
Erste Ausfahrt im BYD Dolphin Surf: Auf der grünen Welle an die rote Ampel
Die erste Begegnung mit dem BYD Dolphin Surf führt direkt in einen langen Ampel-Rückstau. Also nichts mit grüner Welle, auf der die Chinesen nach den Worten von BYD-Deutschland-Vertriebschef Patrick Schulz reiten wollen. Also Blinker gesetzt und die letzte Abzweigung vorm Stauende genommen. Am Ende der kleinen Sackgasse in einem Zug gewendet (der 3,99 Meter kurze Dolphin Surf zieht mit einem Wendekreis von 10,5 Metern richtig eng rum) und zurück zur Hauptstraße. Gut, da hinten kommt einer, aber der erfahrene Elektroauto-Fahrer zieht natürlich trotzdem auf die Spur – und drückt das Strompedal voll durch. Nur hat er die Rechnung ohne den Schlupf gemacht. Die Hankook-Reifen auf den Rädern des Dolphin Surf in der Comfort-Version kriegen die 220 Nm des 115-kW-Motors kaum auf den Berliner Asphalt.
Und natürlich ist im Berliner Westen die nächste Ampel nicht weit. Also die Paradedisziplin eines jeden Elektroautos ausprobieren: Ampelstart! Wieder Vollstrom, wieder geht’s nicht ganz ohne Antriebsschlupf voran. Mit Rücksicht auf die neuen Reifen des frisch zugelassenen Testwagens lassen wir es in der Folge ruhiger angehen. Der künftige Nutzer – ob nun Schwester im Pflegedienst oder Rentner auf dem Weg zum Arzttermin – wird ja auch nicht wie Lucas di Grassi oder Pascal Wehrlein in der Formel E durch die Gegend düsen.
Immerhin bieten die Sitze auch bei turbulenter Fahrweise genug Halt. Im Großstadtverkehr mitzuschwimmen, auf der Stadtautobahn flott die Spuren zu wechseln oder auf Landstraßen zu überholen, fordert den Dolphin Surf jedenfalls nicht heraus. Der Kleinwagen bietet in seiner teuersten Version – der von uns getesteten Comfort-Variante – zudem viele praktische Features. Von beheizbaren Vordersitzen (wie wir bei über 20 Grad und Sonnenschein nicht testen) bis zur 360-Grad-Kamera. Letztere ist in der City insofern praktisch, weil man sich selbst in engste Parklücken trauen kann. Die Bodenbeleuchtung der Außenspiegel blieb uns im gleißenden Licht auch verborgen, nicht aber der kalte Luftstrom der kraftvollen Klimaanlage, deren Menü auf dem Touchscreen in der Mitte des Hartplastik-Armaturenbretts etwas kleinteilig zu bedienen ist. Dafür kann man eben jenen Bildschirm auf Wunsch per Knopfdruck um 90 Grad drehen lassen – eine Option, die man von anderen BYD-Cockpits kennt, in der Preisklasse sonst aber vergeblich sucht.


















Apropos Preis: Der ist heiß! Bis Ende Juni gibt’s den BYD Dolphin Surf in der teuersten Variante schon für 24.990 Euro, danach ist er 6.000 Euro teurer. Und die Basisversion namens Active gibt’s sogar schon für 19.990 Euro – die magische Marke von 20.000 Euro hat BYD mit dem Dolphin Surf also zumindest für kurze Zeit geknackt. Gründe mit dem Kauf zu zögern, gibt es eigentlich keine gravierenden. Mit dem Kleinwagen bekommt die Kundschaft viel Elektroauto für vergleichsweise wenig Geld. Und einen perfekten Allrounder für den Alltag jenseits der Langstrecke. Es ist der potentielle Erstwagen für jene Menschen mit überschaubarem Bewegungsradius oder eben der passable E-Zweitwagen.
An das Außendesign muss man sich vielleicht etwas gewöhnen. Vorne gestauchter Lambo, an den Seiten wilde Linien, die wohl Schwung in die Optik bringen sollen, aber doch eher einen zerklüfteten Eindruck hinterlassen. Das Heck fällt steil ab, wirkt ansonsten aber dynamisch und modern. Funktional geht es im Innenraum zu. Klar, irgendwo muss gespart werden. Luxus sucht man hier vergebens, was bei der Preisklasse nur logisch ist. Aber die Verarbeitung stimmt. Die Comfort-Version bietet neben USB-Anschlüssen sogar eine induktive Ladeschale für das Smartphone, die bei unserer Ausfahrt allerdings keinen Strom ins iPhone speisen mag. Der Innenraum präsentiert sich ansonsten minimalistisch und funktional. Ein Fünf-Zoll-Digitalcockpit hinter dem Lenkrad und der drehbare 12,8-Zoll-Touchscreen dominieren das Bild. Elektrisch verstellbare Vordersitze und Außenspiegel fallen positiv auf. Den Startknopf hinterm Lenkrad muss man allerdings kurz suchen. Und die Taste für den Parkmodus am Drehschalter für den Fahrmodus unterhalb des Bildschirms erst recht. Das wars’s aber auch schon an Mecker-Optionen.
Dolphin Surf Active | Dolphin Surf Boost | Dolphin Surf Comfort | |
---|---|---|---|
Antrieb | FWD | FWD | FWD |
Leistung | 65 kW | 65 kW | 115 kW |
Drehmoment | 175 Nm | 175 Nm | 220 Nm |
Beschleunigung | 11,1 s | 12,1 s | 9,1 s |
Höchstgeschwindigkeit | 150 km/h | 150 km/h | 150 km/h |
WLTP–Reichweite | 220 km | 322 km | 310 km |
Batteriekapazität | 30 kWh | 43,2 kWh | 43,2 kWh |
Ladeleistung DC | 65 kW | 85 kW | 85 kW |
Ladezeit DC 10-80% | 30 min | 30 min | 30 min |
Preis | 22.990 Euro | 26.990 Euro | 30.990 Euro |
Unsere kurze Spritztour von Ampel zu Ampel in Berlin lässt natürlich noch keine Langzeit-Aussagen zu. Hinterm Lenkrad sitzen auch große Menschen bequem, die flache Blade-Batterie im Fahrzeugboden lässt viel Beinfreiheit entstehen und auch nach oben hin ist es zumindest in der ersten Reihe luftig. Die hintere Sitzreihe sollte für kleine bis mittlere Fahrgäste gut auszuhalten sein und der Kofferraum reicht mit seinen 308 Litern für mehr als nur den Wochenendeinkauf, zumal er sich mit zwei Handgriffen auch noch auf über 1.000 Liter erweitern lässt – dann wird der Dolphin Surf aber nur noch zum Zweisitzer.
Ungewöhnlich ist der Ladeport oberhalb des rechten Vorderrades. Hier hat sich BYD offenbar ein paar Meter des teuren Hochvoltkabels gespart und den CCS-Anschluss möglichst nahe an der Batterie im Unterboden platziert. Für Längsparker ist die Position an der Ladestation natürlich praktisch. An den Schnelllader muss man aber meist mit der Nase voran, da kann es je nach Position der Ladesäule und Länge des Ladekabels eng werden. Beim Gleichstromladen ist dafür aber Geduld gefragt. Die Chinesen haben die Ladeleistung auf 65 kW beim kleinen und 85 kW beim (von uns getesteten) großen Akku limitiert. 30 Minuten für den Hub von zehn auf 80 Prozent gibt BYD fürs DC-Laden an – ausprobieren konnten wir das nicht. Immerhin nuckelt der BYD Dolphin Surf am Wechselstrom mit 11 kW und kann seine Energie sogar mit bis zu 3,3 kW an externe Geräte wieder abgeben. Top!
Verbrauch kann sich sehen lassen
Positiv ist auch der erste Eindruck vom Verbrauch: Für die letzten 50 Kilometer hat der Bordcomputer einen Schnitt von 13,1 kWh/100km angezeigt. Da bei dem BYD-Event in Berlin auch vor uns der ein oder andere Kollege den Ampelstart ausprobiert haben wird, dürfte dieser Wert sogar etwas höher sein als mit einem etwas sanfteren Fahrstil im Alltag. Damit wären – zumindest in der Stadt – die 310 WLTP-Kilometer realistisch. Wie sich der Dolphin Surf auf längeren Strecken außerhalb von Berlin schlägt, können wir aber erst nach einem ausführlicheren Test sagen.
Was noch? Es gibt drei Fahrmodi (Eco, Comfort und Sport) und sogar Over-the-Air (OTA)-Updates. Vielleicht taucht hierüber sogar noch ein Lademenü in der Software auf, das wir bisher vergeblich gesucht haben. Nur die Einstellung der geplanten Ladezeit (Menüpunkt „Intelligentes Laden“) haben wir gefunden.
Die zentrale Spotify-Integration im Menü erfreut Musik- und Podcastfreunde spätestens beim Warten an der roten Ampel, da dann die Lieblingsmusik schnell und präzise ausgewählt werden kann. Bis es dann Zeit ist für den nächsten Ampelstart bei hoffentlich nicht mehr schlupfenden Rädern, weil man sich besser ans E-Auto gewöhnt hat.
Und vielleicht klappt’s dann ja auch mit der grünen Welle, auf der BYD mit dem Dolphin Surf in Deutschland reiten will. Wie man hört, hat der deutsche Vertrieb zunächst wohl um die 2.000 Exemplare in China geordert. Alle vier Wochen kommen die Schiffe des Konzerns in Bremerhaven an. Dass sich der Surf gut verkauft, ist für die Antriebswende zu hoffen. Gründe, die dagegen sprechen, gibt es eigentlich nicht. Schließlich bekommt man mit einem Dacia Spring oder Leapmotor T03 weniger E-Auto fürs Geld. Und Montagsautos sind vom mittlerweile weltgrößten Elektroauto-Hersteller auch nicht zu erwarten, zumal der Dolphin Surf als BYD Seagull das meistverkaufte Auto in China ist.
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