eMobility-Umrüster fordern Änderung an Nfz-Förderrichtlinie

Anfang August hatte das Bundesverkehrsministerium einen Förderaufruf zu Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben veröffentlicht – davon hätten auch Umrüst-Spezialisten profitiert. Mehrere Unternehmen haben jetzt einen Beschwerdebrief an das BMVI geschrieben und fordern eine Änderung des Programms. Von einer Mogelpackung ist die Rede. Was ist passiert?

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Der erste Förderaufruf aus dem KsNI-Programm („Klimaschonende Nutzfahrzeuge und Infrastruktur“) ist eigentlich klar. Gefördert werden Neuanschaffungen von „klimafreundlichen“ Nutzfahrzeugen der Klassen N1, N2 und N3 sowie die Umrüstung auf alternative Antriebe bei Fahrzeugen der Klassen N2 und N3 mit bis zu 80 Prozent der Investitionsmehrausgaben im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug. So hatten auch wir berichtet, schließlich steht auch in einem Merkblatt zu den Umrüstungen: „Der Zuschuss beträgt 80 % der technologiebedingten Investitionsmehrausgaben.“

Die Hersteller von Neufahrzeugen der genannten Klassen und auch die spezialisierten Unternehmen, die bestehende Nutzfahrzeuge auf Elektroantriebe umrüsten, fühlten sich in dem bestätigt, was das BMVI lange Zeit in Aussicht gestellt hatte. Im Frühjahr hatte das Ministerium noch eigens eine Taskforce eingerichtet, die Qualitätsstandards für die Umrüstung von Nutzfahrzeugen festlegen sollte. Auch der Tenor der Taskforce war laut Brancheninsidern: Die Umrüstkosten werden zu 80 Prozent gefördert. „Der Markt war paralysiert“, sagt Andreas Pfeffer, Geschäftsführer des Umrüsters I SEE Electric Busses. „Keiner hat eine Umrüstung beauftragt, seitdem Andreas Scheuer vor mehr als zehn Monaten eine 80-Prozent-Förderung angekündigt hatte.“

Immerhin war die Aussicht angesichts der eindeutigen Ankündigung gut. Doch so klar ist die Sache jetzt nicht mehr: In dem Merkblatt zu dem Förderaufruf, das anders als bei vorangegangenen Förderprogrammen nicht mehr vom Projektträger Jülich, sondern dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) erstellt wurde, schreibt das BAG unter Verweis auf Nummer 5.2 der KsNI-Richtlinie: „Im Rahmen der Umrüstung handelt es sich um die Ausgaben, die erforderlich sind, um ein Nutzfahrzeug mit konventionellem Antrieb auf eine klimaschonende Antriebsart umzurüsten (technologiebedingte Investitionsmehrausgaben).“

Doch keine 80 Prozent für Umrüstungen

In einem von der NOW veranstalteten Online-Seminar „Förderung klimafreundlicher Nutzfahrzeuge“ wurde den Unternehmen einige Tage später erklärt, wie der Bund diese Bemessungsgrundlage versteht. Laut Seminarteilnehmern wurde dort bekannt gegeben, dass nicht die Umrüstkosten selbst als Investitionsmehrausgaben bewertet werden, sondern dass im Fall eines gebrauchten Fahrzeuges, das umgerüstet werden soll, dessen begutachteter Restwert im Vergleich zu einem Diesel-Neufahrzeug bei der Förderhöhe gegenüber gestellt werden soll. Selbst wenn sich das Gebrauchtfahrzeug bereits im Besitz des Flottenbetreibers befindet.

Was das in der Praxis bedeutet, rechnen nun die Geschäftsführer von sechs Umrüst-Spezialisten in einem Beschwerdebrief an Steffen Bilger, Staatssekretär im BMVI, vor: Kommt ein gebrauchtes Diesel-Nutzfahrzeug gemäß Gutachten auf einen Marktwert von 70.000 Euro, sorgt das Fahrzeug inklusive der 200.000 Euro teuren Umrüstung für Ausgaben von 270.000 Euro. Da die Anschaffung eines vergleichbaren Diesel-Neufahrzeugs mit ebenfalls 200.000 Euro veranschlagt wird, fallen gemäß der Beispielrechnung 70.000 Euro „technologiebedingte Investitionsmehrausgaben“ an. Von diesen werden dann 80 Prozent, also 56.000 Euro, gefördert. Der tatsächliche Zuschuss liegt in diesem Beispiel bei 28 Prozent, dem Kunden bleiben Kosten von 214.000 Euro – also mehr, als ein fabrikneues Dieselfahrzeug kostet.

Im Merkblatt des BAG liest sich dieses Beispiel anders: Bei Ausgaben für die Anschaffung des umgerüsteten Fahrzeugs von 270.000 Euro (davon 200.000 Euro Umrüstkosten) stellt das Bundesamt als Vergleichswert für ein Diesel-Neufahrzeug nur 100.000 Euro entgegen – die Hälfte dessen, mit dem die Umrüst-Experten rechnen. So ergäbe sich eine Investitionsmehrausgabe von 170.000 Euro und ein Zuschuss von 136.000 Euro. Den Kunde würde das Fahrzeug hier noch 134.000 Euro kosten.

Förderquote nur zwischen zehn und 60 Prozent

Dieses Beispiel des BAG will Andreas Pfeffer, einer der Unterzeichner des Bilger-Briefs, im Gespräch mit electrive.net nicht so stehen lassen. „70.000 Euro begutachteter Gebraucht-Wert entspricht einem typischen Müllsammelfahrzeug Baujahr 2015“, erklärt der Umrüst-Experte. „Ein solches Fahrzeug hat aber nicht einen Neupreis von 100.000 Euro, sondern kostet über 200.000 Euro. Bei schweren Nutzfahrzeugen sind die Zahlen, mit denen das BAG gerechnet hat, einfach nicht realistisch.“ Bei anderen Beispielen, die Pfeffer anführt, liegen die Förderquoten zwischen 28 und 35 Prozent – etwa einen älteren Zwölf-Meter-Bus. Allerdings werden in dem aktuellen Förderaufruf Busse nicht gefördert, hierfür wird es eine eigene Förderrichtlinie geben, die derzeit noch final abgestimmt wird. Betreiben BMVI und BAG bei der Umrüstung also Schönrechnerei?

Insgesamt gehen die sechs Unterzeichner I SEE Electric Busses, I SEE Electric Trucks, Orten Electric Trucks, E-Works Mobility, Elerra Motiv und Turn-E davon aus, dass die Mehrkosten der Umrüstung eines gebrauchten Nutzfahrzeugs nur noch mit zehn bis 60 Prozent gefördert werden – und damit „in sehr vielen Fällen keine Alternative zum Neukauf“ darstellen, wie es in dem Schreiben an das BMVI heißt.

Würde hingegen die gesamte Umrüstung als „technologiebedingte Investitionsmehrausgabe“ anerkannt, würde das Fahrzeug aus der Beispielrechnung mit 160.000 Euro gefördert. Dem Kunden blieben Kosten von 110.000 Euro für den umgerüsteten E-Lkw. Die reinen Anschaffungskosten sind bei schweren Lkw natürlich nur ein Teil der Kalkulation, mit geringeren Energie- und Wartungskosten holen elektrische Lkw ihre Mehrkosten über die Jahre wieder rein. 104.000 Euro Differenz in der Anschaffung sind aber eine hohe Bürde.

Während das Beispiel aus dem Brief an das BMVI eher ein größeres Fahrzeug betrifft, führt Orten Electric Trucks gegenüber electrive.net ein anderes Segment an: nämlich Transporter wie den Iveco Daily mit vier Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, also ein typisches Zustell-Fahrzeug der Deutschen Post oder anderer Logistiker. Mit 10.000 Euro begutachtetem Marktwert und 55.000 Euro für die Umrüstung sorgt dieses Fahrzeug für Anschaffungskosten von 65.000 Euro. Ein konventionell angetriebenes Neufahrzeug veranschlagt Orten mit 32.000 Euro, womit sich Investitionsmehrkosten von 33.000 Euro ergeben. 80 Prozent Förderung würden hier also 26.400 Euro entsprechen – 48 Prozent der angekündigten Summe. Würde der Fördersatz von 80 Prozent hingegen auf die gesamten Umrüstkosten gerechnet, würde ein solcher Iveco Daily mit 44.000 Euro gefördert. Für den Kunden macht das eine Differenz von 17.600 Euro.

„In dieser Form ergibt die Regelung klimapolitisch keinen Sinn“, sagt Robert Orten, Geschäftsführender Gesellschafter von Orten Electric Trucks. „Deshalb wollen wir nach Möglichkeit noch eine Änderung des aktuell laufenden Förderaufrufes erreichen. Oder wenigstens, dass die Regelung für den zweiten Förderaufruf im Jahr 2022 angepasst wird.“

Letzteres scheint zumindest möglich, wie die Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage von electrive.net nahe legt: „Für eine Beurteilung der Frage, ob eine etwaige Benachteiligung einzelner Antriebstechnologiealternativen, Fahrzeugtypen oder Nutzungsszenarien vorliegt, sind die eingehenden Anträge und die Angaben in den einzelnen Anträgen zu Grunde zu legen und demzufolge deren Erhalt abzuwarten“, so ein Sprecher des Ministeriums. „Im Zuge der vorgesehenen Evaluierung der Ergebnisse des ersten Förderaufrufs wird anhand der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Datenbasis geprüft werden, ob Anpassungen an den Priorisierungs- bzw. Auswahlkriterien oder der Fördersystematik vorzunehmen sind.“

Umrüster sehen Benachteiligung gegenüber Fahrzeugherstellern

Laut I-SEE-Geschäftsführer Pfeffer geht es den Unterzeichnern weniger um die Förderhöhe allgemein, als um die Vergleichbarkeit. „Niemand hat ein Problem damit, im geringen Maße gefördert zu werden, wenn nicht tatsächlich die OEM mit 80 Prozent im Wettbewerb erheblich bevorteilt wären“, so Pfeffer. „Durch die lange angekündigte Förderung, die jetzt plötzlich anders ausgestaltet ist, haben wir Kunden und Investoren gegenüber zudem an Glaubwürdigkeit verloren.“ Die Mehrkosten für einen neuen E-Lkw direkt vom Hersteller werden im Vergleich zum Diesel-Neufahrzeug mit 80 Prozent gefördert – ohne Einrechnung weiterer Faktoren.

Dazu kommt aus Sicht der sechs Umrüster ein weiterer Effekt: Die vom zuständigen Bundesamt für Güterverkehr vorgeschlagene Berechnungsformel würde dazu führen, dass vor allen Neufahrzeuge mit Dieselmotor umgerüstet werden – denn hier wird nur der Anschaffungspreis des vergleichbaren Diesel-Neufahrzeugs vom Angebot des Umrüstunternehmens abgezogen. Der fabrikneue und unter Ressourceneinsatz hergestellte Verbrenner-Antriebsstrang wäre noch vor der ersten Fahrt Altmetall.

„Dieses Vorgehen widerspricht allen Ansätzen der Nachhaltigkeit und den Klimazielen“, heißt es in dem Brief. „Im Sinne der Klimaziele und mit einer großen Hebelwirkung ist es, ältere Fahrzeuge mit einer nicht mehr zeitgemäßen Abgasreinigung auf einen klimaschonenden Antrieb umzurüsten, um so einen wirklichen Beitrag zur CO2-Reduktion und Luftgüte zu leisten.“

Anschaffung von Transportern wird gefördert, Umrüstung aber nicht

Früher wurden ältere und abgeschriebene Fahrzeuge oft nach Osteuropa weiterverkauft. Doch zumindest in den dortigen EU-Mitgliedstaaten müssen ebenfalls die EU-Klimaziele erreicht werden – dieser „Weg“ versiegt also. Bleiben die Fahrzeuge in Deutschland, wäre eine Umrüstung mit Blick auf die Nachhaltigkeit bei „guten Gebrauchten“, wie Pfeffer es ausdrückt, sinnvoll – aus Sicht der Umrüster lohnt sich das für den Eigentümer wegen der oben beschriebenen Förderpraxis, die Neufahrzeuge bevorzuge, aber oft nicht.

Was in der Aufregung über die Förderhöhe bei der Umrüstung beinahe etwas untergeht, ist der Fakt, dass in dem KsNI-Programm zwar Neuanschaffungen von Fahrzeugen der Klassen N1, N2 und N3 gefördert werden, bei den Umrüstungen aber nur die Klassen N2 und N3. Die N1-Nutzfahrzeuge, also die durchaus weit verbreiteten Transporter, werden nicht gefördert, wenn sie von Diesel auf Elektro umgerüstet werden. Auf Anfrage begründet das BMVI den Fokus auf die Klassen N2 und N3 mit der „Marktentwicklung im Segment der leichten Nutzfahrzeuge“. Sprich: Es gibt ab Werk bereits einige neue E-Transporter, bei den schwereren N2- und N3-Fahrzeugen gibt es dieses Angebot noch nicht – daher wird hier die Umrüstung gefördert.

Eine Einschätzung, die die Umrüst-Experten nicht teilen – da sie vor allem Bestandsfahrzeuge umbauen wollen. „Es ist unverständlich, warum die Umrüstung von N1-Fahrzeugen nicht berücksichtigt wird“, sagt Robert Orten. „Als Lieferwagen sind genau solche Fahrzeuge in großer Zahl vermehrt in den Innenstädten unterwegs. Für die Luftreinhaltung wäre das ein enormes Potenzial.“

1 Kommentar

zu „eMobility-Umrüster fordern Änderung an Nfz-Förderrichtlinie“
Gerd
31.08.2021 um 14:36
ein Mann, ein Wort: B. Scheuert.

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