Auswertung der These: Nur noch elektrisch in die City?!

Geht’s ab 2025 nur noch elektrisch in die City? Diese Frage haben wir – das Technologieprogramm IKT für Elektromobilität III und der Branchendienst electrive.net – im März der Branche gestellt. Die Debatte führte zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass zwar eine deutliche Mehrheit der These zustimmt, die Mehrzahl der geäußerten Argumente aber dagegen spricht.

** Sie können sich die Auswertung der These hier auch als PDF herunterladen. **

Am 27. Februar entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass Kommunen grundsätzlich Fahrverbote für ältere Dieselautos verhängen dürfen, wenn sie dabei den Grundsatz zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit beachten. Damit wiesen die Leipziger Richter die Sprungrevisionen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gegen zwei erstinstanzliche Urteile der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart überwiegend ab und gaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) recht, die die beiden Bundesländer darauf verklagt hatte, die Luftreinhaltepläne ihrer Landeshauptstädte nachzubessern, um dort die Schadstoffbelastung zu verringern.

Diese Entscheidung befeuerte die öffentliche Diskussion darüber, welche Maßnahmen am besten geeignet seien, die Luft in Städten reinzuhalten. Dabei kam auch zur Sprache, wer die Kosten dafür tragen solle, zumal Volkswagen am 23. Februar verkündet hatte, dass sein Nettogewinn 2017 mit 11,4 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch war wie im Vorjahr. Am 8. März legte das Bundesumweltamt (UBA) eine Studie vor, die nahelegt, dass erhöhte NO2-Konzentrationen in der Außenluft zu erheblichen Gesundheitsbelastungen führen. Im Einklang mit Umwelt- und Naturschutzverbänden plädierte die UBA-Präsidentin dafür, bundesweit eine hell- und eine dunkelblaue Plakette einzuführen, damit die Städte die Einfahrt in ihre Umweltzonen gestaffelt regeln könnten. Seitens des CSU-geführten Verkehrsministeriums stieß dieser Vorschlag auf Ablehnung.

Am 14. März wurde die neue Bundesregierung in ihr Amt eingeführt. „Wir verbessern die Luftreinhaltung in Städten“, hatte sie auf S. 14 ihres Koalitionsvertrages formuliert und im nächsten Atemzug hinzugefügt: „und wollen Fahrverbote vermeiden“. Wie passt das zusammen, fragten wir uns, und stellten noch am selben Tag die folgende „These des Monats“ zur Diskussion:

„Die Politik sollte das Diesel-Dilemma nutzen und festlegen: Ab 2025 darf in Städten nur noch elektrisch gefahren werden.“

Die Mehrheit der 282 Teilnehmer (159) stimmte dieser These vorbehaltlos zu, weitere 36 Teilnehmer taten dies mit Vorbehalten. Eindeutig (57) oder mit Einschränkungen (25) widersprach eine Minderheit der These, während sich fünf zwei Diskussionsbeteiligte neutral äußerten.

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Zeichnet man die Diskussion der These nach, so zeigen sich über die Auszählung der Bewertungen hinaus folgende Positionen. Sie spiegeln ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.

Für Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität

Sehr vielen Befürwortern der These geht es in erster Linie um den Schutz von Umwelt und Gesundheit. Um diesen zu gewährleisten, sei es dringend notwendig, „Schadstoffe und die verantwortlichen Technologien mit Ablaufdatum zu versehen“. Nur so könne unsere Lebensqualität erhalten beziehungsweise verbessert werden. Dazu gehöre es auch, der „dramatischen Zunahme von Atemwegserkrankungen“ entgegenzuwirken. Es sei deshalb sinnvoll, mit der Elektrifizierung des Verkehrs in den Städten zu beginnen, um dort saubere Luft zu schaffen, wo die Schadstoffbelastung am höchsten sei. Vorbildlich mache man das beispielsweise in Amsterdam.

Elektromobilität biete eine einmalige Chance, Städte wieder lebenswert zu machen. In den Städten, die besonders unter Schadstoffen litten, bestünde „zu 90% ein sehr gut ausgebauter ÖPNV“, der dort für alle eine „zumutbare Alternative“ der Fortbewegung sei, denn „es gibt kein Grundrecht auf individuelle Mobilität zu Ungunsten anderer (Schadstoffe), aber ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit“, das über das Komfortbedürfnis Einzelner zu stellen sei. In einem anderen Kommentar heißt es: „Ich vergleiche die Verschmutzung unserer Atemluft immer mit dem Mittelalter, als die Leute ihre Fäkalien in den Innenstädten nur aus dem Fenster gekippt haben und es dann überall erbärmlich gestunken hat.“ Am besten sei es vielleicht, Verbrenner wie Raucher zu behandeln, meint ein Dritter: „Wer es weiterhin machen will, muss eben draußen bleiben – wie in der Kneipe.“ Durch das Aussperren von Verbrennern alleine werde die Luft aber nicht besser, merkt ein Teilnehmer an: „Zudem sollten keine neuen Holz-, Pellet- und Ölheizungen installiert werden dürfen.“

Klare Regeln erhöhen die Planungssicherheit

Viele andere Befürworter stellen die wünschenswerte Planungssicherheit in den Vordergrund ihrer Argumentation. „Mit einem klaren politischen Signal weiß jeder, wo die Reise hingeht und die Industrie kann sich darauf einstellen“, heißt es bei ihnen oder auch „klare Rahmenbedingungen helfen bei der Entscheidung für zukunftsfähige Investitionen und bringen uns alle nach vorne“. Sie würden „den industriellen Wandel im Verkehr massiv in Schwung bringen“.

Aus dem europäischen und globalen Blickwinkel heraus, schreibt eine Diskussionsbeteiligte, zeige sich deutlich, „dass die Verkehrswende am schnellsten regulatorisch durchzusetzen ist. Dies können Verbote oder Anreize sein, am besten eine Mischung, wie in China oder Norwegen“. Regulation sei, meinen mehrere Befürworter, unbedingt erforderlich, denn „ohne feste Ausstiegsziele bis 2025 wird die Masse weiterhin auf fossile Antriebe setzen“. Auch sei festzuhalten: „Die Politik muss der deutschen Autoindustrie endlich zu ihrem Glück verhelfen.“

Einige Diskussionsbeteiligte geben zu bedenken, dass die Forderung der These ohnehin der Marktentwicklung entspreche. Denn einerseits werde „eine effektive Abgasnachbehandlung 2025 teurer sein als der elektrische Antriebsstrang“, andererseits würden sich dann „nur noch wenige Käufer für Autos mit Verbrennungsmotor entscheiden“, denn „bis 2025 werden E-Fahrzeuge günstiger sein als Verbrenner“, auch „wird es in jeder Klasse ausreichend E- Fahrzeuge geben“.

Die Kommentare derjenigen Diskussionsbeteiligten, die die These mit „Eher Pro“ bewerten, entsprechen inhaltlich zwar vielfach den vorstehend genannten Pro-Argumenten. Sie weisen aber bereits oft auf drei zentrale Probleme hin, die mit einem generellen Verbrenner-Einfahrtsverbot ab 2025 verknüpft wären. Der Hinweis auf diese Problemfelder zieht sich unabhängig von der Bewertung der These durch die gesamte Diskussion von „Eher pro“ bis „Contra“. Die Skepsis, ob 2025 ein realistisches Datum sei, klingt sogar schon in einigen „Pro“-Kommentaren an. Diese drei Problemfelder stehen miteinander in Wechselwirkung und lassen sich wie folgt benennen:

1. E-Fahrzeuge und Infrastruktur fehlen

„Die Elektro-City wäre genauso glaubwürdig wie die 1 Million Elektroautos bis 2020“, mahnt ein Kommentator, wenn nicht sichergestellt sei, dass bis 2025 „die Stromnetz- und Ladeinfrastruktur stimmt, der ÖPNV bzw. Mobilitätsdienstleistungen massiv ausgebaut werden und überhaupt ausreichende Produktionskapazitäten für Batterien und bezahlbare Elektroautos/Plug-In Hybride vorhanden sind“. Er bezweifele jedoch, dass dies der Fall sein werde, selbst wenn er die Forderung der These „natürlich begrüßenswert“ finde. Diese Aussage eines neutral wertenden Diskussionsbeteiligten kann stellvertretend für viele andere Meinungsäußerungen stehen, die konstatieren: 2025 wird es noch viel zu wenig Elektroautos zu einem angemessenen Preis geben, als dass sich ein Einfahrtsverbot für Verbrenner realisieren ließe. Ein Markt für E–Gebrauchtwagen werde erst rudimentär existieren. Die Ladeinfrastruktur werde noch nicht ausreichend ausgebaut sein. In einem Eher-Contra-Kommentar heißt es: „Besser eine ordentliche Maut wie in London und E-Fahrzeuge sind davon befreit. Mit den Einnahmen den ÖPNV finanzieren!“

2. Nur elektrisch ist unmöglich

„Komplett ‚nur noch elektrisch‘ wäre wahrscheinlich nie möglich“, heißt es in einem Eher-Pro-Kommentar und ein Elektroautofahrer begründet seine Eher-Contra-Position damit, dass elektrisch fahren nicht alle Anforderungen abdecke: „So bleibt mir nur, elektrisch zu fahren, wann immer es geht“. Sinnvoll sei es deshalb, so lauten einige Vorschläge, einen Elektroantrieb zunächst nur für jene Fahrzeuge vorzuschreiben „die viel oder ausschließlich in Städten bewegt werden“, wie etwa ÖPNV-Busse, Taxen, kommunale Flotten und Lieferfahrzeuge. Aber auch hierfür seien Übergangsregelungen sinnvoll, so dass z.B. „ab 2025 nur noch (neue) Stadtbusse mit E-Antrieb (Batterie, Wasserstoff, …) zugelassen werden und nach 2030 keine Dieselbusse mehr fahren dürfen“. Für Privatfahrzeuge sei eine Plakettenlösung empfehlenswert, so dass ihr Betrieb „nach aktuell gültigen Abgasstandards in Städten erlaubt“ bliebe. Falls Einfahrtsverbote dennoch für alle Verbrenner notwendig würden, könne man sie zeitlich beschränken („z.B. Abgasfrei zwischen 10.00 und 18.00 Uhr“). Mehrere Diskussionsbeteiligte plädieren im Sinne von Technologieoffenheit dafür, „elektrisch“ durch „emissionsfrei“ zu ersetzen.

3. Einfahrtsverbote sind unsozial

„Bitte vergessen Sie nicht die vielen Autofahrer, die es sich aus finanziellen Gründen nicht leisten werden können, bis dahin ein bezahlbares E-Auto-Äquivalent zu finden“, schreibt ein Eher-Contra-Kommentator und spricht damit sehr vielen Diskussionsbeteiligten aus dem Herzen, die vehement auf die soziale Ungerechtigkeit aufmerksam machen, die mit einem Einfahrtsverbot für Verbrenner ab 2025 verbunden wäre. Es würde die wachsende Tendenz zur „Zweiklassengesellschaft“ verstärken, zumal es einen nennenswerten E-Gebrauchtwagenmarkt dann noch nicht geben werde. „Der vollständige Tausch einer Fahrzeugpopulation ohne soziale Härten und Schäden in der Wirtschaft dauert über zehn Jahre“, heißt es an anderer Stelle. Vorgeschlagen wird deshalb, zuerst zu prüfen, ob die geforderten Grenzwerte auch ohne Verbote einzuhalten sind. Im nächsten Schritt könnten dann ggf. gestaffelte Maßnahmen ergriffen werden. Eine Staffelung ließe sich zum Beispiel über einen bundesweiten Stopp von Neuzulassungen ab 2025 erreichen. Das wäre sinnvoller als ein Einfahrtsverbot, schreibt ein Eher-Pro-Kommentator: „Die notwendige Signalwirkung an die Autobauer hätte beides, aber ein generelles Fahrverbot würde die Autobesitzer härter treffen, welche durch die kommenden Fahrverbote eh schon den Mist von Regierung und Industrie ausbaden dürfen.“

Während die drei vorgenannten Problemfelder alle eng mit dem zeitlichen Horizont möglicher Maßnahmen verknüpft sind, gibt es eine in der Diskussion mehrfach aufgeworfene Grundsatzüberlegung, die weitgehend zeitunabhängig ist. Sie lautet:

4. Nicht die Verbrenner sind das Problem, sondern der motorisierte Individualverkehr

Individuelle Elektromobilität löst demnach weder die Verkehrsprobleme der Städte noch geht sie nachhaltig mit Ressourcen um. Zwar sollte der Lieferverkehr in den Städten baldmöglichst elektrisch erfolgen, „der Individualverkehr muss allerdings auf alternative Lösungen verlagert werden (ÖPNV, Car-/Ridesharing)“, schreibt ein Eher-Pro-Kommentator. Noch deutlicher heißt es in einem Eher-Contra-Kommentar: „Verkehrssicherheit und Aufenthaltsqualität würden durch Elektrifizierung nicht ausreichend erhöht. Stattdessen sollte die Vision entstehen, den städtischen Verkehr so weit wie möglich zu ent-MIV-en, d.h. Ausbau ÖPNV, Stärkung Fuß- und Fahrradverkehr.“

Drei weitere Argumente werden nur von Diskussionsbeteiligten geäußert, die der These ganz oder eingeschränkt widersprechen. Sie lauten:

  1. Anreize sind besser als Verbote
    Wer versucht, die Elektromobilität mit Verboten voranzutreiben, schadet ihrer Entwicklung. Es kommt vielmehr darauf an, ihre Attraktivität und Wirtschaftlichkeit durch positive Anreize zu fördern, denn „aktuell sind zu viele Probleme in der Elektromobilität ungelöst: Recycling, Rohstoffengpässe, Batterieengpässe, Energieerzeugung, Lademöglichkeiten usw… Überstürztes Handeln löst diese Probleme nicht.“
  2. Vorschnelle Verbote schaden der Wirtschaft
    Einfahrtsverbote ab 2025 würden dazu führen, „dass bereits Jahre zuvor keine Verbrenner mehr verkauft würden bzw. die Preise ins Bodenlose fallen“. Das würde die Wirtschaft allzu abrupt ausbremsen. „Die Elektrifizierung deutscher Städte muss langfristiger erfolgen.“
  3. Verbrenner sind gar nicht so schlecht
    „Es ist überhaupt kein Problem, saubere Verbrennungsmotoren zu bauen“ und „effiziente Verbrennungsmotoren bleiben noch für absehbare Zeit die beste Lösung gegen den Klimawandel“ sind diesbezüglich typische Aussagen. Auch habe die Luftverschmutzung in deutschen Städten ihren Gipfel schon vor Jahrzehnten überschritten. Zudem gebe es Branchen, die viel mehr zum CO2-Ausstoß beitrügen als Automobile, z.B die Schiff- und Luftfahrt, von Kohlekraftwerken ganz abgesehen.

Fazit

Die Diskussion über mögliche Einfahrverbote für Verbrenner in Städte ab 2025 führte zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass zwar eine deutliche Mehrzahl der Beteiligten unserer These zustimmt, die Mehrzahl der in der Diskussion geäußerten Argumente aber gegen die These spricht. Mehr Gesundheit, Lebensqualität und Planungssicherheit durch ein verbindliches Signal für die Elektromobilität: Das sind die starken Argumente der Befürworter. Aber wer wünscht sich das nicht? Kaum ein Gegner der These hat explizit etwas gegen Elektromobilität – allerdings verwahren sich selbst manche ihrer Befürworter gegen ein vorschnelles Handeln, das technologisch und strukturell zum Teil noch auf tönernen Füßen stünde und schwerwiegende soziale Folgen hätte. Ein Contra-Kommentar bringt es auf den Punkt: „Ein wünschenswertes Szenario – aber so läuft das nicht. Dann dürften nur noch alle Reichen mit ihren E-Autos in die City, und das zu Recht wütende Normalvolk muss draußen bleiben.“

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