China will den Markt für Smart Cars stärker regulieren

China beginnt damit, den Einsatz und die Vermarktung von Software-basierten Fahrassistenzsystemen einzuhegen: Hersteller erhalten die Vorgabe, auf die Verwendung von Begriffen wie „selbstfahrend“ oder „autonomes Fahren“ zu verzichten, keine öffentlichen Beta-Tests mehr zu absolvieren und Over-the-Air-Updates erst nach abgeschlossener Validierung durchzuführen.

Bild: Xiaomi

Laut Medienberichten hat das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) diese Woche eine geschlossene Sitzung mit 20 Unternehmen abgehalten und bei dieser Gelegenheit strengere Regeln für die Einführung und Vermarktung von Fahrerassistenzsoftware angekündigt. Als Grund gilt, dass Smart-Car-Funktionen im hart umkämpften chinesischen (E-)Automarkt zunehmend als Unterscheidungsmerkmal dienen. Entsprechend schnell bringen in diesem Feld besonders umtriebige OEMs wie Huawei, Xpeng, Li Auto und Nio immer neue Funktionen heraus. Selbst im Niedrigpreissegment ist der Trend angekommen: Chinas größter E-Auto-Hersteller BYD kündigte beispielsweise im Februar an, sein Assistenzsystem namens „God’s Eye“ künftig auch in Kleinwagen zu integrieren.

Dem Staat macht laut Branchenkennern Sorge, dass das Nutzerbewusstsein über die Limits solcher Systeme nicht genügend ausgeprägt ist und dass das Marketing der Firmen die Irreführung der Verbraucher noch befeuern könnte. Infolgedessen kommt es in China offenbar schon heute vermehrt zu Verkehrsunfällen. Für große Aufmerksamkeit sorgte in Land jüngst ein besonders gravierender Crash mit einem Xiaomi SU7, bei dem drei Frauen starben. Nach bisherigen Erkenntnissen war bei dem Unfall die Fahrassistenzsoftware aktiviert.

Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie will die Vorschriften für Smart Cars nun offenbar an mehreren Stellen verschärfen, wie verschiedene Medien unter Berufung auf das Sitzungsprotokoll und Sceenshots von dem Treffen berichten. So soll die in der Branche übliche Praxis von Beta-Testprogrammen für Pionieranwender verboten werden. Dabei handelt es sich um einen vom Smartphone-Business inspirierten Ansatz, bei dem die Autohersteller frühe Nutzer rekrutierten, um neue autonome Fahrfunktionen zu testen und Feedback einzuholen. Künftig sollen öffentliche Tests „die offiziellen Genehmigungskanäle durchlaufen müssen“, wie es heißt. OEMs sind also künftig verpflichtet, ausreichende eigene Erprobungen durchzuführen und die Genehmigung der Behörden einzuholen, bevor sie ihre Systeme einführen. Außerdem seien „die Grenzen der Systemfunktionen und Sicherheitsmaßnahmen zu klären“, wie es heißt.

Weiter will China die Marketing-Terminologie streng regeln. So werden Autohersteller angehalten, Begriffe wie „selbstfahrend“, „automatisches Fahren“, „autonomes Fahren“, „intelligentes Fahren“ oder „fortgeschrittenes intelligentes Fahren“ in ihrem Marketingmaterial zu vermeiden. Stattdessen müssen sie den präzisen Begriff „assistiertes Fahren nach Level…“ (und dann die entsprechende Zahl von 1-5) verwenden.

Zudem strebt das MIIT an, dass die OEMs die Masse von Software-Updates über das Internet (OTA) reduzieren und diese erst nach ausreichender Überprüfung an die Fahrzeuge weitergeben. Und: Fahrzeuge, die Software-Updates über sogenannte Notfall-OTAs benötigen, sollen in China künftig als Rückrufe oder Produktionsstopps behandelt werden, zitieren Medien aus dem Sitzungsprotokoll.

Ebenfalls einen Riegel vorschieben will das MIIT offenbar Fahrzeugfunktionen, die ohne Aufsicht des Fahrers funktionieren, etwa das Parken auf dem Parkplatz, das Herbeirufen per Knopfdruck oder die Fernsteuerung. Außerdem sollen Fahrerüberwachungssysteme nicht mehr deaktiviert werden können und sie sollen obligatorisch erkennen, sobald der Fahrer die Hände vom Lenkrad nimmt (und als Reaktion ggf. das Fahrzeug abbremsen, den Warnblinker aktivieren etc.).

Das MIIT selbst bestätigte das Treffen in einer kurzen Erklärung und gab an, dass fast 60 Delegierte von großen Automobilherstellern teilgenommen hätten. Zu den Inhalten des Treffens äußerte sich das Ministerium allerdings kaum. In ersten Reaktionen begrüßten chinesische Automobilverbände unterdessen den Vorstoß des Ministeriums. So kommentierte etwa Fu Bingfeng, stellvertretender Generalsekretär des chinesischen Automobilherstellerverbandes (CAAM), dass „die Verbreitung von Fahrerassistenztechnologien Hand in Hand mit der Förderung des Nutzerbewusstseins gehen muss“.

Zhang Jinhua, Präsident der China Society of Automotive Engineers, äußerte zudem, dass die derzeitige Reife der Fahrassistenztechnologie von der Dynamik des Marketings abgewichen sei. „Die Verwischung der Grenzen im Marketing und die Verzerrung der Nutzerwahrnehmung sind zu einem wachsenden Problem geworden, wobei einige Fahrer Fahrerassistenz mit autonomem Fahren verwechseln.“ Verkehrsunfälle, die von Fahrern verursacht werden, die Fahrerassistenzfunktionen falsch einsetzen, seien immer wieder vorgekommen und hätten in der Gesellschaft große Besorgnis ausgelöst.

Chinesische Portale wie Car News China werten die Bekanntgabe der strengeren Vorschriften zum jetzigen Zeitpunkt – nämlich kurz vor dem Auftakt der Shanghai Auto Show, auf der autonome Fahrfunktionen stark beworben werden dürften – als „Signal der Entschlossenheit der Regierung, diesen Sektor strenger zu regulieren“. Auch für Batterien hat der Staat parallel gerade strengere Sicherheitsnormen vorgestellt, die ab 2026 in Kraft treten sollen. Beides zusammen könnte laut Experten eine Konsolidierung in Chinas überfüllter Autoindustrie beschleunigen.

carnewschina.com, cnevpost.com, reuters.com

2 Kommentare

zu „China will den Markt für Smart Cars stärker regulieren“
Gregor
17.04.2025 um 20:59
Weil hier schon wie Konsolidierung steht..Ja, das wird so oder so stattfinden. Nach dem zehrendem Kampf werden einige Marken einfach verschwinden, aber immerhin die besten werden überleben und damit eine knallharte Konkurrenz zur EU Industrie darstellen. Denn die mussten Jahrzehnte nicht mehr Innovativ sein.
John
23.04.2025 um 10:20
Der EU Industrie vorzuwerfen dass diese nicht innovativ war ist mal wieder so ein typisch deutsches EU-Bashing. Die EU-Industrie war im falschen Bereich innovativ. In im Kontext dieses Artikels hat man nicht in der EU aber nicht die Möglichkeiten die ein CN -Hersteller in CN hat.. Man muss auch verstehen, dass "zu viel Sicherheit" innovationsfeindlich sein kann. Hier hat CN einen enormen Vorteil. In CN ist es zunächst mal egal wenn eine Familie mit Kleinkindern auf dem Gehweg von einem L4 parkenden Auto überfahren wird. Und der Hersteller kann darauf verweisen dass er alles getan hat was ihm die Regulatorik vorgeschrieben hat. Das ist in der EU eben anders. Dort hat der Hersteller eine Selbstverpflichtung ein sicheres Produkt auf die Strasse zu bringen und in Sachen Produkthaftung wird er daran gemessen. Das ist der Unterschied. Und wenn wir nun etwas Deutschlandbashing hinterherschieben wollen, dann liegt das an unserer Gesellschaft, in der man sich sehr gerne beim Wingsuitfliegen oder Bungiejumping ohne Seil, zeigt. Allerdings muss das ganze vom Anbieter so sicher gestaltet sein, dass auch nichts passiert ;-) Der CN Ansatz ermöglicht den Herstellern einfach innovativer, auf Kosten der Sicherheit für alle, zu sein. Letzteres ist in der EU eben "noch nicht" möglich.

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