Fahrbericht: Audi e-tron GT auf der Langstrecke

Dass Elektroautos langstreckentauglich sind, ist inzwischen klar. Das Wie macht jedoch den Unterschied. Abseits von Tesla – die Kalifornier haben das inklusive ihres Supercharger-Netzes nahezu perfektioniert – macht das Audi schon sehr gut. Wie gut, demonstrierte der Audi e-tron GT in unserem Test.

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Bevor wir jedoch zum Fahrbericht kommen, kurz noch einmal Details zur Technik: Der Audi e-tron GT ist das elektrische Spitzenprodukt der Marke. Beim Antrieb haben sich die Ingolstädter ganz klar beim Taycan bedient, schließlich baut der e-tron GT bekanntlich ebenfalls auf der J1-Plattform des Elektro-Porsches auf. So setzt Audi ebenfalls auf permanenterregte Synchronmotoren. Bei dem Elektromotor an der Hinterachse ist das aus dem Porsche bekannte Zwei-Gang-Getriebe verbaut. Audi gibt den e-tron GT quattro – unseren Testwagen – mit 350 kW Antriebsleistung an.

Die 800-Volt-Batterie kommt auf einen Brutto-Energiegehalt von 93,4 kWh, von denen 83,7 kWh nutzbar sind. Ist der chemische Speicher leer, kann dieser wie beim Taycan mit einer DC-Ladeleistung von bis zu 270 kW (eine Ladekurve finden Sie weiter unten) aufgeladen werden. Die AC-Ladeleistung liegt ab Werk bei 11 kW. Den ankündigten Onboard-Lader mit 22 kW gibt es weiterhin nicht.

Nach WLTP sollen bis zu 488 Kilometer möglich sein. Vorweggenommen werden kann: In der Realität sind bei überwiegend Autobahnfahrten – je nach Fahrweise – 330 bis 380 Kilometer möglich. Im reinen „Überlandbetrieb“ können es auch deutlich über 400 Kilometer sein. Eine genaue Angabe ist aufgrund individueller Fahrweisen, Topografie und Witterungsbedingungen ohnehin immer schwierig. Einen Eindruck soll unser nachfolgende Fahrbericht liefern.

Von Hamburg nach Schwalmstadt und zurück

Tour 1 (Hamburg <> Schwalmstadt): Es ging ab auf die Stammstrecke von Hamburg nach Schwalmstadt und zurück. Für den Audi e-tron GT keine wirkliche Herausforderung, auch wenn er die Distanz von 380 Kilometern aufgrund überwiegender Autobahnfahrt und Fahrweise nicht am Stück zurücklegen konnte. Bei Start der Reise zeigte das Fahrzeug einen State of Charge (SoC) von 82 Prozent an.

Nach erfolgter Zieleingabe berechnete das System einen ersten Ladestopp von 19 Minuten nach 220 Kilometern, um am eigentlichen Ziel mit 14 Prozent anzukommen. Aufgrund einer Sperrung musste ein Umweg gefahren werden, das System reagierte zudem auf die eigene Fahrweise und berechnete einen neuen Ladestopp. Der Audi kalkulierte eine Ankunft mit 15 Prozent, angekommen bin ich mit 16 Prozent. Eigentlich sollte der Ladevorgang ebenfalls nur 19 Minuten auf 64 Prozent dauern. Doch menschliche Bedürfnisse, der Hunger und auch kurzes Prüfen der Mails haben den Ladevorgang auf 21 Minuten verlängert. State of Charge? 80 Prozent. Weiterfahrt.

Nach 382 Kilometern (Gesamtstrecke ab Hamburg) wurde Schwalmstadt mit einem SoC von 36 Prozent erreicht. Die Werte auf dem Bordcomputer? Verbrauch von 23 kWh/100 km (netto), 79 km/h im Schnitt und eine Fahrtzeit von 4:49 Stunden (ohne Ladevorgang). Der Stau kostete mich mindestens 30 Minuten. Mit einem Verbrenner wäre ich also nicht schneller gewesen. Gefahren wurde wo möglich 130 km/h. Oft aber auch 150 oder gar 170 km/h.

Die Rückfahrt gestaltete sich ähnlich. Lediglich einen zusätzlichen Ladestopp kurz vor Hamburg hatte ich eingeplant, da es am nächsten Tag direkt weiter nach Texel gehen sollte. Nach 382 Kilometern zeigte der Bordcomputer auch hier einen Verbrauch von 23 kWh/100 km (netto) an. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 81 km/h und die Fahrtdauer ohne Ladepause bei 4:44 Stunden.

Audi e-tron GT taugt als Reiselimousine

Tour 2 (Hamburg <> Texel): Auf der Tour sollte sich zeigen, dass der Audi e-tron GT durchaus als Reiselimousine taugen kann. Einiges an Gepäck für zwei Personen (siehe Galerie) konnte ohne Probleme verstaut werden. Jedoch nicht zu viel für den e-tron GT, der ein Kofferraumvolumen von 405 Litern fasst. Zusätzlich noch einmal 85 Liter im Frunk. Erstes Tagesziel war Leeuwarden (360 km entfernt). Warum Audi bei der Routenplanung einen 50-kW-Lader bei einer BMW-Niederlassung einplante? Fraglich. Planung abgelehnt und eigenen Ladestopp ausgewählt. Abfahrt mit einem SoC von 80 Prozent. Während der Fahrt änderte sich die Planung. Nicht weil das Fahrzeug laden musste, sondern weil ich mir den Quick Ladepark in Sedelsberg (200 km entfernt) anschauen wollte.

Nach einer Gesamtstrecke (ab Hamburg) von 378 Kilometern endlich in Leeuwarden (Niederlande) angekommen. Und die Werte? Laut Bordcomputer ein Verbrauch von 21,8 kWh/100 km, 81 km/h im Schnitt und eine Fahrtzeit von 4:41 Stunden. Am nächsten Morgen ging es für einen kurzen Ladestopp zur Shell. Hier zeigte sich, weshalb der e-Routenplaner unabdingbar ist. Erst nach wenigen Minuten stieg die Ladeleistung deutlich an, die Batterie war bei Ladestart zu kalt. Mit einem SoC von 60 Prozent ging die Fahrt anschließend weiter. Nach 114 Kilometern wurde das Ziel auf Texel mit einem SoC von 34 Prozent erreicht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag mit 54 km/h auf einem niedrigen Niveau. Der Verbrauch nun bei 19,6 kWh/100 km.

Das Laden auf Texel selbst gestaltete sich unkompliziert. Zwar verfügte die niederländische Insel zu dem Zeitpunkt über keine Schnellladeinfrastruktur, dafür über sehr viele AC-Ladepunkte. Auch wenn diese oftmals belegt waren, war das Glück einem hold. Übrigens: Bis auf den Quick Ladepark wurde an allen Ladestopps mit der Karte von Audi (Audi e-tron Charging Service) geladen.

Nach wenigen Tagen stand die Rückfahrt auf dem Programm. Auch diese gestaltete sich ähnlich wie die Hinreise. Anzumerken ist, dass Audi die Routenplanung mit Ladestopps an das eigene Fahrverhalten anpasst. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass Ladesäulen entlang der Route selbst ausgesucht und hinzugefügt werden können. Eine gern genutzte Funktion. Nach 460 Kilometern in Hamburg angekommen, zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 21,6 kWh/100 km, 80 km/h im Schnitt und 5:46 Stunden Fahrtzeit (ohne Ladepausen) an.

Keine Frage, der Audi e-tron GT hat auf all seinen Routen – wenn auch bei guten Wetterbedingungen – im Verhältnis gute Verbrauchswerte erzielt. Er ist effizienter als man meinen könnte. Nicht umsonst hat ihn Christoph M. Schwarzer als „Kurvenstürmer der sparsamen Art“ tituliert. Wer jedoch meint, mit 200 km/h – sofern es die Verhältnisse zulassen – dauerhaft über die Autobahn zu spurten, der wird schnell einen Verbrauch von an die 40 kWh/100 km erreichen. Doch auch ein Verbrenner ist bei diesen Geschwindigkeiten alles andere als sparsam unterwegs, was gerne verdrängt wird. Besonders effizient geht der Audi e-tron GT mit Energie im Stadt- und im Überland-Betrieb um. Werte unter 20 kWh/100 km sind da keine Seltenheit. Einem Fahrzeug dieser Größe und Klasse würde man dies freilich nicht unbedingt zutrauen.

Der cW-Wert liegt übrigens bei 0,24. Zudem sollen der geschlossene Unterboden der Batterie, der Diffusor, der mehrstufig ausfahrbare Heckspoiler sowie aktiv schaltbare Lufteinlässe für Bremsen und Kühler die Aerodynamik verbessern – was sie offensichtlich auch tun, wenn auch von unserer Seite nicht messbar. Und ein weiterer Punkt kam noch hinzu: Die sehr hohe Ladeleistung, die zudem über einen recht langen Zeitraum gehalten werden konnte. Ob sich die Ladekurve im Winter auch noch so wie im Sommer verhält, das werden wir mit einem Test des RS e-tron GT für Sie überprüfen.

Sportliche Reiselimousine statt reisetauglicher Sportwagen

Der Audi blieb in allen Fahrsituation stets stabil und kontrolliert, was auch für das Kurvenverhalten – vor allem bei den Ausfahrten bei Stadt und Überland – galt. Hier spielte die Antriebskonfiguration von Audi seine typischen Stärken aus. Nach über 2,3 Tonnen Leergewicht fühlte sich der e-tron GT nie an. Immerhin beschleunigt der Stromer innerhalb von 4,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und in 14,6 Sekunden auf 200 km/h.

Bei allen Ausfahrten waren immer wieder die Blicke auf unserer Seite. Eine Begegnung der besonderen Art gab es auf dem Rückweg von Texel, als ein junger Herr mit seinem 3er BMW neben uns fuhr, hupte und mit einem Daumen nach oben positives Feedback zum e-tron GT gab.

Dennoch: Während der Porsche Taycan lieber ein reisetauglicher Sportwagen als eine sportliche Reiselimousine sein will, sieht das beim Audi e-tron GT genau andersherum aus. Das wird auch beim genannten Kofferraumvolumen deutlich, denn im Porsche Taycan sind es nur 366 Liter.

Und die Assistenzsysteme? Hier braucht es nicht viele Worte, denn Autor Christoph M. Schwarzer hat diese an dieser Stelle bereits beschrieben. Seine Erfahrungen können wir nach einem ausführlichen Test so unterschreiben.

Fazit

Ist der e-tron GT jetzt ein Porsche im Audi-Kleid? Nein. Auch wenn sich beide die Technik teilen. Der Audi ist eigenständig genug. Außen als auch innen. Der Audi ist und bleibt ein Audi. Darüber hinaus überzeugt – nach über 2.000 zurückgelegten Kilometern – die Kombination aus Fahrzeugform, Verarbeitung, Effizienz beim Fahren, Ladetechnik und der Fahrwerksqualitäten.

All das hat freilich aber auch seinen Preis. So startet der Audi e-tron GT bei einem Basispreis von 101.600 Euro. Dafür darf auch einiges an Leistung erwartet werden. Die Sache hat jedoch einen Haken: Mit etwas anderer Ausstattung (Wagenfarbe, Felgen o. Sitze) und Assistenzsystemen landet man schnell bei einem Preis von 125.000 Euro. Und dennoch dürfte die Halbierung der Bemessungsgrundlage des geldwerten Vorteils der Privatnutzung eines Firmenwagens bei der Auswahl – entsprechendes Budget vorausgesetzt – eines passenden Modells für den Audi e-tron GT sprechen.

3 Kommentare

zu „Fahrbericht: Audi e-tron GT auf der Langstrecke“
David
07.10.2021 um 14:45
Ich kann es nur bestätigen, der Mensch braucht mehr Pausen als das Auto zum nachladen. Langstrecke ist gar kein Problem und wer lernt, den Akku bis auf um die 10 % leer zu fahren um dann unterwegs schnellzuladen, erlebt jetzt schon die Zukunft. 14 Minuten auf 70%. Halt 800V.Allerdings fahre ich das Original mit cw 0,22 und cw x A= 0,51, was bei hohen Geschwindigkeiten einen Unterschied macht. Familientauglichkeit kann man auch dem Taycan bescheinigen. Wochenendtrip zu viert ist kein Problem.
gerd
07.10.2021 um 16:35
genau so sehe ich es auch, solche Pausen sind ja auch bei Berufskraftfahrern vorgeschrieben, nicht ohne Grund. ein Liter Sprit entspricht ca. 10kWh! die 3-Liter Autos werden also jetzt 2L Luxusautos...
Rue
08.10.2021 um 09:16
Der alte E-Up auf dem Sommertrip nach Holland brauchte ca. 15min Ladepause - allerdings dann nur für 100km bis zur nächsten Ladesäule: Verbrauch 10-11kWh bei Tempo 100 auf der Autobahn... Es geht schon vieles elektrisch... Der mitfahrende Passat trug aber 6 Fahrräder und brauchte auf den 400km nicht zu tanken: zurück ging auch noch. 6-7l Diesel auf 100km. Dabei mal nachgeschaut: 650kg Zuladung davon 100kg Dachlast: welches E-Fahrzeug kann das..?

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