niveau zu liegen. Schicke, dynamische Autos für wenig Geld also. Mit dem Explorer springt Ford aber in die 50.000-Euro-Preisklasse, ohne sich ausreichend abzuheben. Bei Audi hat die Höher-Positionierung der Marke Jahrzehnte gedauert. Bei Kia ging es deutlich schneller, sich mit den Elektroautos auch im 50.000-Euro-Segment zu etablieren. Allerdings haben die Koreaner das eben auch mit Features verbunden, die viele Konkurrenten bis heute nicht bieten – und konnten so den Preis ein Stück weit rechtfertigen.
Fazit
Der Explorer ist ein grundsolides und sauber entwickeltes Elektroauto. Aus der Basis, die VW zuliefert, haben die Kölner ein Auto gemacht, das den entsprechenden Volkswagen-Modellen in nichts nachsteht. Nur: Nennenswert abheben kann sich der Ford auch nicht. Betrachtet man rein das Produkt, reiht er sich ohne Weiteres in die MEB-Modellpalette ein.
Es ist natürlich nicht bekannt, was Ford pro Fahrzeug an VW zahlt und zu welchen Kosten VW die Komponenten selbst produzieren kann. Die (bereits leicht gesenkten) Listenpreise deuten darauf hin, dass Ford mit der Mischung aus Einkauf und eigener Produktion nicht günstiger kalkulieren kann. Und das ist ein Problem für Ford und für die Kölner Beschäftigten.
Sollte man den Explorer zu einem guten Angebot erhalten können, kann man ohne große Bedenken zuschlagen – es ist und bleibt ein ordentliches Auto. Gibt es jedoch keinen Nachlass, spricht nüchtern betrachtet leider wenig für den Ford. Vergleichbare MEB-Modelle gibt es oft günstiger, die VW- und Skoda-Händlernetze sind größer. Kauft man einen Explorer mit Rabatt, ist das zwar vielleicht gut für die Auslastung im Kölner Werk. Ob sich das Fahrzeug dann aber noch betriebswirtschaftlich rechnet, steht auf einem anderen Blatt Papier.
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