Bund legt milliardenschweren Zukunftsfonds für Autoindustrie auf

Für die Ausgestaltung des im Herbst 2020 beschlossenen Zukunftsfonds der Bundesregierung für die deutsche Automobilindustrie hat ein Expertenausschuss nun Förderempfehlungen vorgelegt. Der Fonds umfasst eine Milliarde Euro für die Jahre 2021 bis 2025.

Bei dem Autogipfel im November hatte sich die SPD mit der Forderung nach einem „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ ergänzend zu dem kurzfristigen Konjunkturpaket durchgesetzt. Bereits damals wurde ein Betrag von einer Milliarde Euro genannt, um den Wandel der Industrie, explizit aber auch bei den Zulieferern, langfristig zu unterstützen.

Wie das Bundeswirtschaftsministerium nun anlässlich eines weiteren Autogipfels – vermutlich dem letzten Treffen dieser Art unter Angela Merkel als Bundeskanzlerin – mitteilte, hat der Expertenausschuss unter den Vorsitzenden Ina Schaefer und Jens Südekum ihre Empfehlungen vorgelegt. Bei dem 6. Spitzentreffen Konzertierte Aktion Mobilität – wie der Autogipfel offiziell heißt – waren hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft anwesend.

Die Experten haben drei Förderschwerpunkte empfohlen: Regionale Kooperationen aller relevanten Akteure, um vor Ort Transformationsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Da die Digitalisierung der Autobranche „existentiell für deren Zukunft“ sei, soll die Digitalisierung weiterer vorangetrieben werden. Zudem müsse „die Fertigungstechnik für die Mobilität der Zukunft“ gefördert werden.

„Wir wollen, dass die Mobilität der Zukunft auch weiterhin Mobilität ‚made in Germany‘ ist. Daher ist der 1 Milliarde Euro umfassende Zukunftsfonds Automobilindustrie ein wichtiges Instrument, um die Transformation in der Automobilindustrie zu begleiten und Arbeitsplätze zu sichern“, sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier. „Die Automobilindustrie ist eine tragende Branche unseres Wirtschaftsstandorts mit hunderttausenden Arbeitsplätzen und diese Stärke wollen auch in Zukunft sichern. Erste Förderprogramme des Zukunftsfonds Automobilindustrie sind bereits gestartet; weitere werden nun folgen.“

„Unser Ziel ist, dass die deutsche Automobilindustrie die klimafreundlichen Autos der Zukunft baut, neue Arbeitsplätze entstehen und Wertschöpfung erhalten bleibt“, sagt Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Konkret sollen aus dem Fonds 340 Millionen Euro für ein Transfergesamtkonzept zur Verfügung gestellt werden – damit sollen auch die vorgeschlagenen regionalen Transfernetze finanziert werden. In diesem Block will das BMWi auch „Transformations-Hubs“ fördern, die den „Wissenstransfer insbesondere hin zu KMU“ verbessern sollen. Hierfür wurde Deutschland in 70 Cluster eingeteilt. Diese können sich um Fördergelder bewerben, um gemeinsam mit Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Arbeitsagenturen sogenannte „Transformationsagenturen“ aufzubauen.

Für die Förderung zu Digitalisierungs-Projekten sind ebenfalls 340 Millionen Euro vorgesehen. Die Themenschwerpunkte sind Betriebssysteme und E-Architekturen, Software und Systems Engineering, Absicherung/ Validierung, Digital Twins und Virtualisierung.

Die nachhaltigen Wertschöpfungsketten sollen mit 320 Millionen Euro unterstützt werden. „Schwerpunkte liegen in der Kreislaufwirtschaft und der Befähigung des Mittelstands für die Elektromobil-Produktion und der Produktion von E-Antrieben und Brennstoffzellen“, so das Bundeswirtschaftsministerium.

BMWi weicht von Experten-Empfehlung ab

Diese Aussage aus der Pressemitteilung des BMWi ist interessant. Dem „Handelsblatt“ liegt das 34-seitige Dokument des Expertenausschusses vor. Laut der Wirtschaftszeitung geht es darin aber vor allem darum, wie die effiziente und nachhaltige Produktion von Elektroautos unterstützt werden könne. „Ob neben dem elektrischen Antrieb Wasserstoff oder andere Kraftstoffe in Zukunft eine Rolle spielen könnten, haben die Berater der Autogipfelrunde gar nicht mehr diskutiert“, so das „Handelsblatt“. Das Ministerium hat die Brennstoffzellen hingegen wieder aufgenommen.

„Es gibt 70 Cluster in Deutschland, von denen 20 bis 30 potenzielle Problemfälle sind“, sagt der Co-Vorsitzende des Expertenausschusses, Professor Jens Südekum von der Universität Düsseldorf, dem „Handelsblatt“. „Sie sind geprägt von vielen kleinen Zulieferern, die bisher stark auf die Verbrennertechnologie fokussiert sind und noch keine Strategie für die Zukunft entwickelt haben.“ Darunter sind etwa Berlin und Köln, aber auch Mittelhessen, Osnabrück, Westthüringen, Mittelfranken, aber auch Pforzheim und Reutlingen in der Nähe zu Stuttgart.

Nicht nur bei der Formulierung mit der Brennstoffzelle weicht die Mitteilung des BMWi von der Experten-Empfehlung ab: Diese hatten angeregt, für die wichtige Digitalisierung bis zu 410 Millionen Euro einzuplanen und für die Transfer-Strategie bis zu 380 Millionen Euro – geworden sind es jeweils 340 Millionen Euro.

„In Anbetracht der an Geschwindigkeit gewinnenden Entwicklung hin zu digitalen und technisch anspruchsvollen Mobilitätslösungen treten neue Akteure wie international agierende IT- und Softwareunternehmen bereits heute stark in Konkurrenz mit traditionellen Automobilherstellern und -zulieferern“, begründet die Expertengruppe ihre Forderung nach den 410 Millionen Euro. „Folglich müssen sich Unternehmen der deutschen Automobilindustrie dem Wettbewerb mit kapitalstarken Digitalunternehmen stellen, während sie gleichzeitig bisherige Wertschöpfungsketten aufbrechen und in noch zu erschließende Bereiche und Geschäftsfelder neu investieren müssen.“

Allerdings muss auch erwähnt werden, dass das Ministerium die von den Experten empfohlene Aufteilung nicht 1:1 übernehmen konnte: Diese hatten laut dem „Handelsblatt“-Bericht auch noch 235 Millionen Euro für neue Fertigungstechniken und 175 Millionen Euro für nachhaltige Wertschöpfungsketten vorgesehen. Macht in der Summe 1,2 Milliarden Euro – und damit 200 Millionen Euro mehr, als zur Verfügung standen.
bmwi.de, handelsblatt.com, spiegel.de

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