
Xpeng G6 Performance im Fahrbericht: Kann er mehr als nur schnell laden?
An technologischen Ambitionen mangelt es den Autobauern aus der Volksrepublik definitiv nicht – und wenn es einen Hersteller gibt, der bereits in Deutschland aktiv ist und sich selbst gern als besonders innovativ darstellt, ist es wohl Xpeng. Das Unternehmen wurde zwar erst 2014 gegründet und begann vier Jahre später mit der Serienproduktion, im vergangenen Jahr verbuchte er weltweit aber bereits über 190.000 verkaufte Autos. Auch Volkswagen sieht Potenzial in Xpeng und ist mit rund fünf Prozent an dem Autobauer beteiligt.
Im Mai 2024 wagte die Chinesen mit den Modellen G6 und G9 den Sprung nach Deutschland. Die beiden SUV stehen symbolisch für die Positionierung der Marke – Xpeng möchte kein auf kostengünstige Fahrzeuge spezialisierter Massenhersteller wie MG oder (teilweise) BYD sein, sondern sieht sich eher in der Konkurrenz zu Nio und den westlichen Premium-Marken. Die Elektroautos mit dem X-Logo sollen vor allem mit ihrer innovativen Technik und einem betont modernen Touch überzeugen. Vor allem wenn es um die Ladeleistung geht, prescht der Hersteller vor.
Bis zu 451 kW Ladeleistung dank neuer LFP-Akkus
Im Sommer hat Xpeng seine beiden in Europa erhältlichen Modelle überarbeitet – und im Zuge dessen vor allem bei der Ladeleistung aufgerüstet. Statt der bisherigen NMC-Batterie steckt zukünftig auch in den Top-Modellen eine LFP-Batterie im Unterboden des G6 und G9. Der 80 kWh große Stromspeicher ist auf 5C-Laden ausgelegt – Das bedeutet, dass er mit dem fünffachen Wert seiner Nennkapazität geladen werden kann.
Schon die bisherige Version war am Schnelllader dank ihrer 800-Volt-Technik und einer maximalen Ladeleistung von bis zu 280 kW alles andere als eine Schnecke. Nach dem Facelift soll die Peak-Ladeleistung bei 451 kW liegen, womit der G6 im Segment der Mittelklasse-SUV neue Maßstäbe setzt.
Bloß blöd, dass es in Europa noch so gut wie keine Ladesäulen gibt, die diese Leistung tatsächlich möglich machen. Im Rahmen einer Fahrveranstaltung rund um München und den Starnberger See, konnte ich austesten, wie schnell die Topversion, der allradgetriebene G6 Performance, an einer gängigen 400-kW-Säule lädt und wie sich das aufgefrischte Mittelklasse-SUV in anderen Disziplinen schlägt.
Bei unserem Check war bei 279 kW Schluss
Kurz nach dem Start der Testfahrt rollten wir mit einem Ladestand von 44 Prozent auf den Hof eines Ionity-Schnellladeparks, um die Lade-Performance des G6 zu checken. Eins schonmal vorweg – die maximale Herstellerangabe konnte schon allein aufgrund der Beschaffenheit der vorhandenen Säulen nicht erreicht werden. Und trotzdem kann sich die Ladekurve des G6 sehen lassen. Die höchste Ladeleistung lag mit 279 kW bei 45 Prozent an. Danach blieb sie für einige Minuten über 230 kW. Erst bei 75 Prozent rutschte sie auf 218 und bei 80 Prozent dann auf 185 kW ab.
Insgesamt nahm der Ladevorgang von 44 auf 85 Prozent zehn Minuten in Anspruch. In dieser Zeit flossen 38,4 kWh in den Akku. Laut dem Hersteller soll der Ladezustand unter idealen Bedingungen in 12 Minuten von 10 auf 80 Prozent erhöht werden können. Pro Sekunde soll genug Strom für einen WLTP-Kilometer geladen werden. Trotz der nicht idealen Bedingungen bei unserem Test, bleibt die Ladekurve lange auf einem hohen Niveau. Wenn der Ladevorgang bei einem niedrigen Akkustand gestartet worden wäre, hätte sie in den ersten Minuten vermutlich einen Peak von über 300 kW erreicht. Weniger beeindruckend: An AC-Säulen lädt der G6 nur mit 11 kW.
Bis zu 525 Kilometer Reichweite
Die Norm-Reichweite ist mit dem Wechsel von der alten NMC-Batterie zum neuen LFP-Akku etwas gesunken. Dies liegt an der niedrigeren Energiedichte, durch die der Energiegehalt von 87,5 auf 80 kWh geschrumpft ist. Bei der von uns getesteten zweimotorigen Performance-Variante standen bisher 550 WLTP-Kilometer auf dem Datenblatt, bei der Facelift-Version soll eine Akkuladung einen maximalen Radius von 510 Kilometern ermöglichen.
Dies ist aber nur realistisch, wenn man konsequent im Eco-Modus unterwegs ist und das Strompedal streichelt. Bei einem Ladezustand von 85 Prozent wurde eine Restreichweite von 387 Kilometern angezeigt. Zugegebenermaßen hatten wir es vorher auf der Autobahn ziemlich laufen lassen und den Sport-Modus drin. Im Stadtverkehr zeigte sich das SUV dagegen von seiner sparsamen Seite und zeigte einen Durchschnittsverbrauch von 16 kWh/100km an. Der kombinierte Normverbrauch wird bei der zweimotorigen Performance-Variante mit 18,4 kWh/100km angegeben. Zum Vergleich: Tesla gibt für das leistungsmäßig vergleichbare Model Y Performance 16,2 kWh/100km an.
Wer einen gesteigerten Wert auf Effizienz legt, dürfte mit dem G6 RWD Long Range eher glücklich werden. Die einmotorige Version mit Heckantrieb steht mit 218 kW und 440 Newtonmetern Drehmoment ebenfalls gut im Futter, sie soll sich aber im Schnitt mit 17,5 kWh/100km begnügen. Daher ist auch die WLTP-Reichweite mit 525 Kilometern einen Ticken höher.
G6 Long Range | G6 Performance | |
---|---|---|
Antrieb | RWD | AWD |
Leistung | 218 kW | 358 kW |
Drehmoment | 440 Nm | 660 Nm |
Beschleunigung | 6,7 s | 4,1 s |
Höchstgeschwindigkeit | 202 km/h | 202 km/h |
WLTP–Reichweite | 525 km | 510 km |
Batteriekapazität | 80 kWh | 80 kWh |
Ladeleistung DC | 451 kW | 451 kW |
Ladezeit DC 10-80% | 12 min | 12 min |
Preis | 47.600 Euro | 51.600 Euro |
Eine echte Sportversion fühlt sich anders an
Der Namenszusatz „Performance“ der Topversion bezieht sich offensichtlich eher auf deren Leistungswerte und weniger auf das Handling. Auch wenn sie dank einer Systemleistung von 358 kW und 660 Newtonmetern Drehmoment bei Bedarf in 4,1 Sekunden von Null auf Hundert beschleunigt, liegt der Fokus bei dem 2,2 Tonnen schweren SUV eher auf Komfort.
Auf der Autobahn zeigt sich das Fahrwerk von seiner flauschigen Seite. Vor allem leichte Unebenheiten bügelt es sanft aus. Bisweilen wirkt es fast schon zu weich und vermittelt dem Fahrer kaum Informationen über die Beschaffenheit der Straße. Auch wenn die Stabilität in flott gefahrenen Kurven überzeugt, würde man von einer Performance-Variante etwas mehr Straffheit erwarten – oder man überlässt mit einem adaptiven Fahrwerk dem Fahrer die Wahl, ob es gerade komfortabel oder sportlich sein soll.
Innerorts zeigt sich ein anderes Bild. Auf schlechten Straßen fühlt sich das Fahrwerk eher hart und fast schon poltrig an. Querfugen sowie tiefe Schlaglöcher werden herb in den Innenraum weitergegeben, weshalb es einen leicht unterdämpften Eindruck macht. Sportlich ist es deswegen trotzdem nicht. Die geschwindigkeitsabhängige Lenkung ist im Stadtverkehr sehr leichtgängig und fühlt sich etwas taub an, auf der Landstraße und der Autobahn erfordert sie aber ein höheres Maß an Kraft und bietet glücklicherweise mehr Rückmeldung.
Da Xpeng beim G6 auf adaptive Dämpfer verzichtet, fühlt sich der Sportmodus etwas eigenartig an. Die Kennlinie der Lenkung wird tatsächlich deutlich zackiger und auch die Leistungsabgabe wird deutlich vehementer. Gleichzeitig bleibt das Fahrwerk aber unverändert weich. Im Eco-Modus reagiert der G6 Performance spürbar verhaltener auf Stromstöße.
Insgesamt passt die Abstimmung ganz gut zur Auslegung als Reiseauto. Dasselbe gilt für die Geräuschdämmung – im überarbeiteten G6 geht es insgesamt ruhig zu, erst ab circa 110 km/h ist rund um die Windschutzscheibe das Zischeln des Windes deutlich wahrnehmbar. Der adaptive Abstandstempomat machte seinen Job bei der ersten Testfahrt gut.
Während anderen E-Autos bei höheren Geschwindigkeiten teilweise die Puste ausgeht, zieht Xpengs Mittelklasse-SUV auch oberhalb von 150 km/h noch ordentlich durch. Auf dem Datenblatt des G6 Performance steht eine Höchstgeschwindigkeit von 202 km/h, wir hatten auf einem freien Autobahnabschnitt aber sogar 212 km/h auf dem Fahrerdisplay stehen.
Modisches Fastback-Design ohne Ecken und Kanten
Der in China seit 2023 erhältliche G6 macht keinen Hehl daraus, dass er als Konkurrent zum Tesla Model Y konzipiert wurde. Mit einer Länge von 4,75 Metern ist er zwar rund vier Zentimeter kürzer als sein Konkurrent, von der Positionierung her schlägt er aber in genau dieselbe Kerbe. Das sieht man ihm auch etwas an – dank der Fastback-Linie ähneln sich die beiden vor allem im Profil.
Im Zuge der technischen Überarbeitung wurde auch das Design des SUV nach nur zwei Jahren dezent aufgefrischt. Die vordere Leuchtleiste zieht sich jetzt über die gesamte Front und wird nicht mehr von dem X-Logo unterbrochen. Am Heck wurde der Diffusor überarbeitet und ein kleiner Entenbürzel-Spoiler auf der Heckklappe angebracht.
Der G6 wirkt mit seinen glatten Flächen durchaus elegant, auch wenn es ihm an einer gewissen Eigenständigkeit und einem eigenen Charakter fehlt. Er sticht in diesem heiß umkämpften Segment optisch nicht gerade aus der Masse an Konkurrenten heraus. Dass Xpeng es auch anders kann, hat der Hersteller aus der südchinesischen Stadt Guangzhou mit der futuristisch eleganten zweiten Generation ihrer Oberklasse P7 gezeigt.





Xpeng bietet kein Head-up-Display an
Auch das Interieur wirkt wenig eigenständig und könnte gefühlt von jeder anderen chinesischen Automarke stammen. Würde man das Markenlogo auf dem Volant abkleben, wäre es für Laien unmöglich, den Hersteller zu erraten. Trotzdem macht es einen modernen und einladenden Eindruck. Auch dank der Ambientebeleuchtung, die nach dem Facelift deutlich üppiger ausfällt.
Hinter dem kleinen Lenkrad mit dem großen Pralltopf findet sich ein Display für die Fahrinformationen, das zwar hoch aufgelöst und gut ablesbar ist, aber nicht ganz darüber hinwegtrösten kann, dass es beim G6 nicht einmal gegen Aufpreis ein Head-up-Display gibt. Dies fällt vor allem negativ auf, weil die Navigations-Informationen nicht auf dem kleinen Bildschirm im Sichtfeld, sondern nur auf dem mittlerweile 15,6 Zoll großen Touchscreen angezeigt werden.
Dieser überzeugt immerhin mit seinem schnellen und flüssigen Ansprechverhalten und einer klaren Menü-Strukturierung. Weniger überzeugend war dagegen der Sprachassistent, der zwar blitzschnell auf den Ruf “Hi Xpeng!” reagiert, dafür aber schon an leichteren Aufgaben wie dem Wechsel des Radiosenders scheitert. Das werksseitige Navigationssystem verwirrt einen damit, dass sich die eingeblendeten Alternativrouten farblich kaum von der Hauptroute unterscheiden.
In Sachen Verarbeitung gibt es nichts zu Meckern
Der Materialmix im Interieur ist typisch für chinesische Autobauer – Xpeng setzt vor allem auf graues Kunstleder, das sich ehrlich gesagt nicht besonders hochwertig anfühlt. Dasselbe gilt für die breite Zierleiste in Holzoptik, die sich über den Armaturenträger zieht und von weitem echt aussieht, bei der Klopfprobe aber nach günstigstem Plastik klingt.
Davon abgesehen findet man im direkt sichtbaren Bereich kaum Hartplastik. Stattdessen dominieren aufgeschäumte Kunststoffe. An der Verarbeitungsqualität gibt es ohnehin nichts zu beanstanden. Alle Bauteile sind sehr gut eingepasst und auch die Gleichmäßigkeit der Ziernähte kommen nah an die Perfektion heran. Hier zeigt sich der G6 von seiner besten Seite.
Wie bei vielen anderen SUV-Coupés ist die Rundumsicht aufgrund der dicken C-Säulen eher bescheiden. Dies fällt bei dem Chinesen aber nicht weiter ins Gewicht, da Xpeng den G6 standardmäßig mit einer 360-Grad-Kamera ausliefert.
Das Gestühl in der ersten Reihe ist serienmäßig belüftet und beheizt, bietet ausreichend Seitenhalt und wirkte bei der ersten Testfahrt durchaus bequem. Durch die hohe und massive Mittelkonsole, die eine doppelte induktive Ladeschale für Smartphones und ein tiefes Staufach beherbergt, fühlt man sich im G6 eingekapselt.
Das Panoramadach sorgt für eine helle Atmosphäre, ein Rollo oder eine Abdunkelungs-Funktion fehlen aber. Bei starker Sonneneinstrahlung dürfte sich das negativ bemerkbar machen. Serienmäßig verbaut der Hersteller ein Soundsystem mit 18 Lautsprechern und 960 Watt. Beim ersten Check konnte es aber nicht überzeugen. Obwohl der Bass und die Tiefen beim Equalizer dominierten, klang das Ganze eher dünn.






Kein Frunk und kein Handschuhfach
Mit meinen 1,85 Metern hatte ich im Fond mehr als genug Kopf- und Beinfreiheit. Praktisches Feature: Auch hinten kann die Position der Rückenlehne links und rechts seperat eingestellt werden. Nur bei dem mittigen Sitz ist sie fixiert. Hinter der großen Heckklappe verbirgt sich das in der Normalkonfiguration brauchbare 571 Liter fassende Gepäckabteil, dessen Volumen durch das Umlegen der zweiten Sitzreihe auf maximal 1.374 Liter erhöht werden kann.
Ansonsten mangelt es an weiteren Verstaumöglichkeiten. Obwohl der G6 als reines E-Auto konzipiert ist, hat Xpeng auf einen Frunk verzichtet. Bei der Testfahrt haben mein Mitfahrer und ich minutenlang versucht, über den Touchscreen das Handschuhfach zu öffnen. Ohne Erfolg – auf Nachfrage beim Hersteller stellte sich dann heraus, dass das SUV überhaupt keins hat, auch wenn es kurioserweise auf den ersten Blick so aussieht.
Die Aufpreisliste ist betont kurz
Zum Schluss kommen wir zu dem Abschnitt, in dem der G6 am meisten überzeugt – dem Preis-Kapitel. Die Long Range-Version ist bereits ab 47.600 Euro erhältlich, während für den G6 Performance 51.600 Euro fällig werden. Beide Varianten sind standardmäßig so gut wie voll ausgestattet. Bei anderen Herstellern kosten Annehmlichkeiten wie Massagesitze, das große Panoramadach, ein App-gesteuerter Park-Assistent und eine elektrische Heckklappe Aufpreis, bei dem chinesischen Mittelklasse-SUV sind sie immer inbegriffen.
Auch die 20 Zoll-Räder mit Michelin-Bereifung sind immer Standard. Im Grunde stehen auf der Aufpreisliste nur andere Farben, ein “Black Edition” genanntes Optik-Paket und zwei optionale Farbgebungen für das Interieur. Für die schwenkbare Anhängerkupplung verlangt Xpeng 1.190 Euro extra. Wenn sie installiert ist, kann der G6 bis zu 1,5 Tonnen schwere Anhänger an den Haken nehmen.
Fazit
Der G6 hat zwar auch nach dem Facelift noch einige Schwächen, trotzdem ist es beeindruckend, was für ein kompetentes Langstreckenauto Xpeng schon nach wenigen Jahren im Automobilbau auf die Räder gestellt hat. Den Mangel an Charakter in Sachen Optik und Fahrvergnügen macht er vor allem mit seiner exzellenten Ladeperformance wieder wett. Dass es ihm an manchen Stellen noch an Feinschliff fehlt, fällt angesichts der attraktiven Preise und der üppigen Serienausstattung weniger ins Gewicht.
Der Hersteller ist aktuell dabei, sein deutsches Händler- und Servicenetz auszubauen und lässt die europäischen Exemplare des G6 und seines großen Bruders G9 mittlerweile von Magna-Steyr im österreichischen Graz montieren. Um hierzulande erfolgreich zu sein, muss der Hersteller aber auch in Sachen Marketing und PR investieren. Dass die Absatzzahlen von Xpeng in Deutschland aktuell noch so niedrig sind, dürfte nämlich weniger an der Qualität der Autos als an der Unbekanntheit der Marke liegen.
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