Wie Qwello das „Apple der Ladesäulen“ werden will

Bild: Daniel Bönnighausen

In Hamburg sind am Donnerstag einige Ladesäulen eines noch jungen Anbieters in Betrieb gegangen. Qwello will sich dabei vor allem auf die Nutzerfreundlichkeit konzentrieren und so schnell Marktanteile gewinnen. Ein Teil davon ist die auffällige AC-Ladesäule, aber auch die Software spielt eine wichtige Rolle.

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Am Anfang stand ein Gedanke, den viele Gründer haben: „Das können wir besser.“ Im Falle von Henrik Thiele war das immer wieder beim Laden seines Elektroautos der Fall. „Als Elektroautofahrer wissen wir, dass öffentliche Ladeinfrastruktur alles andere als nutzerfreundlich ist“, sagt Thiele. Also gründete er mit einem Geschäftspartner vor dreieinhalb Jahren ein Unternehmen, um es besser zu machen.

Das Ergebnis ist seit kurzem in München und seit diesem Donnerstag auch in Hamburg zu sehen. Dort hat das Unternehmen Qwello mit inzwischen 18 Mitarbeitern seine ersten Ladesäulen in Betrieb genommen. Während Unternehmensgründer Thiele andere AC-Ladesäulen gerne mit Kühlschränken vergleicht, erinnern die selbst entwickelten Säulen eher an Straßenlaternen mit integriertem Ladepunkt. Die Hardware ist aber nur ein Teil, wie Qwello das Ladeerlebnis verbessern will. Mindestens genauso wichtig ist die Software.

„Natürlich klingt es nicht sehr bescheiden, wenn wir sagen, dass wir das ‚Apple der Ladesäulen‘ werden wollen“, sagt Thiele im Gespräch mit electrive.net. „Letztendlich ist es aber das, was Apple macht: Durch eine intelligente Kombination von Hard- und Software bieten sie eine deutlich höhere Nutzerfreundlichkeit.“

Auffälligstes Merkmal ist zunächst das Format der Ladesäule. Sie ist 2,30 Meter hoch, „damit man sie sehen kann“, wie Thiele sagt. An der Spitze verfügt die Ladesäule zudem über eine eigene Beleuchtung. Das weiße Licht soll den Ladeplatz ausleuchten, eine Farb-LED über eine einfache Ampel-Kennzeichnung den Status der Ladesäule kommunizieren. Unter dem Display und dem RFID-Kartenleser verfügt die Ladesäule über eine konventionelle AC-Ladebuchse.

Diese werden aber wohl nur die wenigsten Kunden nutzen, denn darunter ist der eigentliche Clou verbaut: ein integriertes 11-kW-Ladekabel (7 Meter). Mit dem Kabel, das sich innerhalb der Säule aufrollt, soll das Laden für die meisten Fahrer von Elektroautos und Plug-in-Hybriden deutlich komfortabler werden. Nur wer mit 22 kW laden will – also etwa mit einem Renault Zoe oder Twingo Electric – muss das eigene Ladekabel aus dem Kofferraum holen und die Ladebuchse nutzen – das auf 32 Ampere ausgelegte 22-kW-Kabel ist deutlich dicker und ließ sich nicht so gut aufrollen wie das dünnere 11-kW-Kabel mit 16 Ampere. Für die Mehrheit der aktuellen Elektroautos reichen die 11 kW aus. Aber: Einphasig ladende BEV sind zum Teil auch auf die 32 Ampere angewiesen, wenn sie mit ihrer maximalen AC-Ladeleistung laden sollen – Fahrzeuge wie ein Nissan Leaf, Hyundai Kona Elektro (vor 2020) oder der Hyundai Ioniq Elektro profitieren ebenfalls von dem 22-kW-Kabel und wären mit 16 Ampere in ihrer Ladeleistung begrenzt.

Gebaut werden die Säulen übrigens in Deutschland, nicht von Qwello, sondern von einem Partnerunternehmen. Der Auftragsfertiger verfügt selbst über Erfahrung im Bereich der Ladeinfrastruktur und habe auch bei der Entwicklung beraten.

So weit, so konventionell. Fest angeschlagene Ladekabel bieten auch andere, eine selbstaufrollende Kabeltrommel ist kaum eine Innovation, die als Alleinstellungsmerkmal ausreicht. Hier kommen die Sensoren und die Anbindung an die Software ins Spiel: „Wenn vor einer normalen Ladesäule ein Falschparker steht, wird die Säule trotzdem als frei angezeigt“, sagt Thiele. „Es gibt nur wenige Dinge, die beim Elektroauto mehr frustrieren, als eine blockierte Ladesäule, wenn man selber dringend laden muss. Mit ihrer Sensorik stellt unsere Säule fest, ob der Platz tatsächlich frei ist oder nicht und meldet diese Info in Echtzeit an die App.“

Die App verfügt zudem über eine Routenführung – aber nicht zwangsweise direkt zum Ladepunkt, sondern zum eigentlichen Ziel. Die App soll dann den nächstgelegenen freien Ladepunkt vorschlagen und angeben, wie weit es bis zum Ziel ist. Wer diese Navi-Funktion – aktuell mit Google Maps, später auch mit weiteren Diensten wie etwa Here – nutzt, soll innerhalb von Sekunden darüber informiert werden, wenn die Säule von einem anderen Auto belegt wird – unabhängig davon, ob tatsächlich geladen wird. Dann sucht die App auf Wunsch den nächstgelegenen passenden Ladepunkt aus – alles auch per Sprachsteuerung.

Reservierung soll Lade-Komfort erhöhen

Dabei schlägt die App auch vor, dass die Ladesäule (allerdings nur Qwello-Säulen, nicht die ebenfalls in der App hinterlegten fremden Säulen) reserviert werden kann – gegen eine Gebühr von einem Euro kann die Ladesäule in den kommenden 15 Minuten nur von dem Nutzer freigeschaltet werden. Dabei kontrolliert die Software in Echtzeit, ob der Nutzer die Ladesäule auch innerhalb der 15 Minuten erreichen kann – ist er noch zu weit entfernt, kann die App 15 Minuten vor Ankunft daran erinnern, nun die Reservierung aufzugeben – auch hier wieder per Sprachsteuerung, um die Ablenkung beim Fahren zu minimieren.

Wird die Säule dann reserviert, wechselt ihr Status an dem farbigen LED-Ring dann von „grün“ (also frei) auf „gelb“. Das ist auch die Farbe für einen aktiven Ladevorgang – grundsätzlich in Betrieb, im Moment aber nicht für Dritte verfügbar. „Rot“ ist dann außer Funktion oder eben ein zugeparkter Ladeplatz. „Wir haben das Laden und Reservieren in einem Status zusammengefasst, weil es für Nutzer denselben Effekt hat – als Dritter kann ich dort aktuell nicht laden“, so Thiele. „Damit können wir auch das verständliche Ampelsystem beibehalten und müssen nicht Blau als vierte Farbe einführen. Wir haben lange darüber diskutiert, aber eine vierte Farbe wäre für den Nutzer nicht intuitiv gewesen.“

Sollte innerhalb dieses 15-Minuten-Zeitfensters ein Verbrenner die Ladesäule zuparken – andere Elektroautos können in diesem Fenster ja keinen Ladevorgang starten – soll der Nutzer das theoretisch nicht mitbekommen. „Unser Ziel ist es, Standorte mit vier Ladesäulen oder mehr zu errichten“, sagt Thiele. „Sollte die reservierte Ladesäule zugeparkt werden, wird die Reservierung auf eine freie Säule übertragen.“ Erst wenn alle Ladepunkte an einem Standort belegt sind, muss der Nutzer informiert und zu einem anderen Standort umgeleitet werden.

Bezahlung per Bluetooth-Token

Der Ladevorgang selbst kann dann natürlich ebenfalls über die App gestartet werden. Qwello bietet auch eine eigene Ladekarte an, Thiele sieht die RFID-Karten aber als „Technologie der Vergangenheit“. „Würde es nur um unsere eigenen Ladesäulen gehen, hätten wir vermutlich keinen RFID-Leser und -Karten mehr“, so der Qwello-Geschäftsführer. „Wir bieten sie aber aus Kompatibilitäts- und Roaming-Gründen trotzdem an.“ Dann können auch die Kunden des Partner-Stadtwerks mit ihrer Karte dort laden oder etwa Dienstwagenfahrer mit ihrer Tank- und Ladekarte des Arbeitgebers. Zudem können Ad-hoc-Lader über kontaktlose Kredit- oder EC-Karten, Apple Pay, Google Pay oder Samsung Pay bezahlen.

Thiele schwebt aber noch eine andere Lösung vor: Wer regelmäßig an Qwello-Säulen lädt, soll in seinem Auto gegen eine kleine Gebühr einen sicheren Bluetooth-Token installieren können. Dieser soll – ähnlich der „Auto-Péage“-Maut-Lösung in Spanien oder Frankreich – mit der Ladesäule kommunizieren und den Ladevorgang freischalten. Der Fahrer muss dann nur noch das Ladekabel einstecken und nicht bei schlechter Witterung an der Ladesäule warten, bis der Ladevorgang endlich freigeschaltet ist. Zum Start ist die Lösung noch nicht verfügbar, soll aber in den kommenden Monaten folgen.

Wer den Ladevorgang über die Qwello-App, -Ladekarte oder künftig per Token freischaltet, lädt zu den Konditionen von Qwello. In München sind das 0,26 €/kWh und in Hamburg 0,28 €/kWh. In beiden Städten kommen noch 0,02 €/min hinzu, wobei jeweils im Nacht-Tarif von 21 Uhr bis 7 Uhr die Zeitkomponente auf 3,60 € begrenzt ist – damit will Qwello vermeiden, dass Kunden nachts umparken müssen. Tagsüber läuft die Uhr aber weiter. Beim Laden mit Karten von Roaming-Partnern wird nach deren Konditionen abgerechnet. In den Ladenetz-Verbund sind die Säulen bereits integriert, die intercharge-Anbindung (Hubject) soll bald folgen.

Erstes Großprojekt soll 2021 starten

Für Thiele ein weiterer Schritt zu mehr Nutzerfreundlichkeit: Auf dem Display der Ladesäule wird nicht nur der Tarif angezeigt, sondern am Ende des Ladevorgangs eine Übersicht der entstandenen Kosten. Zumindest nach den Qwello-Konditionen, die Angebote der Roaming-Anbieter können nicht angezeigt werden. Ad-hoc-Lader zahlen den Qwello-Preis, können aber eben nicht reservieren. Die Ladehistorie gibt es ebenfalls nur für registrierte Nutzer, Ad-hoc-Lader erhalten am Ende des Ladevorgangs einen Code, mit dem sie ihren Ladevorgang in der Transparenzsoftware kontrollieren können.

Nach München und Hamburg sollen bald weitere Städte folgen – auch außerhalb Deutschlands. „Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr unser erstes größeres Projekt starten können“, sagt Thiele. „Das wären mindestens 200 Ladesäulen in einer Stadt, können aber gerne auch 1.000 Säulen sein.“

Städte sind dabei der bevorzugte Ansprechpartner des Unternehmens. Bereits parallel zur Entwicklung der Säule hat Thiele die ersten Gespräche mit Großstädten von 200.000 Einwohnern und mehr gesucht. Das Ziel: In der Stadt Ladeinfrastruktur aufbauen und betreiben zu dürfen. Und das in verschiedenen Ausprägungen. „Je nach Bedarf können wir alles selbst durchführen, wir können aber auch in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Stadtwerken nur bestimmte Aufgaben übernehmen“, sagt Thiele. „Wenn es darauf ankommt, finanzieren wir die Anlage auch – dann benötigten wir nur eine sichere Konzession über mehrere Jahre.“

Für den halböffentlichen Bereich mit privaten Ladeinfrastruktur-Betreibern sieht Thiele das eigene Produkt weniger geeignet. „Wie man der Optik und Funktionalität unserer Säule entnehmen kann, sind wir nicht die günstigsten“, sagt der Qwello-Chef. „Wenn es primär um den Preis oder kostenlose Ladepunkte für Kunden geht, gibt es andere Anbieter, die besser geeignet sind. Wir haben den Fokus auf die Usability gelegt und denken, dass wir über die Nutzerfreundlichkeit die Kosten wieder einspielen können.“

8 Kommentare

zu „Wie Qwello das „Apple der Ladesäulen“ werden will“
Christian
19.11.2020 um 16:51
Je nach Auto nützen die 11kw bzw. 16A nicht viel. Die einphasig en Lader wie beim Corsa e laden bei 16A nur mit max. 3,7kW (230V x 16A=3680). Daher braucht man für die 11kW die 32A. Die 22kW beim Zoe erreicht man nur mit 3 Phasen und 32A Leistung. Leider wird diese Simple Physik selten berücksichtigt, wenn es um Ladesäulen und theoretischen Lade Leistungen geht.
Andreas Jung
19.11.2020 um 19:40
Steht oben im Text. Die Steckdose ist 32 A, nur das installierte Kabel hat 16 A
Tochter Proserpina
19.11.2020 um 18:54
Daran waren schon einige heimer beteiligt. Glück & Pech liegen nah aneinander. Setzt man jedoch auf das richtige Pech, kann man durch Lauf das Glück zurückerlangen.
Martin
20.11.2020 um 08:21
Abgesehen davon, dass ich für den gesamten öffentlichen Laderaum DC bevorzugen würde (von 11 kW aufwärts), hat Qwello sich da schon einige nette Features einfallen lassen.
Oaito
20.11.2020 um 23:35
Eigentlich finde ich die Dinger mit Kabeltrommel eine tolle Sache, das eigene Kabel per Hand bei Regen einzuräumen ist unbequem. Die Trommel sieht zwar komisch aus, aber seisdrum. Auch die Reservierung und Fremdparkerüberwachung finde ich einen pragmatischen Ansatz.Bleibt noch eine Frage, wenn ich nun mit meinem Tesla rückwärts ranfahre und dann mit 11kW lade, brauche ich vielleicht 50cm abrollen. Spielt Wärmeentwicklung eine Rolle wenn 6,5m aufgerollt bleiben in der Trommel?Viele Grüße! Oaito.
Henrik Thiele
21.11.2020 um 00:06
Hallo Oaito,Du kannst das Kabel ruhig eingerollt lassen. Kein Problem!Viele GrüßeDas Qwello Team
Volker
03.12.2020 um 15:41
Warum nicht gleich DC ?
Stefan
08.12.2020 um 14:55
26 Cent/kWh kostet ja schon der Strom. Und von 2 Ct/Min lässt sich ein Unternehmen finanzieren? Wohl kaum, oder?

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