
Wie Evailable Ladesäulen mit KI zuverlässiger machen will – Sieben Fragen an Maren Rehnelt
Einsteigen, Ziel eingeben, losfahren – selbst längere Strecken sind mit modernen E-Autos kein echtes Problem mehr. Das Auto berechnet die nötigen Ladestopps von alleine, mit Plug&Charge muss man vor Ort nur noch das Kabel einstecken und fertig – oder alternativ kurz per App oder Karte auf anderem Weg zahlen. Es werden immer mehr Ladesäulen gebaut, die Lücken im Netz werden zunehmend kleiner.
Und dennoch ist der Zustand noch nicht ideal – damit ist an dieser Stelle nicht die Debatte um die Ladepreise, Ad-hoc-Zahlung und das Roaming gemeint. Nutzer sind zu recht frustriert, wenn das Auto oder die Lade-App eine funktionierende und freie Ladesäule mit 300 kW anzeigen, sich dann aber herausstellt, dass sich der Ladevorgang nicht starten lässt, das Display der Säule defekt ist, oder statt den versprochenen 300 tatsächlich nur 30 kW in den Akku fließen. Und aus dem kurzen 20-Minuten-Ladestopp wird schnell eine längere Verzögerung, denn auch der Umweg zu einem anderen Ladepark kostet Zeit.
Hier setzt das Konzept von Evailable an. Das Unternehmen gehört zum E.ON-Konzern und will dessen Erfahrung aus dem Betrieb von Energienetzen, bei denen Betriebszeiten entscheidend sind und KI bereits etabliert ist, in die E-Mobilität einbringen. Wir haben mit Maren Rehnelt, Managing Director von Evailable gesprochen, was das Unternehmen genau verspricht, wie das umgesetzt wird und wie Ausfälle bis zu eine Woche vorher festgestellt werden können.
Evailable will die Verfügbarkeit von Ladepunkten zur Selbstverständlichkeit machen. Wie unterscheidet sich Ihre „echte Verfügbarkeit” von der bekannten Uptime einer Ladesäule?
Ich glaube den Unterschied erleben sowohl FahrerInnen von Elektroautos als auch Betreiber jeden Tag. Uptime sagt: Die Ladestation ist online. Echte Verfügbarkeit ist: Der Ladevorgang gelingt. Unser System geht über die reine Verfügbarkeitsmeldung hinaus. Wir analysieren Fehler, Ladeverhalten, Kommunikation und viele weitere Faktoren. Ein Beispiel: Eine Station erscheint als „verfügbar“, doch seit zwei Wochen brechen dort Ladevorgänge ab oder laufen nur mit halber Ladeleistung. Genau solche Probleme macht Evailable sichtbar – klassische Backends nicht.
Nehmen wir an, das KI-Tool hat einen Fehler festgestellt. Wie ist dann der weitere Ablauf? Gibt es eine standardisierte Meldung an den Ladepunktbetreiber? Oder wird auf das Fehlerbild abgestimmt schon eine passende Reaktion eingeleitet, bevor es eine Benachrichtigung gibt? Bei der Technik hilft ja oft ein simpler Neustart.
Es kommt auf den Fehler an. Bei bestimmten Problemen hilft auf jeden Fall der Neustart, um der Ladestation zu helfen. Unsere KI hat gelernt, in welchen Situationen das hilfreich sein kann und führt diesen sofort aus. Pro Monat helfen wir so über 100.000 Mal über alle Kunden hinweg schnell und automatisiert, ohne dass der Betreiber eingreifen muss. Bei anderen Problemen zeigen wir dem Betreiber die Zusammenhänge, die zu dem Problem geführt haben.
Es ist ein wenig wie beim Arzt: Der Betreiber sieht bei Evailable sowohl die Krankenakte als auch die Diagnose inkl. aller Symptome. So lässt sich die passende Lösung sofort umsetzen – ohne langwierige manuelle Analysen. Darum geht es uns letztendlich. Automatisieren, Zeit und Geld sparen.
Wie berechnet Evailable den „Health Index”, der den Zustand der Ladesäule anzeigen soll? Wenn es (noch) keinen Fehler gibt, kann auch keiner erfasst werden. Zeigen also historische Vergleichswerte aus einer Datenbank an, dass ein Bauteil wahrscheinlich bald ausfallen wird?
Auch beim Health Index arbeiten wir analog zur Medizin. Erste Anzeichen für eine Krankheit können schon weit vor einem größeren Ausfall erkannt werden. Dabei analysieren wir den gesamten Rohdatenstrom der verbundenen Ladestationen und vergleichen diesen mit anderen Ladestationen vom gleichen Typ – denn jeder Ladestationstyp tickt ein wenig anders. Darauf ist unser neuronales Netz trainiert. Wir können so Ausfälle bis zu einer Woche im Voraus anzeigen.
Welche Daten fließen mit ein, um zu einer Bewertung zu kommen? Reichen einige Basis-Daten oder machen mehr Datenpunkte die Vorhersage besser?
Wir arbeiten in den meisten Fällen mit bereits vorhandenen OCPP-Kommunikationsdaten. Damit können Betreiber sofort mit Evailable starten. Zusätzliche Daten wie SIM-Informationen oder Sensordaten einzelner Komponenten machen unsere Vorhersagen noch präziser – bis hin zur Vorhersage auf Komponentenebene.
Wie werden die Daten technisch erfasst? Ist weitere Hardware nötig oder zieht sich das KI-Tool die Daten aus vorhandenen Schnittstellen und Sensoren? Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Ladesäulen-Modellen?
Der große Vorteil ist: Es braucht keine weitere Hardware. Auch bei Konfiguration oder Datenverbindung der Ladestationen muss nichts geändert werden. Es ist ziemlich einfach. In den meisten Fällen werden die OCPP-Rohdaten, die von der Ladestation an das Backend geschickt werden, einfach an uns weitergeleitet, sodass wir unsere Analysen vornehmen können. Schnittstellen zu vielen gängigen CPO-Backends und Proxy-Lösungen bestehen bereits, sodass der Aufwand minimal ist. Unterschiede gibt es also nicht bei der Datenerfassung der Ladesäulenmodelle, sondern nur in der Interpretation – die passt unsere KI modellspezifisch an.
An wen genau in der Wertschöpfungskette des Ladens richtet sich das Angebot von Evailable?
Unsere Lösung wird von drei unterschiedlichen Unternehmensarten eingesetzt. Zum einen die CPOs, die ihre Ladenetzwerke optimieren, Betriebskosten senken und mehr erfolgreiche Ladevorgänge herauskitzeln wollen. Daneben gibt es auch Backends, die unsere Technologie über eine API einbinden und so unsere KI-Fähigkeiten in ihre Plattformen integrieren. Aber auch Ladestationshersteller, die den Service und ihre Hardware-Performance effizienter und schlagkräftiger machen wollen.
Wie ist die Idee zu Evailable entstanden? Und wer steht hinter dem Unternehmen?
Die Idee ist bereits vor einigen Jahren im Innovationsbereich der E.ON-Gruppe entstanden – unter Federführung meines Kollegen und ebenfalls Geschäftsführers Stefan Herr. Dort trafen zwei Welten aufeinander: die Skalierungsprobleme im Ladeinfrastrukturbereich und das Wissen aus Predictive Maintenance im Strom- und Gasnetzbereich. Der Prototyp wurde intern auf die Probe gestellt und lieferte so gut Ergebnisse, dass man entschied, das Produkt als eigenes Unternehmen auszugründen. So entstand Evailable. Heute unterstützen wir bereits CPOs in 14 Ländern dabei, Laden zuverlässig zu machen.
Das Interview ist als Teil der Medienpartnerschaft zwischen electrive und der Intercharge Network Conference (ICNC) entstanden, die am 2.-4. September in Berlin stattfindet. Maren Rehnelt ist eine der Speakerinnen auf der ICNC25. Ihr Vortrag findet am 3. September um 12:40 Uhr statt.
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