
VW ID.7 Tourer Pro S im Test: Was kann der Passat-Erbe mit Stecker?
Volkswagen und Elektroautos – das war lange keine echte Erfolgsgeschichte. Doch die Wolfsburger machen sich: Schon 2024 war VW die beliebteste Elektroauto-Marke in Deutschland. Nicht anders sieht es bislang in diesem Jahr aus. Beliebtestes E-Modell bisher im Jahr 2025? Der Volkswagen ID.7 – und das nicht nur innerhalb der Marke, sondern mit Blick auf alle Hersteller und Modelle.
Das Kraftfahrt-Bundesamt unterscheidet hier übrigens nicht zwischen Limousine- und Kombi-Ableger des elektrischen Spitzenmodells in der VW-Palette. Doch im Kombi-Land schlechthin dürfte sich der Großteil bislang für den ID.7 Tourer entschieden haben. Genau diesen hatte ich als Pro S zum Test – also der Kombi-Variante mit der höchsten Reichweite.
Design mehr Passat als ID.
Allein durch sein Auftreten wird schon deutlich, dass der ID.7 dem Passat Konkurrenz machen will. Auch wenn er von vorn sich vor allem durch seine geschlossene Front und den nachgeschärften vorderen Lufteinlässen vom Passat unterscheiden lässt, kann eine Verwechslung ohne genaueren Blick nicht immer ausgeschlossen werden.
Noch schwieriger wird es in der Seitenansicht. Nur im direkten Vergleich wird deutlich, dass der 4,96 Meter lange Stromer – und damit nur 4,4 Zentimeter mehr als der Passat Variant – eine leicht bulligere Front- und Heckpartie besitzt sowie die Überhänge kürzer ausfallen. Hinzu kommt ein deutlich längerer Radstand von 2,97 Meter statt der rund 2,84 Meter des Passats.
Nicht anders sieht es beim Heck der beiden Modelle aus. Hier hilft neben dem Lesen des Modell-Schriftzugs ebenfalls fast nur noch ein geschulter Blick weiter. Die Dachlinie fällt früher ab und mündet in einer flacheren Heckscheibe als beim Passat – deshalb ist der ID.7 auch nur ein „Tourer“ und kein „Variant“. Auch das Leuchtenband ist beim ID.7 deutlich breiter. Ein weiteres Merkmal ist der schwarze Diffusor des E-Kombis.
















Der Gepäckraum hinter der Heckklappe fast statt den 690 Litern beim Passat ganze 85 Liter weniger (605 Liter). Freilich kein Beinbruch, es lässt sich noch immer mehr als genug im Laderaum verstauen. Der Grund ist aber recht einfach: Beim ID.7 Pro S handelt es sich um einen Hecktriebler, daher musste unterhalb des Kofferraumbodens der als intern APP550 bezeichnete E-Motor untergebracht werden.
Mehr als ausreichende Leistung
Wem die 210 kW des Pro S nicht reichen, der muss zum ID.7 GTX greifen. Mit 250 kW bietet der sportlichere Ableger zwar mehr Leistung, der Vorsprung fällt jedoch moderat aus: Beim Sprint von 0 auf 100 km/h liegt der GTX mit 5,5 Sekunden nur 1,2 Sekunden vor dem Pro S (6,7 Sekunden). Der Passat muss sich leistungsmäßig hinten anstellen. Selbst die stärkste Version, die R-Line, kommt auf maximal 195 kW – beschleunigt mit 5,8 Sekunden aber immerhin schneller als der ID.7 Pro S. Beim klassischen Auto-Quartett kann der Verbrenner dafür mit seiner Höchstgeschwindigkeit punkten: 223 km/h stehen den elektronisch abgeregelten 180 km/h des ID.7 gegenüber – auch beim GTX.
In der Praxis haben die elektronisch abgeregelten 180 km/h ausgereicht, auch die 210 kW Leistung an der Hinterachse waren in jeder Fahrsituation mehr als genug. Der Vorteil des GTX beschränkt sich also eher auf die Traktion des Allradantriebs – und auf die sportlichere Optik, wenn man das will.
Neben der Leistung an sich ist auch das souveräne Ansprechverhalten des ID.7 gelungen. Die Leistung lässt sich fein dosieren – und bei Bedarf für kurze Sprints spontan abrufen. Gleichzeitig überzeugt das Modell mit einer gelungenen Balance aus Fahrspaß und Komfort. Wer will, kann den ID.7 durchaus sportlich bewegen. Beeindruckend ist zudem der kleine Wendekreis von nur 10,9 Metern – bemerkenswert für ein Fahrzeug mit knapp fünf Metern Länge. Das zahlt sich nicht nur beim Rangieren, sondern auch in engen Kurven aus. Der ID.7 glänzt mit einer ausgezeichneten Fahrstabilität und einem sehr komfortablen Fahrwerk. Vor allem die adaptive Fahrwerksregelung erlaubt eine individuelle Abstimmung auf persönliche Vorlieben – allerdings nur in Verbindung mit dem Exterieur-Paket „Plus“ für 3.605 Euro.
Doch nicht nur die ruhige, unaufgeregte Fortbewegung spricht für den ID.7. Auch die exzellente Dämmung überzeugt: Selbst bei hohen Geschwindigkeiten bleiben Abroll- und Windgeräusche kaum hörbar. Dagegen wirkt selbst ein Passat fast schon altmodisch – und überraschend laut.
Langstreckentauglichkeit fast par excellence
So viel Komfort lädt dazu ein, lange Strecken am Stück zurückzulegen. Damit das gelingt, hat Volkswagen dem APP550-Antrieb einen 86 kWh großen Akku zur Seite gestellt – neun kWh mehr als beim ID.7 Pro (77 kWh). Nach WLTP (kombiniert) soll der Tourer damit bis zu 690 Kilometer weit kommen.
Während des Tests lagen die Außentemperaturen zwischen knapp zehn und 21 Grad. Unabhängig von der Witterung war es bei Stadt- und Überlandfahrten kaum möglich, den ID.7 laut Bordcomputer über die 16 kWh/100 km-Marke zu treiben. Der niedrigste Verbrauch lag im Stadtverkehr bei 13 kWh/100 km, Überlandfahrten pendelten sich bei 15 bis 16 kWh/100 km ein. Auf der Autobahn lagen die Werte zwischen 17 und 19 kWh/100 km.
Die erzielbaren Reichweiten mit einer Akku-Ladung decken eine große Bandbreite ab – insbesondere für Dienstwagenfahrer dürften die Verbrauchswerte auf Autobahnstrecken von Interesse sein. Beim ID.7 Pro S entspricht die realistischen Reichweiten von leicht bis deutlich über 400 Kilometern – mit etwas Zurückhaltung sind auch 500 Kilometer erreichbar. Wer überwiegend in der Stadt und im Umland unterwegs ist, wird lange fahren können, bis der nächste Ladestopp nötig wird.
10 auf 80 Prozent in 26 Minuten
Trotz des größeren Energieinhalts im Vergleich zum altbekannten 77-kWh-Akku der MEB-Modelle lässt sich der neue 86-kWh-Akku sogar schneller laden: Volkswagen gibt eine maximale Ladeleistung von 200 kW an, womit der Ladevorgang von zehn auf 80 Prozent in 26 Minuten abgeschlossen sein soll. Bislang betrug die höchste Ladeleistung maximal 175 kW.
Die 200 kW erreicht der ID.7 recht früh und hält diese bis deutlich über 30 Prozent State of Charge (SoC). Erst ab rund 35 Prozent fällt die Ladeleistung allmählich ab. Im Test ließ sich die angegebene Ladezeit von 26 Minuten mehrfach reproduzieren – was auch auf die rund 80 kW bei einem SoC von 90 Prozent zutrifft.
Die Wolfsburger holen derzeit aus ihrer 400-Volt-Plattform so viel raus, wie möglich, woraus eine vorzeigbare Ladekurve resultiert. Ladezeiten von unter 20 Minuten, wie sie unter anderem bei Hyundai-Kia zu finden sind, schafft der Stromer zwar nicht, doch verstecken muss er sich mit seinen Werten keineswegs. Zur Vervollständigung sei noch erwähnt, dass an einer AC-Lademöglichkeit mit elf kW der Ladevorgang von null auf 100 Prozent mit neun Stunden angegeben wird.
Manuelle und automatische Akku-Vorkonditionierung
Damit der Akku bei einem DC-Ladestopp die optimale Temperatur für die maximale Ladeleistung erreicht, muss er vorkonditioniert werden. Das Infotainment informiert den Fahrer darüber, ob die maximale Ladeleistung erreicht wird und bei wie viel Kilowatt diese liegt. Kann das Maximum noch nicht ausgeschöpft werden, gibt VW an, wie viel kW mit dem derzeitigen SoC möglich wären und wie lange es dauern würde, um diesen Wert zu erreichen. Über den Button „Batterieheizung starten“ kann die Vorkonditionierung dann manuell aktiviert werden – ein hilfreiches Feature.
Die Routenplanung erfolgt über das 15 Zoll große, rahmenlose Touch-Display – die Schaltzentrale im ID.7. Wird bei der Navigation ein Ladestopp eingeplant, startet die Vorkonditionierung automatisch. Die Ladeplanung funktioniert mittlerweile sehr gut, sogar Tesla Supercharger werden in die Planung mit aufgenommen. Zudem kann eingestellt werden, mit welcher Restreichweite ein Stopp eingeplant werden soll. Ein SoC-Wert kann allerdings nicht festgelegt werden. Während der Fahrt zeigt das System jederzeit an, wie lange die Ladepause dauert. Unklar bleibt jedoch, warum man erst auf ein Zwischenziel tippen muss, um zu sehen, mit welchem Akkustand man dort ankommt – hier besteht noch Optimierungspotenzial. Zumindest für Daten-Fetischisten.
Nachgebessert werden muss aus meiner Sicht nicht beim kleinen, schmalen Fahrerinformationsdisplay, dessen Anzeigen auf ein Minimum reduziert sind. Zu jeder Zeit sehe ich meine aktuelle Geschwindigkeit. Gut umgesetzt wurde, dass ich bei der Geschwindigkeitswarnung immerhin eine Toleranz einstellen kann, bevor das System mich warnt. So gibt es die Option Standard, bei 5 km/h oder 10 km/h darüber. Ganz ausschalten kann ich diesen nicht – eine EU-Regelung schreibt einen Piepser vor. Die Toleranz muss auch zu jedem Fahrtantritt neu gewählt werden – immerhin kann ich mir dafür einen Button im Shortcut-Menü im Touch-Display hinterlegen. Auch werde ich auf dem Bildschirm über dem Lenkrad – welches noch immer die schlecht bedienbaren Touch-Tasten besitzt – zu jeder Zeit über den aktuellen Akkustand informiert. Navigationshinweise erhalte ich über das freischwebende Display in der Mitte oder aber über das serienmäßig verbaute Augmented-Reality-Head-up-Display. In diesem werden übrigens bei Nutzung der Navigation über Android Auto oder Apple CarPlay die Richtungsangaben angezeigt.





Gewünscht hätte ich mir das Lenkrad aus dem Passat, das noch über physische, aber besser bedienbare Tasten verfügt. Nervig fand ich zudem, dass sich die Lüftungsdüsen der Klimaanlage nur noch über das Display ausrichten lassen. Ich bekomme hier etliche Einstell- und Ausrichtungsmöglichkeiten – gut. Aber die Bedienung ist eher mittelmäßig.
Dafür bietet Volkswagen eine neue Generation der Vordersitze mit adaptiver Climatronic an. Rückenschweiß wird durch Feuchtigkeitssensoren erkannt. Düsen in den Sitzen lüften, heizen oder eine „Trocknen“-Funktion entfernt lästigen Schweiß. Hinzu kommen zahlreiche Massageprogramme für Fahrer und Beifahrer, wenn auch nur optional.
Assistenzsysteme auf hohem Niveau
Der Fahrer erhält zudem Unterstützung von zahlreichen Assistenzsystemen. Serienmäßig sind Spurhalte- und Spurwechselassistent, Ausstiegswarner, automatische Distanzregelung, Verkehrszeichenerkennung, Rückfahrkamera und Einparkhilfe verbaut. Optional bietet VW den „Connected Travel Assist“ an, der vorausschauend die Geschwindigkeit anpasst – auch vor Kurven und Kreisverkehren. Der Aufpreis von 1.455 Euro lohnt sich. Mit dabei sind da noch Parkassistenten oder auch eine Memory-Funktion für den Parkassistenten.
Im Test zeigten sich die Systeme von ihrer besten Seite. Allerdings wird nichts anderes in dieser Preisklasse erwartet. Möchte man Dienstwagenfahrer abholen, müssen die hilfreichen Assistenten funktionieren. Einzig die Verkehrszeichenerkennung hatte vereinzelt Schwierigkeiten, die aktuell erlaubte Geschwindigkeit richtig zu erfassen.
Wie erwähnt ist das große Touch-Display die Schaltzentrale. Einen Wust an Knöpfen und Reglern sucht man im ID.7 vergebens. Der Innenraum wurde auf das Wesentliche reduziert – auch beim Passat. Die Mittelkonsole wirkt jedoch etwas sperrig. Dafür bietet sie eine große Ablagefläche.
Pro | Pro S | GTX | |
---|---|---|---|
Antrieb | RWD | RWD | AWD |
Leistung | 210 kW | 210 kW | 250 kW |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h | 180 km/h | 180 km/h |
0-100 km/h | 6,6 s | 6,7 s | 5,5 s |
Batterie (netto) | 77 kWh | 86 kWh | 86 kWh |
Reichweite (WLTP) | 605 km | 690 km | 584 km |
AC-Ladeleistung | 11 kW | 11 kW | 11 kW |
AC-Ladezeit (0-100 %) | 8 h | 9 h | 9 h |
DC-Ladeleistung | 175 kW | 200 kW | 200 kW |
DC-Ladezeit (10-80 %) | 28 min | 26 min | 26 min |
Preis | 54.795 Euro | 59.785 Euro | 63.955 Euro |
Platz ohne Ende
Egal ob Pro S oder GTX – der ID. 7 Tourer bietet enorm viel Platz und Stauraum. Vorn wie hinten lässt es sich wie vom Passat bekannt gewohnt bequem sitzen. Bein- und Kopffreiheit gehören zu den Tugenden eines Kombis. Auch der rein elektrische Ableger des Passats – wenn man den ID. 7 denn so nennen mag – wird dem gerecht.
Im Vergleich zu anderen elektrischen Kombis bietet der ID. 7 Tourer Pro S wie erwähnt, trotz der 85 Liter weniger zum Passat, reichlich Stauraum im Kofferraum. Hier ein paar Beispiele: Während das ID.-Modell auf 605 Liter kommt, sind es beim BMW i5 Touring 570 Liter, beim Opel Astra Electric Sports Tourer 516 Liter und beim Nio ET5 Touring sogar nur 450 Liter. Wem die 605 Liter des ID. 7 Tourer nicht reichen, kann bei dieser Variante bis zu 1.000 kg an den Haken nehmen (gebremst und bei zwölf Prozent Steigung, 1.200 kg bei acht Prozent Steigung). Ungebremst sind es bis zu 750 kg. Mehr bietet beim ID.7 nur der GTX, der gebremst jeweils 200 Kilo mehr verträgt. Bis zur Anhängelast des Passats fehlt dem Stromer dennoch einiges, denn der kommt je nach Motorisierung auf bis zu 2.200 Kilo.
Fazit
Mit dem ID.7 haben die Wolfsburger ein vorzeigbares Elektroauto auf die Beine gestellt. Sie haben aus der Vergangenheit gelernt und nicht nur bei Effizienz und Lade-Performance, sondern auch bei der Software spürbar nachgelegt. Doch auch bei den Themen Verarbeitung, Qualität und Materialanmutung muss sich der Stromer nicht verstecken.
All das hat aber auch seinen Preis: Der Basispreis liegt bei 59.785 Euro. Die günstigen Basispreise des Verbrenner-Passats mögen im Vergleich zwar verlockender aussehen, doch wer eine vergleichbare Motorisierung und Ausstattung wählt, wird feststellen, dass der Unterschied zum E-Kombi deutlich geringer ausfällt. Und dann wäre da noch der Steuervorteil beim Dienstwagen für die private Nutzung. Statt monatlich ein Prozent (Passat) zahlt man beim ID.7 im besten Fall – das Fahrzeug darf derzeit nicht über 70.000 Euro kosten – nur 0,25 Prozent vom Bruttolistenpreis. Der Unterschied ist riesig. Den ID.7 Tourer sollten Fuhrparkmanager, die diesen elektrifizieren wollen, also durchaus in Erwägung ziehen.
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