Neue Klasse: BMWs Produktionspläne sind überraschend zurückhaltend
Obwohl sich BMWs aktuelle E-Modelle ihre technische Basis größtenteils mit Verbrennern teilen, verkauften die Münchner im vergangenen Jahr mehr Elektroautos als Mercedes und Audi zusammen. Und das, obwohl die „EQ“- und „e-tron“-Baureihen der Konkurrenz auf speziellen Elektro-Architekturen stehen – was bei vollelektrischen Fahrzeugen einige Vorteile birgt.
Mit der Neuen Klasse zündet BMW bei der Elektrifizierung seiner Modellpalette die nächste Stufe: Auf der gleichnamigen, von Grund auf neu entwickelten E-Architektur, soll eine bis zu achtköpfige Modellfamilie entstehen. Den Anfang macht die nächste Generation des Mittelklasse-SUV iX3, das im September im Rahmen der IAA debütiert wird. Später sollen unter anderem noch eine Limousine und ein Kombi im Format des BMW 3er folgen, die das Namenskürzel i3 übernehmen sollen.

Die bereits kommunizierten technischen Daten klingen mehr als vielversprechend: Dank einer modernen 800 Volt-Architektur beträgt die maximale Ladeleistung bis zu 400 kW, womit BMW in dieser Disziplin zur Weltspitze gehört. Zudem sollen aufgrund von neuen Batteriezellen mit einer um bis zu 20 Prozent höheren Energiedichte WLTP-Reichweiten von 800 Kilometern möglich sein, womit die Modelle der “Neuen Klasse” uneingeschränkt langstreckentauglich sind. Wenn man diese Zahlen mit denen der bisherigen E-Autos des Herstellers vergleicht, scheint bei den Bayern eine gehöriger Technologiesprung bevorzustehen.
Angesichts des großen technischen Fortschritts würde man eigentlich erwarten, dass BMW intern mit einem regelrechten Sturm auf seine Elektro-Modelle rechnet. Laut einem Bericht der Automobilwoche schätzt der Autobauer die Nachfrage aber eher zurückhaltend ein. Darauf lässt die Produktionsplanung des österreichischen Motorenwerks Steyr schließen, dem wichtigsten des Herstellers, das auch bei Verbrennungsmotoren eine dominierende Rolle spielt.
Pro Jahr sollen 600.000 E-Motoren produziert werden
In der Fabrik sollen alle Elektromotoren für die Modelle der Neuen Klasse gefertigt und anschließend an die Endmontagewerke geliefert werden. Lediglich die in China gebauten Versionen sollen mit lokal produzierten Antriebssträngen bestückt werden. Im Zuge der Elektrifizierung hat BMW das Werk in Steyr fit für die elektrische Zukunft gemacht und bis dato 500 Millionen Euro in den Standort investiert, hauptsächlich in neue Produktionsanlagen und High-Tech-Maschinen. In fünf Jahren soll sich diese Zahl nach den Plänen des Unternehmens ungefähr verdoppeln.
In Steyr gibt es laut der Automobilwoche dreizehn Produktionslinien für Verbrennungsmotoren, während nur zwei auf E-Motoren ausgelegt sind – trotz der umfassenden Transformation. Die erste ist auf die Fertigung von stromerregten Synchronmotoren ausgelegt, die vor allem in den Einsteigsversionen der künftigen Neue Klasse-Modelle eingesetzt werden sollen. Die Anlage läuft bereits im Vorserienbetrieb, ab Herbst soll es dann regulär losgehen. Auf der zweiten Produktionslinie wird BMW zukünftig permanenterregte Synchronmotoren herstellen, die auf mehr Leistung ausgelegt sind und langfristig etwa zwei Drittel der Gesamtproduktion an E-Motoren bei dem Hersteller ausmachen sollen. Hier wird die Großserienproduktion erst im Herbst 2026 gestartet.
Das jährliche Fertigungsvolumen für E-Motoren beziffert BMW am Werk Steyr mit lediglich 600.000 Aggregaten. Wenn man dies in Relation mit den aktuellen BEV-Verkaufszahlen des Hersteller setzt, zeigt sich, wie konservativ BMWs Planung trotz des anstehenden Technologiesprungs ausfällt. Die Automobilwoche rechnet wie folgt: Im vergangenen Jahr hat der bayrische Hersteller 2,45 Millionen Fahrzeuge verkauft. Wenn man diese Zahl zugrunde legt, hätten die “Neue Klasse”-Antriebe in vier Jahren einen Anteil von rund 25 Prozent am Gesamtabsatz.
BMW geht intern offenbar davon aus, dass die neue Technik für ein eher dezentes Wachstum im einstelligen Prozentbereich sorgen wird. 2024 lag der Elektro-Anteil nämlich schon bei 17,4 Prozent, dieses Jahr könnten es schon 20 Prozent sein. Diese Zurüchaltung deckt sich mit der Haltung des Vorstandsvorsitzenden Oliver Zipse, der zwar stark in die E-Mobilität investiert, sich aber immer wieder öffentlichkeitswirksam für eine Techologieoffenheit stark gemacht hat.
Nach außen hin rührt BMW dagegen für den in den Startlöchern stehenden iX3 und seine fortschrittliche Elektro-Architektur ordentlich die Werbetrommel. Falls die Nachfrage nach den E-Autos die Erwartungen doch deutlich übersteigt, sieht sich der Autobauer gut gerüstet. Klaus von Moltke, der Leiter des Werks in Steyr, betonte in einem Interview mit der Automobilwoche, dass man auf jedes Szenario vorbereitet sei und bei Bedarf die Produktionsmenge flexibel anpassen könne.
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