Last Mile Scooter werden legal!

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Die Verkehrswende kommt voran: Elektrische Kleinstfahrzeuge werden wohl ab 2019 in Deutschland endlich in einer eigenen Fahrzeugklasse geführt. Die Folgen: Der Verkehr wird bunter und auf den Radwegen wird’s enger. Wir haben beim Verkehrsministerium die Eckpunkte der neuen Regelung erfragt. Ein Überblick.

Wenn ein Longboard in einem angesagten Stadtteil einer Metropole plötzlich und stark beschleunigt, hat der Fahrer meistens eine Remote Control in der Hand. Siiipp, weg ist er. Ein Elektromotor hat seine Power gezeigt. Das macht Spaß – und ist abseits von privatem Grund illegal. Für die Vielfalt der elektrisch unterstützen Last Mile Scooter von Skateboards über Tretroller bis zu selbstbalancierenden Monowheels gab es bisher keine Regelung. Das ändert sich jetzt.

Ab 2019, so der Plan, schafft die Bundesregierung die neue Klasse der Elektrokleinstfahrzeuge. Auf Anfrage von electrive.net teilt das Bundesverkehrsministerium die wichtigsten Eckpunkte für die Personal Light Electric Vehicles (EU-Kürzel PLEV) mit:

  • Es gilt eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h. Das ist die bekannte Grenze für die Helmpflicht – sie besteht nicht. Viele Nutzer tragen aber aus Sicherheitsgründen bereits heute einen Helm.
  • Für Elektrokleinstfahrzeuge besteht eine Versicherungspflicht inklusive Versicherungskennzeichen. Zwar sind die Schäden, die von PLEVs verursacht werden können, monetär gering. Wichtiger aber dürfte der Aspekt sein, dass der Besitzer identifiziert werden kann.
  • PLEVs sind nach der Verordnung „generell auf vorhandene baulich angelegte Radwege oder Radfahrstreifen verwiesen“. Im Klartext: Es besteht Radwegbenutzungspflicht. Gibt es keinen, darf die Straße befahren werden.
  • Die Leistungsgrenze des Elektromotors beträgt 500 Watt. Für selbstbalancierende Fahrzeuge sind bis zu 1.200 Watt erlaubt.
  • Fahrdynamische Mindestanforderungen“ müssen erfüllt werden. Übersetzt: Ein Elektrokleinstfahrzeug muss verkehrssicher sein, es muss bremsen können, steuerbar sein und sehr wahrscheinlich eine Beleuchtungsanlage haben. Die Details sind noch nicht verabschiedet.
  • Die Regelung gilt bundeseinheitlich. Das ist ein wichtiger Umstand, damit kein chaotischer Flickenteppich unterschiedlicher kommunaler Vorgaben entsteht.
  • Das Inkrafttreten ist für Ende 2018 oder Anfang 2019 vorgesehen.

Das sind in mehrfacher Hinsicht gute Nachrichten. Zuerst für die Nutzer solcher Vehikel, die darauf hoffen können, bald ohne das Risiko der Ungesetzlichkeit fahren zu können. Und natürlich für die Unternehmer, die für eine klare Regelung gekämpft haben. So hat zum Beispiel der Hamburger Florian Walberg, der den E-Stehroller EGRET entwickelt hat, den Gang durch die Institutionen gewagt: Er hat in einem TCVM (Technical Committee on Motor Vehicles) der EU in Brüssel mitgearbeitet, um einen Fortschritt zu erzielen.

Einen Erfolg in Deutschland gab es trotzdem lange nicht.

Verzögerung unter Bundesverkehrsminister Dobrindt

Auch wenn jetzt ein Durchbruch erreicht wird, muss die Verzögerungshaltung der deutschen Behörden kritisiert werden. Während in anderen EU-Staaten längst munter gesurrt wurde, passierte hier nichts. Offiziell lag das an einem Auftrag, den das Bundesverkehrsministerium am 24. November 2014 an die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gegeben hatte. Es sollte geprüft werden, ob eine Einteilung der Elektrokleinstfahrzeuge in Kategorien möglich wäre.

Fast drei Jahre später, Ende Juli 2017, teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Grünen-Fraktion mit, dass die BASt ihre Ergebnisse am 24. Mai 2017 vorgelegt habe. Intern und nicht veröffentlicht. Und wieder geschah – nichts.

Chronologisch betrachtet, fällt die Zeit der Untätigkeit in die Ressortleitung des damaligen Ministers Alexander Dobrindt, aktuell Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Erst unter der Führung seines Parteikollegen Andy Scheuer ist offenbar eine Entscheidung zu Gunsten der Regelung getroffen worden.

Unterdessen ist es für die Autohersteller auf den internationalen Messen fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden, in die Kofferräume der elektrischen Showcars einen Last Mile Scooter zu legen. Seht her, so die Botschaft, das ist das coole Gefährt, mit dem ihr das letzte Stück des Weges zurücklegen könnt. Elektrisch, schnell, mühelos.

PLEVs offenbaren Schwächen der langfristigen Verkehrspolitik

Allerdings hat die überfällige Anpassung der Gesetzeslage an die technische Wirklichkeit auch Nachteile. So ist die Radwegbenutzungspflicht zwar logisch. In Großstädten ist deren Aufnahmekapazität speziell zur Rush Hour jedoch ausgeschöpft. Es müssen, so fordert es Anika Meenken, Referentin beim ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD), „unbedingt mehr Flächen und Mittel bereitgestellt werden für einen sichere […] sowie fehlerverzeihende Infrastruktur, für alle Alters- und Nutzergruppen“. Einmal mehr wird klar, dass die Kommunen dringend an der Verbesserung der Radwege inklusive deren elementaren baulichen Trennung arbeiten müssen – eine Aufgabe für Jahrzehnte.

Mutmaßlich wird die Versicherungspflicht für PLEVs zum wiederholten Mal die Frage auslösen, ob auch Fahrräder ein Kennzeichen brauchen. Auf die polemische Diskussion zur Identifizierbarkeit von sogenannten Kampfradlern könnte die Öffentlichkeit gut verzichten; es ist aber erwartbar, dass genau diese eintritt.

Außerdem kann nicht ignoriert werden, dass elektrisch unterstützte Fahrzeuge einen vehementen Beschleunigungsschub ermöglichen, der viele User überfordert. Bei Pedelecs ist eine erhöhte Zahl von Stürzen bedauerliche Realität. Und auch Menschen, die ein PLEV nutzen, sollten vorsorglich einen Helm oder Halsairbag tragen.

Wichtig ist, last but not least, dass die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr nicht leidet. Wenn Elektrokleinstfahrzeuge nicht mehr nur auf dem Campingplatz für den Weg vom Wohnmobil bis zum Waschhaus helfen, sondern in Dörfern und Cities herumkurven, können neue Konflikte mit Fußgängern, Rad- und Autofahrern entstehen.

Selbstdisziplin und Geduld werden also noch wichtiger als sie es ohnehin schon sind.

18 Kommentare

zu „Last Mile Scooter werden legal!“
Michael
23.10.2018 um 11:54
Versicherungs- und Kennzeichenpflicht, klar dass Deutschland das wieder versemmelt. Wo soll man denn an einem Hoverboard oder Skateboard ein Kennzeichen anbringen? Bremsen an einem durch Gewichtsverlagerung gesteuertem Hoverboard, auch interessant... Besser wäre bis 15km/h und alles frei...
Mane
24.10.2018 um 07:30
...frei in Deutschland? Wenn nicht alles reguliert, versichert und versteuert ist fühlen wir uns nicht wohl. Da müßte ich mich ja zu einem mündigen Bürger entwickeln, der bereit ist auch mal Rücksicht zu nehmen und nicht immer auf mein Recht / meine Vorfahrt zu pochen.
LuDe
23.10.2018 um 12:54
Na hoffentlich gibt es dann Klebekennzeichen für die Fahrzeuge! Bei einem sehr kleinen Scooter oder Onewheel noch ein BLECH-Nummernschild anbringen zu müssen, würde das Verletzungsrisiko nur deutlich steigern.Aber immerhin tut sich da was in absehbarer Zeit!
iKarlito
24.10.2018 um 07:53
OneWheels werden gar nicht erlaubt, von daher keine Sorge wegen des Kennzeichens
Sebastian
23.10.2018 um 17:32
Hoffentlich wird die Polizei im gleichen Zuge personell deutlich aufgestockt. Die armen Schweine müssen ja dann die ganzen zusätzlichen Unfälle aufnehmen. Und wenn es ein Kennzeichen gibt, gibt's sicherlich vermehrt Anzeigen weil viele ziemlich sicher mit ihrem PLEV fahren wie der letzte *piep*.Naja wenigstens wird's den Bestattern und Unfallchirurgen nicht langweilig.Sorry für die Polemik. Ich würde mir wünschen, dass es funktioniert damit noch mehr auf ihren Verbrenner verzichten aber ich glaube nicht daran. Ich persönlich werde ein PLEV nur auf der Fahrbahn fahren wenn ich konkrete Suizidgedanken habe.
jo
29.10.2018 um 14:13
...einfach mal die Dinger ausprobieren. Dann kann man auch mitreden. Aber ach, das ist ja schwierig zu fahren! ...nee, auch nicht schwerer als Fahrrad fahren-lernen. E sgibt eine Übungsphase und mit wachsender Erfahrung = sicherer. Also nicht schnacken, ....machen! ...dann reden!
Tobias Kaufmann
23.10.2018 um 17:52
Der aktuelle Referentenentwurf des BMVI ist das Gegenteil von einer guten Nachricht. Mit jedem Absatz wird dort ein anderes PLEV ausgeschlossen.Einzig Scooter mit Klingel, Blinker und einer ABE werden an Ende zähneknirschend erlaubt....Man würde sich doch etwas mehr Recherche bei dem Thema wünschen.
Mark
24.10.2018 um 00:19
Lesetipp:https://www.presseportal.de/pm/65031/4092363Interessante Info vom TÜV."Versicherungspflicht führt zu Mitnahmeverbot in Bussen und Bahnen“.Der TÜV-Verband fordert, Kleinstfahrzeuge wie Elektro-Tretroller (E-Scooter) mit Augenmaß zu regulieren. "Elektro-Tretroller sind Teil des zukünftigen Mobilitätsmixes in unseren Städten und sollten so flexibel und praktikabel wie möglich reguliert werden".
michael
24.10.2018 um 02:58
war doch schnell der Dobrindt. Beim Ramsauer (ebenso CSU) hats 8 Jahre gedauert das Wechselkennzeichen zu bringen. Damit kann man zwei Autos mit einem Kennzeichen nutzen, zahlt aber 2 mal die Steuer...CSU - nahe am Menschen.
Ulrich Krichel
24.10.2018 um 06:29
Diese Fahrzeuge sind durch die kleinen Räder nicht verkehrssicher da wird schon ein kleines Schlagloch einen schweren Sturz verursachen können da diese Dinger wendiger sind und lahmer als ein Fahrrad wird es auch zu Unfällen kommen
Manfred Hauptreif
24.10.2018 um 08:20
Da möchte ich gleich mal auf Ungleichbehandlung hinweisen. Mit einem normalen Fahrrad oder eBike bin ich locker in der Lage 25 km/h zu fahren. Für MTB sind 25 km/h eher langsam. Da muß man noch lange nicht von Kampfradlern reden. Versicherungspflicht? Fehlanzeige! Diese kleinen Roller sind deutlich sicherer zu fahren, als Fahrräder, bremsen, Fuß auf den Boden, fertig. Kein vom Sattel springen oder Umfallen, wenn ich nicht sofort stehen kann. Außerdem plädiere ich für Geschwindigkeitsbeschränkungen, nicht für Bauart bedingte Drosselung der Kraft. Gerade für Gehbehinderte muß auch mal eine Steigung überwunden werden, soll ich da wieder schieben müssen? Ein Porsche darf ja auch in der Stadt fahren, in der nur 50 km/h erlaubt sind.
Jakob
24.10.2018 um 13:10
Gibt es hier Möglichkeiten noch einzugreifen und einen Bürger Protest anzubringen? Diese Regelungen sind eine Verhinderung und keine Förderung! Versicherung für Kleinstfahrzeuge, gehts noch? Warum eine EINGEBAUTE Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h? Ich zwinge also demnächst die E-Bike Fahrer zu gefährlichen Überholmanövern, weil ich als Verkehrshindernis auf dem Fahrradweg fahre? Bei einem regulären Fahrrad wird gar nichts geprüft, also was soll der Unsinn? Ich bin gerade echt sauer.... Deutschland = Entwicklungsland!
Thomas Schrewe
24.10.2018 um 13:39
Liegt Ihnen eine überarbeitete Version des Referentenentwurfes vor oder wieso gehen Sie nicht auf die Regelungen ein, die Onewheels, Hoverboards und E-Skateboards auch weiterhin von der Straße fernhalten werden (Lenkstange, Hupe, Beleuchtung, zwei Bremssysteme...)?Der letzte Mist ist dieser Entwurf und führt dazu, dass Deutschland auch hier die notwendige Entwicklung hin zu ökologisch sinnvollem Personennahverkehr verschläft.
Matthias Breust
24.10.2018 um 14:12
1. Die Verordnung wird mW nicht für eSkateboards oder Monowheels gelten. Ohne LENKSTANGE darf man auch weiterhin nicht am öffentlichen Verkehr teilnehmen. 2. Der Bedarf einer bundesEINHEITLICHen Regelung stand offenbar im Vordergrund,um unterschiedliche Landesgesetze ("Flickenteppich") zu verhindern. Sonst kommen am Schluss alle nach Berlin, weil man da alles fahren darf. 3. Der Bedarf nach SICHERHEITs-Tools oder gegenseitiger Rücksichtnahme wiederum würde erheblich sinken, wenn man die Autos aussperrt.
Joerg Adae
26.10.2018 um 21:04
Na großartig.kleiner e-scooter mit Versicherung und Nummernschild-darf dann wieder nicht in der U/S/Strassenbahn mitgenommen werden. Alles wieder über-bürokratisiert nach bester deutscher Manier
Sven
26.11.2018 um 09:59
Ist doch super wenn die Dinger "nur" max 20 Km/h laufen dürfen. Dann kann man sich doch drauf einstellen das man sie hier im "Entwicklungsland" nicht groß genutzt werden können. Die meisten interessanten Scooter haben eine Geschwindigkeit von 25 Km/h. Auch wenn man sie mit der Software drosseln kann. Dennoch sind sie dann nicht zugelassen. Vielen Dank für die Reglementierung hier in diesem Staat.
DooM
26.11.2018 um 13:16
Die Kennzeichen sind der Burner, aber auch nice ist die OneWheel und Segway/Ninebot killerklausel "haltestange/lenker" und BLINKERWTF? Blinker? deren Ernst?
Benjamin Wendt
19.12.2018 um 09:51
Wann gibt's denn hier mal ein Update? Ich vermisse die öffentliche Diskussion. Der normaler Bürger, der die Geräte gerne benutzen würde, wird nicht eingebunden.Ich kann mir schon vorstellen, warum Boards ohne "Lenkstange" nicht zugelassen werden sollen. Weil es keiner der Politiker hinbekommen hat? Ein Versuch, zu schwierig, zu gefährlich, wir machen das mit den Fähnchen...Genau wie Fahrradfahren muss man das lernen. Ich finde die "Hoverboards" demnach sogar sicherer als "e-Tretroller". Die Tretroller kann jeder fahren, auch wenn er es noch nie gemacht hat. Dementsprechend schlecht fährt er vielleicht. Wer sich jedoch mal das Fahren auf einem einfacher Hoverboard beigebracht hat, weiß, dass man hier üben muss. Und wenn man es kann, dann fährt man damit sehr sicher. Ähnlich wie bei einem Fahrrad. Wenn es einem zu schnell ist, fährt man sowieso langsamer. Die meisten kleinen einfachen Hoverboards fahren nur 15km/h. Würde mir trotzdem reichen!Also bitte, falls das hier ein Politiker liest. Kaufen Sie sich bei Mediamarkt das kleinste, günstigste Hoverboard, und probieren sie es zu Hause mit einer zweiten Person aus, schön vorsichtig. Nach 10 Minuten können Sie es und es macht Spaß.

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