Volvo FH Aero Electric: Fernstrecken-Lkw mit 780-kWh-Akku kommt 2026
Volvo Trucks lüftet den Vorhang zu seinem neuen E-Lkw für den Fernverkehr ein weiteres Stückchen. So geben die Schweden nun an, dass der neue Elektro-Truck ein maximales Gesamtgewicht von 48 Tonnen (wo erlaubt) erreichen kann und eine Nutzlast aufweisen wird, „die der eines herkömmlichen Diesel-Lkw nahe kommt“. Getauft wird das neue Flaggschiff im strombetriebenen Sortiment der Schweden auf den Namen FH Aero Electric. Vollständig enthüllt werden soll er im zweiten Quartal 2026. Zu diesem Zeitpunkt will Volvo Trucks auch die Bestellbücher öffnen. Absichtserklärungen zum Kauf des speziell für den Fernverkehr entwickelten Modells sind aber auch jetzt schon möglich.
Damit ist klar, dass Volvo Trucks seinen zuvor publik gemachten Zeitplan nicht ganz einhalten kann. Im September 2024 kündigte das Unternehmen die neue Langstrecken-Version des FH Electric noch für 2025 an, Schwesterfirma Renault Trucks wollte seinerseits 2026 einen Ableger launchen. Nun ist jedenfalls bei Volvo die Roadmap um mindestens ein halbes Jahr nach hinten gerutscht.
Acht statt sechs Batteriepakete
Auf technischer Ebene wird mit dem FH Aero Electric eine neue E-Achse eingeführt, die sämtliche Elemente des Antriebsstrangs einschließlich Elektromotoren und Getriebe am Heck des Fahrzeugs bündelt. Dadurch schaffen die Ingenieure von Volvo Trucks zusätzlichen Raum zwischen den Längsträgern für weitere Batteriepacks. Der Fernstrecken-Lkw kann dadurch bis zu acht Batterien (statt 6 im aktuellen FH Electric) beherbergen, was das Fahrzeug auf eine installierte Batteriekapazität von 780 kWh brutto bringt – so viel wie in noch keinem anderen erhältlichen oder angekündigten Serien-Lkw. Wie viel davon nutzbar ist, bleibt allerdings unklar.
Volvo Trucks macht an dieser Stelle keine weiteren Präzisierungen. Es lässt sich aber einfach errechnen, dass ein Batteriepack (unter der Annahme gleich großer Packs) dann 97,5 kWh aufweist. Bisher werden bei Volvo Trucks bis zu sechs NCA-Batterien mit 90 kWh verbaut, was eine Maximalkonfiguration von 540 kWh erlaubt. Ob die Entwickler die NCA-Zellchemie beibehalten und weiterentwickelt haben oder andere Zellen bzw. Zellchemien verwendet werden, ist nicht bekannt. Der hohe Brutto-Energiegehalt von 780 kWh könnte aber dafür sprechen, dass es sich weiter um eine ternäre Batteriechemie handelt, bei der Brutto- und Nettowert stärker auseinanderklaffen als bei der LFP-Chemie (der Mercedes-Benz eActros hat etwa drei LFP-Batteriepacks mit insgesamt 621 kWh Bruttokapazität an Bord, bei der rund 600 kWh nutzbar sind).




Doch kommen wir zurück zu den offiziell bestätigten Eckpunkten: Geladen werden können die Batterien des FH Aero Electric nach Herstellerangaben künftig in etwa 40 Minuten von 20 auf 80 Prozent. Diese beschleunigte Ladeleistung sei „dank der Anpassung an den neuen MCS-Standard (Megawatt Charging System)“ gelungen, teilt Volvo Trucks mit, ohne hier ins Detail zu gehen. Die 40-minütige Ladezeit bedeute, „dass es innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit für Lkw-Fahrende in der EU erfolgen kann und somit zu einer hohen Produktivität beiträgt. Mit dieser Schnellladung wird der Lkw einen echten elektrischen Fernverkehr innerhalb eines Tages ermöglichen.“ Wie schnell der Neue per CCS laden kann, erwähnt Volvo zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Das wäre jedoch interessant, denn CCS-Lader dürften bis auf Weiteres der am weitesten verbreitete Steckertypus bleiben.
Dafür wiederholen die Schweden für den neuen E-Lkw eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Hier ist das Wording wichtig: Während Volvo Trucks nämlich durch das „bis zu“ eine optimistischen Wert nennt, der dann in der Praxis bei widrigen Bedingungen unterschritten werden dürfte, führen andere Hersteller konservative Reichweitenwerte auf. Das erschwert den Vergleich. Daimler Truck gibt für den eActros 600 beispielsweise 500 Kilometer Reichweite an – will diese Distanz aber quasi als konservativ gerechnete Mindestreichweite verstanden wissen. Wie effizient die XXL-Stromer dann wirklich auf der Straße sind, wird im Detail wohl erst der Alltagseinsatz zeigen.
Windschnittiges Design und zusätzliche Nachlaufachse
Klar ist: Neben einem besonders aerodynamischen Fahrerhaus, das der Hersteller nicht für den Strom-Truck, sondern auch für die anderen Antriebsarten anbietet, wird der neue Elektro-Lkw alternativ auch mit einem Standard-Fahrerhaus aus dem Volvo-Sortiment vorfahren. Auf den ersten nun von Volvo Trucks veröffentlichten Bildern ist der FM Aero Electric mit der windschnittigen Kabine zu sehen. Die Front ist in diesem Fall bis auf einige Lufteinlässe und eine horizontale Einkerbung zur Umleitung der Luft fast geschlossen, das Fahrerhaus wirkt glatt verkleidet und wartet mit einem Kamerasystem anstelle der Außenspiegel auf. Auch die Flanken haben unten eine Seitenverkleidung erhalten. Außerdem ist eine zusätzliche Nachlaufachse zu sehen, zu der Volvo präzisiert, dass diese lift- und lenkbar ist und dass sie „diesel-ähnliche“ Nutzlastkapazität ermögliche. Und: Die 6×2-Achsenkonfiguration soll auch Vorteile bei der Gewichtsverteilung bieten, „wenn man das Gewicht der zusätzlichen Batterien in Kombination mit schweren Anhängern berücksichtigt“, heißt es weiter.
Roger Alm, President Volvo Trucks, bezeichnet den Neuen im Sortiment als „echten Durchbruch“ im emissionsfreien Verkehr. „Jetzt können Transportunternehmen wirklich lange Strecken mit Elektro-Lkw zurücklegen, ohne Kompromisse bei der Produktivität eingehen zu müssen. Die superschnelle Aufladung und die hohe Nutzlast machen dies zu einer sehr wettbewerbsfähigen Lösung.“ Elektro-Lkw im Fernverkehr werden in Alms Augen einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung in der Branche leisten, „denn hier kann man pro Lkw am meisten sparen“. Das seien positive Nachrichten für Transportunternehmen und für die Gesellschaft.
Gut 4.900 Elektro-Lkw weltweit verkauft
Volvo Trucks bietet zurzeit schon acht Batterie-betriebene Modelle an, die den städtischen und regionalen Verkehr, das Baugewerbe und die Abfallwirtschaft abdecken. Als weiterer Use Case kommt also 2026 der Fernverkehr hinzu. Seit Beginn der Serienproduktion im Jahr 2019 hat Volvo eigenen Angaben zufolge inzwischen gut 4.900 Elektro-Lkw an Kunden in 49 Ländern ausgeliefert.
Da der FH Aero Electric als Weiterentwicklung des FH Electric gilt, abschließend noch ein paar Worte zu letzterem: Der aktuelle FH Electric ist einer von drei schweren E-Lkw-Modellen, die Volvo seit 2022 verkauft und in Serie baut. Das Modell positioniert das Unternehmen zurzeit im Bereich regionale und überregionale Transporte, daneben gibt es noch den FM Electric (für regionale, schwere Transporte) und den FMX Electric für Bautransporte. Alle drei Baureihen verfügen über einen Antrieb, der drei Elektromotoren mit dem I-Shift-Getriebe von Volvo Trucks kombiniert. Die Spitzenleistung liegt bei 490 kW, die durchgehende Leistung bei 315 kW. Die sechs Batterien kommen auf einem kombinierten Energiegehalt von 540 kWh, was aktuell rund 300 Kilometer Reichweite ermöglicht.
volvotrucks.de
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