Nio ET5: Gute Basis, aber Luft nach oben

Nach den beiden Oberklasse-Modellen ET7 und EL7 stößt Nio mit seinem dritten Europa-Stromer in die Business-Mittelklasse vor. Die erste Ausfahrt mit dem ET5 zeigt das Potenzial des Modells und der Nio-Plattform mit der Batterietausch-Technologie – es wird aber auch deutlich, wo es (für Europa) noch besser werden muss.

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Zugegeben, mit knapp 4,80 Metern Länge sitzt der Nio ET5 ein bisschen zwischen den Stühlen. Mittelklasse-Modelle wie das Tesla Model 3 oder der Polestar 2 sind mit 4,69 bzw. 4,61 Metern ein gutes Stück kürzer, ein Mercedes EQE ist hingegen mit 4,95 Metern als Vertreter der oberen Mittelklasse etwas länger. Ein BMW i4 kommt mit 4,78 Metern auf ein vergleichbares Maß wie der ET5, ein Hyundai Ioniq 6 mit 4,85 Metern auch. Theoretisch käme der Nio aber für Interessenten all der genannten Modelle in Frage.

Nio hat bei der Auslegung des ET5 ohnehin eher auf die Abgrenzung zu den eigenen Modellen geachtet als auf die Konkurrenz. Denn mit dem ET7 haben die Chinesen bereits eine große E-Limousine im Angebot. Die Unterschiede sind klar: Wie schon Mercedes mit dem Duo EQE und EQS und BMW mit dem i7 und dem kommenden i5 teilt Nio die Rollen klassisch auf: Die große Limousine ist voll auf Komfort getrimmt, das etwas kleinere Modell bietet immer noch ausreichend Platz, ist aber handlicher und fahrdynamischer ausgelegt.

Den Kern des Nio-Konzepts teilen sich aber beide Modelle: die austauschbaren Batterien. Der kleinere Stromspeicher kommt auf einen Energiegehalt von 75 kWh, was im ET5 für bis zu 450 Kilometer reichen soll. Die größere Batterie weist einen Energiegehalt von 100 kWh aus, was nach WLTP 590 Kilometer Reichweite ergibt. Weitere Unterschiede neben den Kosten (später dazu mehr): Bei der 100-kWh-Batterie handelt es sich rein um NMC-Zellen, im 75-kWh-Pack sind größtenteils LFP-Zellen verbaut – in den vier Ecken des Batteriegehäuses sitzen jedoch auch einige NMC-Zellen. Mit diesem gemischten Pack will Nio die Leistungsfähigkeit der Batterie sicherstellen, die NMC-Zellen dienen hier als eine Art Booster.

Kräftiger und gut abgestimmter Antrieb

Für die erste Testfahrt rund um Düsseldorf in Richtung bergisches Land hat Nio einen ET5 mit der großen Batterie gestellt, also das reine NMC-Pack. Um einen realistischeren Eindruck von der Reichweite als den WLTP-Wert zu bekommen: Bei 87 Prozent Ladestand zeigte der Bordcomputer immerhin noch 471 Kilometer an. In der Stadt, auf der Autobahn und auf den Landstraßen hat sich gezeigt, dass der Antrieb gut abgestimmt ist – das Zusammenspiel der beiden E-Motoren läuft reibungslos. Das Fahrwerk ist etwas straffer ausgelegt, aber auf der Autobahn nicht unkomfortabel – soweit der erste Eindruck.

Realistische Verbrauchswerte konnten wir bei der rund 90 Kilometer langen Testfahrt allerdings nicht ermitteln, denn in der begrenzten Fahrzeit bei der Fahrvorstellung ging es eben nicht nur um den Verbrauch, sondern auch um weitere Eigenschaften wie die Beschleunigung (im sportlichsten Modus sind 4,0 Sekunden versprochen), das Verhalten in den vier unterschiedlichen Fahrmodi und auch das Fahrwerk. Eine grobe Einschätzung: Im Eco-Modus dürften bei entsprechender Fahrweise Verbräuche zwischen 18 und 20 kWh/100km gut möglich sein, im Komfort- oder einem der beiden Sport-Modi dürften es aber 20 kWh/100km und mehr werden. Sprich: Im sparsamsten Fall könnten wirklich über 500 Kilometer drin sein, in der Praxis dürften es je nach Fahrweise und Fahrprofil 400 bis 500 Kilometer sein – also eigentlich ausreichend für eine Strecke zwischen zwei Ladestopps.

Wobei bei Nio der Fokus gar nicht auf dem (Schnell-)Laden liegt, sondern auf dem Akku-Tausch. Allerdings ist das im Moment nur bedingt möglich, denn in Deutschland sind gerade einmal zwei dieser „Power Swap Stations“ (PSS) in Betrieb – in Zusmarshausen nahe Augsburg im Sortimo-Ladepark und in Hilden am Seed&Greet-Ladepark. Eine dritte Anlage in Berlin ist zwar fertig, aber noch nicht in Betrieb – weitere Standorte sind im Bau.

Auch wenn Nio anhand der Erfahrungen aus seinem Heimatmarkt angibt, dass die Kunden kaum schnellladen, sondern vorrangig den Battery Swap nutzen, bleibt die Angabe der Ladezeiten für europäische Kunden noch eine Weile relevant: Bei dem LFP-Akku mit 75 kWh soll die Batterie in rund 30 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden können. Beim großen NMC-Akku dauert der gleiche Lade-Hub 40 Minuten, womit unabhängig von der Zellchemie die durchschnittliche Ladeleistung bei 105 kW liegt. Das ist – gerade gemessen an der Größe der Batterien – im Premium-Segment überschaubar. Ein Mercedes EQE 350 hat mit seinem 90 kWh großen Akku in unserem Test immerhin in 30 Minuten geladen (also mehr als der Nio mit 75-kWh-Batterie in der selben Zeit), der Ioniq 6 mit seinem 800-Volt-System und Ladezeiten von unter 20 Minuten ist aber für alle 400-Volt-Modelle außer Reichweite.

Batterietausch in fünf Minuten – oder in sieben

Sollte das Netz an Nio-Tauschstationen tatsächlich irgendwann ein praktikables Niveau erreichen, ist der Wechsel-Vorgang natürlich unschlagbar schnell: In unserem Test in Hilden hat es mit sieben Minuten aber etwas länger gedauert als geplant. Die Erklärung hierfür lieferte ein Nio-Mitarbeiter: Rund um die Fahrveranstaltung waren zahlreiche Fahrzeuge mit Journalisten unterwegs, die alle in Hilden den Batterietausch getestet haben. Die volle Batterie, die von der Tausch-Station in unser Fahrzeug eingebaut wurde, war zuvor in einem ET7 oder EL7 verbaut. Da diese beiden Modelle einen anderen Antrieb haben als der ET5 (150 kW an der Vorder- und 210 kW an der Hinterachse), musste auf das Batterie-Steuergerät noch die passende Software aufgespielt werden. Im Normalfall würde das die Station im Vorfeld erledigen, während das Fahrzeug noch in der Anfahrt ist. Dafür hat, aufgrund des hohen Aufkommens und der späten Buchung des Batterietauschs, die Zeit nicht mehr gereicht, weshalb das Steuergerät erst im Fahrzeug geflasht wurde. Andere Wechsel-Vorgänge waren tatsächlich in den angepeilten fünf Minuten erledigt.

Die erwähnte Buchung erfolgt übrigens vollautomatisch. Bei der Routenplanung wird der Batterietausch einkalkuliert und auf dem Zentral-Touchscreen angezeigt – dort gibt es auch die Infos, wie viele Batterien welcher Größe und mit welchem Ladestand dort vorrätig sind und wie viele andere Kunden noch in der Warteliste sind. In der PSS können fünf der gelagerten Akkus mit bis zu 80 kW geladen werden. Das ist aber nur in Ausnahmefällen tatsächlich so, in der Praxis soll die Ladeleistung geringer ausfallen – um die Akkus und das Stromnetz zu schonen. An Tagen mit sehr hohem Bedarf kann es aber vorkommen, dass der Akku, der dann eingebaut wird, noch nicht ganz auf 100 Prozent geladen ist. Mit 13 gelagerten Akkus (in Hilden waren es elf 100-kWh-Packs und nur zwei 75-kWh-Packs) sollte das aber selten vorkommen.

Übrigens: Der Wechsel des Batterie-Abos von zunächst 75 auf 100 kWh (oder zurück) ist technisch möglich, wird von Nio aber zunächst nicht angeboten. Dazu müssen erst im Hintergrund rechtliche Fragen geklärt werden, etwa falls es sich um einen Dienstwagen handelt: Mit dem aktuellen Preismodell (mehr dazu unten) würde der ET5 beim Wechsel auf eine 100-kWh-Batterie beim Neupreis über die für die Dienstwagenbesteuerung relevanten 60.000 Euro (0,25 statt 0,5 Prozent) kommen – auch wenn das Auto für einen Preis von weniger als 60.000 Euro beschafft wurde. Der Hersteller ist mit den Bundesministerien im Austausch.

Ladeplanung liefert nicht immer gute Ergebnisse

Ein Kritikpunkt in dem Preissegment: Der ET5 kann nur die Stopps an den eigenen Power Swap Stations gut einplanen, die Routenplanung mit Ladestopps ist verbesserungswürdig. Auf testweise kalkulierten Routen wurden nicht immer sinnvolle Ladestopps eingeplant, auf der Route nach Berlin (von Hilden/Düsseldorf aus mit frisch getauschtem und vollen Akku) schlug das System eine Pause auf Höhe Bielefeld vor. Das war nicht nur mit 165 Kilometern Entfernung sehr früh, sondern das System hatte auch eine 50-kW-Ladestation für einen 1:21h langen Ladevorgang herausgesucht. Die Routenplanung nach Kopenhagen lief ungleich besser: Ein Ladestopp an einer EWE-Go-Säule südlich von Hamburg soll für die rund 730 Kilometer ausreichen. Das kann hinkommen. Bei (zugegeben nicht alltäglichen) Fahrten nach Barcelona versagte der Nio aber wieder: Nur der erste Ladestopp wurde eingeplant, danach kein weiterer – stattdessen kam der Hinweis: „Sie können möglicherweise unterwegs nicht mehr aufladen, um ihr Ziel zu erreichen.“ Das ist der Preisklasse nicht angemessen und für E-Auto-Neulinge alles andere als hilfreich.

Bei einem weiteren, auffälligen Merkmal des ET5 kommt es auf die persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten an, ob man es gut findet oder nicht: Und zwar die Windschutzscheibe. Die Nio-Designer haben hier einen eigenen Ansatz gewählt, bei dem die „Scheibenwurzel“ extrem weit nach unten gezogen wurde. Damit ergibt sich eine extrem flache Front und eine sehr gute Übersichtlichkeit in der Stadt. Diese niedrige Scheibenwurzel führt aber auch dazu, dass das Armaturenbrett weiter nach unten gedrückt wird. Daher ergibt sich eine ungewohnte Sitzposition, man sitzt in Relation zum Armaturenbrett recht hoch und möchte im ersten Moment den Sitz nach unten verstellen. Der Blick aus dem Seitenfenster verrät aber, dass man bereits Limousinen-typisch tief sitzt. In unserem Fall ging die Eingewöhnung recht schnell, wer aber klassische Cockpits bevorzugt, die den Fahrer mehr umgeben, wird mit dem Nio wohl eher fremdeln.

So gut die Übersicht nach vorne ist, so mau fällt sie nach hinten aus. Trotz seiner fließenden Form ist der ET5 eine Stufenheck-Limousine mit kleinem Kofferraumdeckel – die Heckscheibe öffnet nicht mit nach oben. Über den Innenspiegel ist nach hinten wenig zu erkennen. Während der Fahrt müssen hier die Außenspiegel und beim Rangieren die Kameras helfen. Bei den Kameras verfüg der ET5 über zwei unterschiedliche Systeme: Für die 360-Grad-Ansicht sind sehr lichtempfindliche Kameras mit drei Megapixeln verbaut, damit das System auch bei Dunkelheit brauchbare Ergebnisse liefert. Für die Fahrassistenz sind neben dem Lidar auch Kameras mit acht Megapixeln verbaut.

Kleiner Kofferraum, kein Frunk

Zurück zum Kofferraum: Mit 386 Litern fällt das Gepäck-Abteil angesichts der Fahrzeuglänge eher überschaubar aus. Auch unter dem Kofferraum gibt es kein weiteres Ablagefach, unter der Fronthaube gibt es nur jede Menge schwarzen Kunststoff, aber keinen Frunk. Sprich: Wer ein AC-Ladekabel dabei haben will, muss das im Kofferraum unterbringen. Am geöffneten Kofferaumdeckel fallen auch die nicht gerade schön integrierten Kabel auf – das muss in dieser Preisklasse anders gehen.

Zudem ist im Nio die Höhe der Kofferraumöffnung überschaubar, man muss sich also tief hineinbeugen, wenn die Ladung bis an die Rücksitzlehnen gerutscht ist. Abhilfe wird hier der kommende ET5 Kombi schaffen, vom dem kürzlich erste ungetarnte Exemplare fotografiert wurden. Nio selbst will bisher nur bestätigen, dass noch 2023 ein weiteres Modell auf den europäischen Markt kommen wird. Daten zum ET5 Kombi, der laut Medienberichten ET5 Orion heißen könnte, sind also noch nicht bekannt.

Die Kombi-Karosserie mit der höheren Dachlinie könnte einen weiteren Kritikpunkt der ET5 Limousine lösen: Die Kopffreiheit auf den Rücksitzen ist – in Unterscheidung zum großen ET7 – deutlich knapper gehalten. Selbst mit 1,85 Metern Größe berühren die Haare bereits den Dachhimmel. Die Beinfreiheit reicht hinten aber gut aus, vorne gibt es an den Platzverhältnissen nichts auszusetzen. Die Sitze sind aber rundum von der Passform her eher auf Komfort und weniger auf Seitenhalt ausgelegt, zugleich ist das Polster aber relativ straff – und der Sitz somit (für mein Empfinden) weder Fisch noch Fleisch.

Kunststoffe und Recycling-Materialien im Innenraum

Auf den persönlichen Geschmack kommt es auch beim Bediensystem des ET5 an. Damit ist zum einen der große Touchscreen gemeint, dessen Grafik machen Kunden vielleicht zu verspielt und kleinteilig vorkommt – andere werden es aber genau aus diesem Grund mögen, weil die Darstellung nicht so nüchtern ist. Anders als das Model 3 hat der ET5 noch ein Cockpit-Display, auf dem die Geschwindigkeit aber nur links am Rand angezeigt wird – in der Mitte stellt der ET5 (ähnlich wie Tesla auf dem Zentral-Display) seine Wahrnehmung des Verkehrs dar. Die Anzeige ist dank des Lidar-Systems zwar deutlich detaillierter als im kamerabasierten Tesla, wirkt aber auf Dauer unnötig prominent und raumfüllend – im Vergleich zur kleinen Geschwindigkeitsanzeige. Nio folgt aber dem von Tesla gesetzten Trend, auf Fahrer-Profile zu setzen – so können nach einmaliger Einrichtung verschiedene Einstellungen schnell auf die jeweiligen Fahrer umgestellt werden. Ebenfalls von Tesla inspiriert: Der Nio besitzt auch einen Haustier-Modus für die Klimaanlage.

Im Innenraum haben die Designer auf vegane und möglichst nachhaltige Materialien geachtet. Statt Leder oder Echtholz gibt es Kunststoffe mit Recycling-Anteil, teilweise verfügen die Oberflächen auch über eine antibakterielle Wirkung. Es gibt zwar die Wahl zwischen unterschiedlichen Farbwelten im Innenraum, die Materialien sind aber immer gleich – und damit auch ihre Kunststoff-Haptik, die man selbst gegen Aufpreis nicht tauschen kann.

Dafür gibt es im ET5 bei einem anderen Feature die Wahl, und zwar dem Sprachassistenten Nomi. Im ET7 und EL7 gibt es derzeit nur den Nomi Mate, also jene Display-Kugel auf dem Armaturenbrett, die die sprechende Person im Innenraum anschaut und mit dem animierten Gesicht anzwinkert. Darüber hinaus zeichnet sich Nomi in der Mate-Ausführung durch eine jugendliche Stimme und Ansprechhaltung aus. Der im ET5 erstmals verfügbare Nomi Halo verzichtet nicht nur auf die Display-Kugel (und symbolisiert über den namensgebenden Leuchtring, dass er zuhört), sondern soll auch eine etwas seriöser wirkende Stimme erhalten. Ausprobieren konnten wir das vor Ort nicht, alle Testwagen waren noch mit dem Nomi Mate ausgestattet.

Batterie-Miete bis zu sechs Jahre günstiger als Kauf

Der entscheidende Punkt für die Bewertung des Nio ET5 ist sein Preis: Die Limousine steht mit 47.500 Euro brutto in der Liste. Dieser Preis ist aber nicht mit den eingangs genannten Konkurrenzmodellen zu vergleichen, denn darin ist die Batterie noch nicht enthalten. Der 75-kWh-Akku kostet 12.000 Euro zum Kauf oder 169 Euro pro Monat im Subscription-Modell. Für den 100-kWh-Akku werden 21.000 Euro fällig oder 289 Euro pro Monat. Die rein nüchterne Betrachtung: Bis 71 bzw. 72 Monate Haltedauer fährt man mit der Akku-Miete günstiger, nach sechs Jahren übersteigen die summierten Monats-Raten den Neupreis der Batterie. Der Nachteil: Wer die Batterie kauft, wird Eigentümer exakt dieser Batterie – und kann somit nicht den Batterietausch nutzen. Damit ist man zwar selbst für die Alterung des Akkus verantwortlich, aber eben auch an diesen Akku gebunden. Mit der Monats-Miete erhält man beim nächsten Tausch einen anderen Akku aus dem Nio-Pool.

Für den Preisvergleich nehmen wir dennoch einmal die Preise mit gekaufter Batterie. Dann kommt der ET5 nicht mehr auf 47.500 Euro, sondern auf 59.500 Euro mit 75 kWh und auf 68.500 Euro mit 100 kWh. Mit einigen Extras wie Lack, Felgen, Komfort-Paket oder Anhängerkupplung (bis zu 1.400 kg) lässt sich der ET5 aber auch leicht über 70.000 Euro bringen. Mit dem kleinen Akku ist der ET5 in etwa mit dem fast 63.000 Euro teuren Exemplar des Hyundai Ioniq 6 vergleichbar, den mein Kollege Christoph M. Schwarzer kürzlich im Test hatte – allerdings ist der Nio ein 360 kW starker Allradler, der Hyundai ein 168 kW starker Hecktriebler. Ein Model 3 Long Range mit Allrad und 602 Kilometern WLTP-Reichweite ist für weniger als 55.000 Euro zu haben und bietet einen Frunk und einen Sub-Trunk. Mit einem EQE (bis zu 660 Kilometer, ab 67.187,40 Euro) oder BMW i4 eDrive40 (bis zu 589 Kilometer, ab 59.800 Euro) lässt sich der Nio aber nur schwer vergleichen – die deutschen Modelle bieten eine größere Auswahl bei den Antrieben und eine andere Qualität im Innenraum – mit ihren langen Aufpreislisten werden sie am Ende aber trotz halbwegs vergleichbarer Einstiegspreise teurer als der ET5 sein.

Fazit

Den ET5 nur auf den Nio-typischen Batterietausch zu reduzieren, greift zu kurz. Mit den bewussten Design-Entscheidungen wird Nio eine Kundschaft finden, die bei den deutschen Autobauern zuletzt nicht mehr glücklich geworden ist – und bisher eher in Richtung Tesla oder Polestar abgewandert ist. Andererseits wird der ET5 eben aufgrund dieser Eigenheiten nicht jeden Premium-Kunden überzeugen können, auch wenn bald ein in Deutschland lange herbeigesehnter Kombi folgt.

Mit dem sauber abgestimmten und zugleich kräftigen Antrieb kann der ET5 überzeugen. Solange es noch nicht ausreichend Power Swap Stations in Europa gibt, wäre etwas mehr Ladeleistung und vor allem eine funktionierende Ladeplanung hilfreich. Details an der Software lassen sich zwar per OTA-Update nachbessern und ganz neue Funktionen aufspielen. Bei der Hardware geht das nicht, aber auch hier wird Nio stetig nachlegen: Firmengründer und -CEO William Li ist der festen Überzeugung, dass ein Produktzyklus in der Autoindustrie heute nicht mehr bei sieben oder acht, sondern maximal bei fünf Jahren liegen sollte.

3 Kommentare

zu „Nio ET5: Gute Basis, aber Luft nach oben“
Ralf Dunker
17.05.2023 um 09:51
Guten Morgen und danke, Sebastian Schaal, für diesen ausführlichen und guten Überblick über das System Wechselakku zum Einen und die Marke NIO zum Anderen.Richtig klasse wäre es, wenn Ihre Redaktion nun den visionären Blick in die Glaskugel wagte:Wie attraktiv wäre die E-Mobilität, wenn Traktionsakkus über alle europäischen Hersteller genormt würden, für PKW, Transporter, Busse, LKW. Die Analogie zu den wenigen verschiedenen Kraftstoffen, die bis heute entwickelt wurden, genormte Zündunwilligkeiten (Oktan), Additive etc. bietet sich an.Einerseits sind Elektronen, ist Strom - anders als Öl-Derivate -, per se homogen. Andererseits müssten KFZ-Hersteller um Wechselakkus mit definierten Formfaktoren herum designen (was mit Ihren E-Plattformen bereits angedeutet ist).Wie Better Place bereits zeigte, kann ein Unternehmen allein das System Wechselakku samt Infrastruktur aber kaum so anbieten, dass es für Verbraucher wirtschaftlich attraktiv wird.Aus diesem Grund forderte die chinesische Regierung die größten chinesischen OEM 2021 auf, eine gemeinsame Norm zu entwickeln, fördert Modelle mit Wechselakku und verpflichtet den staatlichen Mineralölkonzern/ Tankstellenbetreiber Sinopec, Wechselstationen im ganzen Land zu errichten.Deutschland allein verfügt über rund 14.000 Tankstellen. Und die Energiewende verlangt nach Speichern für volatil erzeugten Wind- und Solarstrom. Stationäre Speicher sind aber nicht wirtschaftlich betreibbar. Ein Geschäftsmodell, das Traktionsakkus sowohl für uns Verbraucher als auch für die Stromnetze der Energiewende verfügbar machte, könnte die Miete für Akkus überflüssig machen.Das System amortisiert sich über die Strombörsen und Wechsel-Gebühren bei jedem Akkuwechsel - aber ohne Abo - für uns.Tankstellenbetreiber profitieren beim schonenden Laden entleerter Akkus von niedrigen Strom-Einkaufspreisen (bei viel Wind oder Sonnenschein). Zusätzlich verkaufen sie lagernden Strom bei Strommangel an Stromnetz-Betreiber und profitieren wiederum von den dann hohen Strompreisen an den Börsen. So amortisiert sich der Umbau der Infrastruktur ohne Subventionen.OEM erlangen wirtschaftliche Vorteile durch Skalierungseffekte, die sich aus Normung ergeben und die Rückgewinnung der Akkubestandteile, da sie die Akkus nicht verkaufen.Sehr schön finde ich Ihren Hinweis auf die Nutzung des Wechselakkus: „Bei der Routenplanung wird der Batterietausch einkalkuliert und auf dem Zentral-Touchscreen angezeigt – dort gibt es auch die Infos, wie viele Batterien welcher Größe und mit welchem Ladestand dort vorrätig sind…“ Schon jetzt wird hier ersichtlich, wie komfortabel der Wechsel sein wird, dass wir, trotz Normung, eine Auswahl haben werden und wie schnell die Ablösung des Verbrenners dadurch gelingen kann.Tankstellen werden bei heutiger Flottenstärke und Fahrleistung im Schnitt 300 - 400 Akkus managen. Der hierfür benötigte Raum entspricht in etwa dem Volumen heutiger Unterflur-Tanklager. Der Akkuüberhang liegt unter 10 Prozent, erspart aber die Errichtung rein stationärer Speicher.Eine umfassende Erörterung der vielen weiteren (politischen) Aspekte durch Ihre Redaktion wäre toll.
Begeisterter PHEV-Fahrer
02.06.2023 um 10:53
Herr Dunker,ich stimme Ihnen voll zu. Leider ist das wahrscheinlich wieder zu schön um wahr zu werden, bzw. wird durch Lobbyismus blockiert.
Sebastian Schaal
17.05.2023 um 14:34
Hallo Herr Dunker,vielen Dank für das Feedback zu dem Artikel und dem Thema. Als Journalisten überlassen wir den Blick in die Glaskugel gerne anderen, tragen aber deren Meinungen und Ansichten zusammen. Das Thema Batteriewechsel ist in der Tat politisch, technisch und unternehmerisch sehr vielschichtig.Viele Grüße Sebastian Schaal

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