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FahrberichtLuftfahrt

Pipistrel Velis Electro – So fliegt es sich in einem Elektro-Flugzeug

Im Pkw ist das Rennen um die Antriebsform der Zukunft entschieden – die Batterie hat gewonnen. In anderen Bereichen ist dieses Rennen noch offen, ganz besonders wohl in der Luftfahrt. Aktuell gibt es genau ein typzugelassenes Elektro-Flugzeug, die Pipistrel Velis. Wir waren an Bord und liefern statt eines Fahrberichts mal einen Flugbericht. Ready for take-off?

Ein Schweizer Elektropionier fliegt den Zweisitzer nicht nur über die Alpen, sondern hin und wieder auch quer durch Deutschland. Grund genug für mich, Morell Westermann im Kanton St. Gallen zu besuchen und mir zeigen zu lassen, wo die elektrische Luftfahrt heute steht.

Das Flugzeug

Am Flugplatz Schänis empfängt Westermann mich direkt im einzigen, recht beschaulichen Hangar mit einigen Motorflugzeugen sowie diversen Segelflugzeugen, die von der Decke hängen. Mittendrin steht ein Flieger, der allen anderen ziemlich ähnlich sieht – mit einem kleinen Unterschied: Kurz hinter dem Propeller ist ein Ladekabel eingesteckt. Das ist die Pipistrel Velis Electro, unser E-Flieger, mit dem wir gleich in die Luft gehen werden.

Ein sogenannter Ultraleichtflieger (LSA), Leergewicht 428 Kilogramm, maximale Startmasse 600 Kilogramm, Höchstgeschwindigkeit 200 km/h, knapp elf Meter Flügelspannweite. Für einen Flug-Laien wie mich ist sie von außen von ihrer Verbrenner-Schwester, der Pipistrel Virus kaum zu unterscheiden. Auffällig ist einzig der andere Propeller, 2-blättrig beim Verbrenner und 3-blättrig beim E-Flieger. Innen sind die Unterschiede etwas offensichtlicher: Wo die Velis nur einen einfachen Schubregler hat, sitzen in der Virus gleich drei, auch die Instrumente unterscheiden sich teils deutlich. Klar: Viele der Anzeigen für den Verbrennungsmotor kann man sich in der Elektro-Version sparen.

Dort, wo die Virus ein sehr ansehnliches Gepäckfach hat, sitzt bei der Velis einer der beiden Akkus. Auch im Preis unterscheiden sich die beiden, aber überraschenderweise ist der E-Flieger sogar billiger: Eine Verbrenner-Flugstunde kostet in Schänis 252 Schweizer Franken, eine elektrische Flugstunde dagegen „nur“ 186 CHF. Das sind 263 bzw. 193 Euro pro Flugstunde.

Startvorbereitungen

Während die GB/T-Ladestation noch ein paar letzte Elektronen in den 22 kWh kleinen Akku schaufelt, beginnt Westermann außen am Flieger seine Checklisten abzuarbeiten, prüft Propeller, Landeklappen, Ruder und Flügel auf Beweglichkeit und Beschädigungen. Dann wird der Ladevorgang beendet und wir schieben die Pipistrel raus aufs Vorfeld.

Dort klettern wir in die ziemlich enge Kabine hinein, wo Westermann seine Checklisten fortsetzt. Unter anderem zeigt er mir die Anzeigen des Akkus, auf der er die Spannungslage der Zellen überprüft. Wir werfen also einen Blick auf die Zellspannung, knapp unter 4,2 Volt, die angezeigten 99 % SoC und 01h 00min Endurance stimmen also, es kann losgehen.

Der Flug

Westermann lässt den Motor an und man hört: Nichts. Was schon bei elektrischen Straßenfahrzeugen verblüffend ist, ist bei elektrischen Flugzeugen ein kleines Wunder. Die anderen Motorflieger auf dem Flugplatz machen mit ihren Verbrennern einen Heidenlärm, es stinkt, röhrt, raucht und vibriert. Der E-Motor der Velis ist dagegen vollkommen lautlos, einzig der Wind am Propeller ist hörbar, ähnlich wie bei einem Ventilator. Nach einer Anmeldung im Funk rollen wir einmal quer über den Flugplatz zum Ende der Startbahn, drehen um und geben dann Vollstrom.

Im Rumpeln des Fahrwerks (dessen Räder nicht nur aussehen wie Reifen eines Quad, sondern tatsächlich vom gleichen Hersteller stammen) auf der etwas unebenen Piste ist der Motor kaum wahrnehmbar. Sobald wir den Boden verlassen haben, ist es schlagartig ruhiger im Flieger, die meisten Vibrationen kamen tatsächlich vom Asphalt, in der Luft ist die Velis überraschend ruhig. Auch die Windgeräusche des Propellers selbst werden nun von den Strömungsgeräuschen am Rumpf an sich überlagert – rein akustisch könnte man als Laie auch denken, man säße in einem Segelflugzeug.

Während des Steigflugs ist die Sicht nach vorne etwas eingeschränkt, die Nase des Fliegers reckt sich steil in die Luft und wir sehen vor allem den Himmel, während links und rechts die Berge vorbeiziehen. Für ein Flugzeug dieser Klasse sei die Velis vergleichsweise gut motorisiert, erklärt Westermann den großen Steigwinkel.

„Fühl mal mit“

Bei 8.800 Fuß (knapp 2.700 Meter) neigt Westermann die Velis wieder ins Waagrechte, wir sind nun im Reiseflug. Unter uns das Glarnerland, neben uns majestätische Bergwände. „Fühl mal mit“ sagt mein Pilot und ermutigt mich, sehr vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger den Steuerknüppel zu bewegen. Behutsam drehen wir gemeinsam eine sehr sanfte Kurve. Ich bin überrascht davon, wie direkt und sensitiv der kleine Flieger reagiert. Ein paar Millimeter Stick-Bewegung reichen aus, dass die Maschine bereits stark ihre Richtung ändert. Beeindruckend, aber doch etwas zu viel auf einmal, nach knapp einer Minute widme ich mich wieder ausschließlich dem Ausblick. So lässt sich der Blick aus dem Flieger doch viel entspannter genießen.

Autor: Robin Engelhardt

5 Kommentare

zu „Pipistrel Velis Electro – So fliegt es sich in einem Elektro-Flugzeug“
Rene Auberger
15.08.2023 um 14:48
Bei der Umrechnung von CHF in € ist euch ein Fehler unterlaufen. 252CHF sind 263€. Mir kam es deshalb komisch vor, weil es beim Verbrenner von CHF in € weniger, beim Elektro von CHF in € mehr wurde :-)
Sebastian Schaal
15.08.2023 um 15:12
Hallo Herr Auberger, vielen Dank für den Hinweis, ich habe die Zahl korrigiert. Tatsächlich sind es 263 Euro und nicht 234 Euro je Flugstunde. Viele Grüße Sebastian Schaal
Horst Köhler
15.08.2023 um 17:18
Hallo Herr Auberger, Wo sitzt denn der zweite Akku und welche Kapazität in kWh haben beide zusammen? Wissen Sie, wie lange das Aufladen vor einem neuen Start dauert? Mit freundlichem Gruß, Horst Köhler www.klimawandel-report.com
Horst Köhler
17.08.2023 um 11:48
Meine obigen Fragen (vom 15.8.) gehen natürlich an Herrn Sebastian Schaal, nicht an Herrn Auberger. Ich bitte das Versehen zu entschuldigen. MFG, Horst Köhler
Georg Altrogge
17.08.2023 um 16:06
Sehr viele Piloten sind, aus einer Reihe von Gründen, an einem alltagstauglichen Elektroflieger interessiert. Leider lassen Berichte wie dieser in ihrer Euphorie für die neue Antriebsart wesentliche Probleme unter den Tisch fallen. Anders als beim Segelflug, wo der E-Motor nur in kurzen Phasen des Starts oder als Heimkehrhilfe genutzt werden, sind rein elektrisch betriebene Ultraleichtflugzeuge nicht konkurrenzfähig. Die inkl. vorgeschriebener Reserve von 30 min nutzbare Flugdauer mit 2 Personen liegt realistisch unter 20 min, das Gewicht ist beträchtlich (bei der Pipistrel Velis verbleiben nur 172 kg Nutzlast), und das Außengeräusch ist durch den Propeller höher als hier suggeriert – von wegen Fliegen ohne vor Lärm schützendem Headset. Ganz zu schweigen von den sehr hohen Preisen für den Austausch der Batterien am Ende ihrer Lebensdauer. Flieger wie dieser sind ein netter und wichtiger Versuch. Aber solange die elektrischen Alternativen nur für kurze Rundflüge oder bestenfalls drei Platzrunden im Schulbetrieb taugen, sind wir vom Durchmarsch der E-Antriebe noch sehr weit entfernt.

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