Forschung zu Anodenmaterial auf Basis von Silizium und Zinnsulfid
Der Projekttitel RESTINA steht für „Recovered Silicon / Tin Sulphide Nanocomposite Anode Materials for Generation 3b Lithium Ion Batteries“. Es geht in dem Vorhaben um die Entwicklung leistungsstarker und umweltfreundlicher Anodenmaterialien auf Basis von Silizium und Zinnsulfid für Lithium-Ionen-Batterien der Generation 3b. Unter dieser Bezeichnung versteht man Batterien, die im Gegensatz zu den aktuellen E-Auto-Akkus eine höhere Energiedichte, eine verbesserte Zellchemie sowie ein verbessertes Batteriemanagement aufweisen. Zudem sollen die Batterien der nächsten Generation langsamer altern und mehr Ladezyklen ermöglich.
Als technologischen Kern des Projekts bezeichnet das AIT die angestrebte Materialmischung aus Nanokomposite aus recyceltem Silizium (gewonnen aus ausgedienten Photovoltaikmodulen) und Zinnsulfid (SnS2). Laut den Österreichern kombiniert dieser neuartige Ansatz die hohe spezifische Kapazität von Silizium mit der guten elektrischen Leitfähigkeit von Zinnverbindungen. Gleichzeitig wollen die Partner des Projekts ihre Grundlagenkonzepte aus dem Labor näher an die industriellen Anforderungen heranrücken. So soll die technologische Innovation etwa eine höhere Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit von Anodenmaterialien gewährleisten.
„Wir stehen bei der Batterieforschung vor der Herausforderung, Materialleistung, industrielle Machbarkeit und ökologische Verantwortung zusammenzubringen“, bekräftigt Damian Cupid, Senior Scientist am AIT Austrian Institute of Technology und Projektleiter von RESTINA. Das Projekt verfolge genau diesen integrierten Ansatz: „Wir kombinieren recyceltes Silizium mit innovativer Materialchemie und nachhaltiger Verarbeitung, um eine neue Klasse leistungsfähiger Anodenmaterialien für kommende Batteriegenerationen zu entwickeln. Das Projekt zeigt, wie Materialforschung konkret zur Energiewende beitragen kann – von der Idee bis zur Pilotzelle.“ Neben dem AIT Austrian Institute of Technology sind an dem Projekt die Frimeco Produktions GmbH, die Universität Wien und die Universität Lüttich beteiligt.
Auch auf die technologischen Details gehen die RESTINA-Beteiligten ein: So sollen beim Laden der Batterie an der Grenzfläche der Anodenpartikel („Si/Li₂S und Sn/Li₂S“) Heterostrukturen entstehen, die die Funktion haben, mechanische Belastungen – verursacht durch die Volumenänderung der Aktivmaterialien – abzufedern und die langfristige Stabilität der Anode zu verbessern. Mit diesem neuartigen Ansatz versucht das Projektteam nach eigenen Angaben gezielt die Herausforderungen herkömmlicher Si-basierter Anoden zu adressieren. Genannt werden etwa Partikelbruch, Instabilität der SEI-Schicht („Solid Electrolyte Interface“) oder geringe Leitfähigkeit.
Zur Herstellung der Si/SnS2-Komposite evaluieren die Forscher dabei zwei komplementäre, industriell skalierbare Herstellungsverfahren: einen solvothermischen Prozess in umweltfreundlichen Lösungsmitteln und das sogenannte hochenergetische Kugelmahlen. Auch wollen die Initiatoren mit Blick auf die Umweltverträglichkeit kohlenstoffbasierte Schutzschichten entwickeln, die die Partikeloberflächen stabilisieren. „Diese Beschichtungen ermöglichen nicht nur eine sichere Handhabung in Luft, sondern auch die wasserbasierte Verarbeitung der Elektroden – ein wichtiger Schritt hin zu grüner Batterietechnologie“, schreibt das AIT. Zudem erlaube dieser Ansatz das spätere Recycling der Elektrodenmaterialien in wässrigen Medien ohne schädliche Nebenreaktionen.
Am AIT selbst werden die Si/SnS₂-Nanokomposite sowohl entwickelt als auch auf ein industriekompatibles Produktionsniveau skaliert. Darüber hinaus erfolgt dort unter Nutzung der neuen Anodenmaterialien (in Kombination mit Nickel-dominierten Kathodenmaterialien) die Herstellung von Generation-3b-Pouchzellen mit Kapazitäten zwischen 2 und 5 Ah. Gemeinsam mit der Universität Lüttich untersucht das AIT zudem die elektrochemischen Alterungsmechanismen der Materialien. Die Universität Wien liefert dazu grundlegende Erkenntnisse zu Phasendiagrammen, Kristallstrukturen und thermodynamischen Eigenschaften des Si/SnS₂-Systems. Industriepartner Frimeco bringt sein Know-how bei der skalierbaren Synthese und Beschichtung der Nanokomposite ein.
presse.ait.ac.at
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