Gibt es zu viele Ladestationen in Deutschland, Sören Ziems?

Die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ist ein Dauerbrenner in der öffentlichen Diskussion. Reicht sie aus? Gibt es zu wenig Schnelllader? Muss man auf Reisen lange warten? Viele dieser Fragen basieren mehr auf subjektiven Eindrücken oder Lobby-Geflüster als auf harten Zahlen. Doch was sagen die Daten? Sören Ziems von elvah hat exklusiv für diesen Podcast die Ladedaten des ersten Quartals 2025 ausgewertet – mit überraschend beruhigenden Ergebnissen.

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Der VDA fordert „positive Kommunikation“ zur Elektromobilität. Kein Problem, liefern wir gern: „Es braucht sich niemand Sorgen machen, unterwegs zu sein und nicht laden zu können oder lange warten zu müssen.“ Das sagt Sören Ziems, einer der Gründer und Geschäftsführer von elvah. Er hat – exklusiv für diese Ausgabe von „eMobility Insights“ – die Ladedaten des ersten Quartals 2025 ausgewertet. Sozusagen als kleine Vorschau auf den nächsten großen Lademarkt-Report.

elvah kennt das deutsche Ladenetz wie seine Westentasche. Oder zumindest die Daten der Backends, auf denen die Ladesäulen laufen. Sören Ziems verrät bei „eMobility Insights“ vorab die neuesten Werte zur Auslastung deutscher HPC-Ladeparks und AC-Stromspender. Hier sind die wichtigsten Infos schriftlich:


1. Auslastung: Zwischen subjektivem Eindruck und realer Nutzung

Laut den Daten von elvah liegt die durchschnittliche Auslastung bei Schnellladesäulen (HPC) bei etwa acht Prozent, bei Normalladern (AC) bei rund zwölf Prozent. Diese Werte wirken zunächst niedrig, was Fragen aufwirft: Gibt es zu viele Ladesäulen? Oder wird das System ineffizient genutzt?

Wichtig ist hier die Differenzierung: Während manche Stationen tageweise kaum frequentiert sind, gibt es Ballungszentren wie Hamburg oder Berlin, in denen die Belegung von AC-Ladesäulen erheblich höher ist – nicht zuletzt, weil diese auch als Parkplätze genutzt werden. Durchschnittswerte sind daher nicht immer aussagekräftig, wenn man nicht auch die lokalen Unterschiede berücksichtigt.

2. Realität versus Angst: Wie oft muss man wirklich warten?

Ein häufiger Kritikpunkt gegenüber der E-Mobilität ist die angeblich häufige Wartezeit an Schnellladestationen. Die Realität sieht jedoch entspannter aus. Im gesamten ersten Quartal 2025 kam es deutschlandweit nur 127 Mal zu einer Belegungssituation über 50 Prozent an einem Standort – bei insgesamt mehr als 5.000 HPC-Standorten in Summe. Diese 127 Situationen verteilten sich auf gerade einmal 50 Standorte – das entspricht etwa 0,025 Prozent aller Ladevorgänge.

Statistisch, das macht Sören Ziems klar, dauert es also zehn Jahre, um einmal auf einen vollen Ladepark zu treffen und entsprechend warten zu müssen.

3. Hotspots und typische Ladezeiten

Natürlich gibt es Ausnahmen: Bestimmte Tage und Orte zeigen höhere Auslastungen. So traten fast 50 Prozent der Spitzenauslastungen an Samstagen auf – besonders im Reiseverkehr. Ein prominentes Beispiel ist die Raststätte Forst zwischen Karlsruhe und Heidelberg, die gleich 18 Tage mit Überlastung verzeichnete. Es handelt sich dort um den am stärksten frequentierte Autobahn-Ladepunkt Deutschlands.

Auch innerstädtisch gibt es hochfrequentierte Punkte, etwa in Stuttgart bei einem lokalen Energieversorger oder in Berlin am Ku’damm. Dennoch: Diese Hotspots sind die Ausnahme, nicht die Regel.

4. Ladeverhalten im Wochenverlauf

Ein Blick auf die Wochentage zeigt spannende Muster:

Freitag und Samstag: höchste Auslastung bei HPC, bedingt durch Reiseverkehr
Sonntag: weiterhin stark bei AC-Laden, vor allem in Städten
Dienstag und Mittwoch: schwächste Nutzungstage
Montag: starker Tag für Flotten- und Geschäftsfahrzeuge

Diese Rhythmen zeigen: Ladeinfrastruktur folgt dem Mobilitätsverhalten – geschäftlich wie privat.

5. Lkw-Ladevorgänge nehmen zu – sind aber noch wenig sichtbar

Es gibt erste Hinweise auf längere Ladevorgänge, die auf E-Lkw mit größeren Batterien hindeuten. Der Ausbau der spezifischen Lkw-Ladeinfrastruktur nimmt zu – besonders in Deutschland und Skandinavien. Konkrete Zahlen sind derzeit aber noch rar, weshalb das Thema weiter beobachtet werden sollte.

6. Überraschend leere Tage: Feiertage und Wahltage

Besonders auffällig war der 23. Februar 2025 in Deutschland – also der Tag der Bundestagswahl. Die Nutzung der Ladeinfrastruktur war hier besonders niedrig, ein Hinweis darauf, dass viele Fahrer an diesem Tag bewusst zu Hause geblieben sind, um wählen gehen zu können. Auch Neujahr war ein Tag mit minimaler Nutzung – wenig überraschend, aber interessant zu sehen, wie sich gesellschaftliche Ereignisse direkt in den Ladedaten widerspiegeln.

7. Was wirklich fehlt: Steuerung statt Masse

Die Analyse offenbart ein strukturelles Problem: Nicht die Menge der Ladesäulen ist das Problem, sondern deren Nutzung. Die Infrastruktur wäre oft effizienter nutzbar, wenn Anreize bestehen würden, auf weniger frequentierte Standorte auszuweichen. Warum ist das so? Aktuell gibt es kaum Preisunterschiede zwischen hoch und gering ausgelasteten Stationen. Das verhindert eine intelligente Verteilung der Nutzerströme. Eine gezielte Dynamisierung der Preise könnte die Auslastung entzerren – ähnlich wie bei Flug- oder Bahnpreisen.

Fazit: Keine Panik, aber noch viel Potenzial

Die aktuelle Ladeinfrastruktur in Deutschland ist robust, ausreichend und selten überlastet. Die meisten Warteängste sind unbegründet – zumindest für Pkw-Fahrer. Die klare Botschaft von Sören Ziems: „Es braucht sich niemand Sorgen machen, unterwegs zu sein und nicht laden zu können oder lange warten zu müssen.“ Doch Effizienzreserven gibt es durchaus. Die Zukunft der Elektromobilität hängt nicht allein vom weiteren Netzausbau, sondern von der intelligenten Steuerung und Nutzung der bestehenden Ladeinfrastruktur ab.

Mit datenbasierten Entscheidungen, dynamischer Preissetzung und konsequenter Weiterentwicklung kann Deutschland auch langfristig die Ladeinfrastruktur bereitstellen, die E-Mobilität wirklich braucht – ohne Überversorgung, aber auch ohne Engpässe.

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