
Sara Schiffer im Interview: Warum Hylane nun auch Batterie-Lkw vermietet
Im Rampenlicht der „Transport Logistic“ in München präsentierte Hylane dieser Tage einen Deal, der in der Branche für Aufsehen sorgte: Der Kölner Nutzfahrzeug-Vermieter machte die Beschaffung von 30 Mercedes-Benz eActros 600 publik – die erwiesenermaßen keine Wasserstoff-Lkw sind, sondern Batterie-betrieben fahren. Damit erweiterte das Unternehmen ohne Vorankündigung sein Mietmodell, das bisher auf Wasserstoff-Lkw beschränkt war.
Wir haben Sara Schiffer zu den Hintergründen dieser Richtungsentscheidung und dem künftigen Rollenverständnis ihres Unternehmens befragt. Dabei kam nicht nur die nötige Erweiterung der Infrastruktur-Services um Ladeökosysteme zur Sprache. Die Hylane-Geschäftsführerin ging im Gespräch mit electrive-Redakteurin Cora Werwitzke auch auf den künftigen Flottenmix der Mietflotte und die Zielgruppen ein. So viel sei verraten: Die Kundenakquise beschränkt sich nicht länger nur auf Deutschland.
Frau Schiffer, Hylane galt immer als überzeugter Wasserstoff-Befürworter und öffnet sich nun gegenüber Batterie-Lkw (BEVs), warum?
Es ist richtig, dass wir unseren Fokus gerade zu Anfang auf Wasserstoff gelegt hat, um uns als junges Unternehmen fokussieren und unsere Prozesse aufbauen zu können. Aber wir sind überzeugt, dass wir langfristig beide Technologien brauchen und haben Hylane deshalb auch als emissionsfreie Nutzfahrzeugvermietung gegründet – so steht es in unserem Handelsregister-Eintrag als Geschäftszweck.
Und warum dann die Öffnung zum jetzigen Zeitpunkt?
Den Impuls haben unsere Bestandskunden gegeben, die bei uns zunehmend Batterie-Lkw angefragt haben. Wir sehen uns als langfristiger Partner unserer Kunden bei der Flotten-Dekarbonisierung – also haben wir uns entschieden, beide Technologien anzubieten und nicht zu sagen: Wir sind nur der Spezialanbieter für Wasserstoff. Hinzu kam, dass wir uns jetzt auch reif genug gefühlt haben, diesen Schritt zu gehen.
Also sagen Sie, dass die neue Strategie nicht unbedingt damit zu tun hat, dass es mit den Wasserstoff-Lkw nicht so gut oder nicht so schnell lief?
Ja, absolut. Und wir werden auch weiterhin in beiden Technologien wachsen. Vor wenigen Wochen haben wir neue Wasserstoff-Lkw von Iveco integriert und wir werden weiterhin auch Wasserstoff-Lkw zusätzlich in die Flotte aufnehmen. Wir sind ganz klar davon überzeugt, dass Wasserstoff zwingend notwendig ist, um den schweren Straßengüterverkehr zu dekarbonisieren. Die Aufnahme von Batterie-Lkw ist für uns der nächste Schritt im Unternehmenswachstum, aber wir sind weiterhin ganz klarer Befürworter von Wasserstoff.
Die ersten Batterie-elektrischen Lkw liefert nun Daimler Truck. Wie kam der Deal zustande?
Wir haben unterschiedliche OEMs nach Angeboten angefragt, Daimler Truck konnte aber das überzeugendste Angebot machen. Wir sind mit dem Unternehmen schon lange im Austausch – dort ist ja auch ein Wasserstoff-Lkw in der Entwicklung. Daimler Truck ist ebenso wie wir überzeugt, dass wir beide Technologien brauchen. Und als wir für uns die Entscheidung getroffen hatten, dass wir jetzt auch Batterie-Lkw aufnehmen, war Daimler für uns ein natürlicher Partner.
Ist in diesem Kontext spruchreif, ob demnächst schon die nächsten BEV-Lkw bei Hylane ankommen?
Ja, es werden kurzfristig weitere Fahrzeuge dazukommen. Die ersten 30 eActros 600 gehen ja komplett an DHL – und wir möchten natürlich auch weitere Kunden mit Batterie-Lkw bedienen. Von daher werden auch bald weitere Fahrzeuge folgen.
Müssen Sie für die Integration von BEVs Ihr Mietmodell anpassen? Wie ist das beispielsweise mit der Infrastruktur, die sich zwischen Batterie- und Wasserstoff-Lkw ja sehr unterscheidet?
Unsere Kunden können die Batterie-Lkw bei uns in demselben Mietmodell beziehen wie die Wasserstofffahrzeuge – es bleibt also bei einem „Pay-Per-Use“-Modell. Und es bleibt auch dabei, dass wir nicht nur die Fahrzeuge liefern, sondern umfassende Serviceleistungen um die Fahrzeuge herum, angefangen bei der Zulassung mit möglichen Sondergenehmigungen über Wartung, Service bis zur Versicherung – inklusive der Energieversorgung, und da brauchen wir im Batterie-Bereich natürlich neue Partner.
Haben Sie schon Namen?
Es handelt sich um neue Kooperationen mit Infrastrukturbetreibern für das öffentliche Laden und auch für das Laden im Depot. Die Partner werden wir in den kommenden Wochen kommunizieren.
Wie wird das Verhältnis von Batterie-elektrischen Lkw zu Wasserstoff-Lkw bei Hylane künftig aussehen? Wagen Sie da eine Prognose?
Das hängt in erster Linie davon ab, wie der Bedarf bei unseren Kunden ist. Wir gehen davon aus, dass unser Flottenmix die Entwicklung im Markt spiegelt. Aber natürlich stellen wir Prognosen auf. So haben Batterie-Lkw gerade vielleicht etwas die Nase vorne, weil die Fahrzeuge verfügbar sind und die initiale Infrastruktur steht. Aber unsere Überzeugung ist es, dass vor allem langfristig Wasserstoff entscheidend ist, um in eine Skalierung zu kommen. Das hören wir auch im Gespräch mit OEMs oder Kunden.
Was sagen die OEMs und Kunden denn?
Stichworte sind unter anderem der Platzbedarf oder die Kosten und der Netzanschluss für die Ladeinfrastruktur. Von daher glauben wir, dass wenn das initiale Potenzial mit dem Batterie-Lkw einmal ausgeschöpft ist, zwingend die Wasserstoff-Lkw zum Tragen kommen, um dann in größere Stückzahlen zu kommen. Im Endeffekt werden wir aber den Markt spiegeln. Das Gute ist: Wir sind kein Fahrzeughersteller, sondern können die Fahrzeuge so einkaufen, wie sie bei unseren Kunden benötigt werden.
Ihr Geschäft gab es im Diesel-betriebenen Straßengüterverkehr quasi nicht. Wie kommt es, dass sich dieser neue Spielraum zwischen Hersteller und Kunde im Branchengefüge aufgetan hat?
Aus unserer Sicht ändert sich mit dem Wandel von Diesel zu emissionsfreien Lkw die Art und Weise, wie Lkw betrieben werden fundamental. Flottenbetreiber müssen auf einmal sehr viele zusätzliche Aktivitäten schultern. Das schafft Platz für neue Player, die sich darauf fokussieren, diese On-top-Aktivitäten für Flottenbetreiber zu managen. Wir füllen sozusagen eine Lücke, die mit dem Betrieb von emissionsfreien Fahrzeugen entsteht. Dazu gehört auch, dass die Fahrzeugwahl komplexer wird: In der Diesel-Welt haben sich Flottenbetreiber einen Lkw gekauft und der war dann einsetzbar für so gut wie alle Use Cases. Bei emissionsfreien Lkw gibt es die Auswahl zwischen Batterie und Wasserstoff, und innerhalb dieser Bereiche wieder zwischen verschiedenen Leistungsstufen, Batteriekonfigurationen oder H2-Druckstufen bzw. Flüssigwasserstoff. Das Portfolio wird granularer und die Ausstattung der Fahrzeuge wirkt sich wiederum extrem auf den Use Case und die Anschaffungskosten aus. Auch hier wollen wir unsere Kunden unterstützen, indem sie mit uns herausfinden können, welches Fahrzeug am besten passt. Und das ist nicht unbedingt der Wasserstoff-Lkw auf der Langstrecke und der Batterie-Lkw im regionalen Verkehr.
Nein? Das galt aber lange als gängige Meinung innerhalb der Branche…
Unsere Erfahrung zeigt, dass dieses Schwarz-Weiß-Denken nicht zutrifft. Wir haben viele Kunden, die Wasserstofffahrzeuge im regionalen Verteilerverkehr einsetzen. Klar auch, weil wir im ersten Schritt nur Kofferfahrzeuge liefern konnten, die dafür in Frage kamen, aber vor allem auch, weil die Infrastruktur bei einigen Kunden mit großen Flotten zu aufwändig wäre, um Batterie-elektrische Fahrzeuge einzusetzen. Ein anderer Kunde fährt auf der gleichen Strecke einen von unseren Wasserstoff-Lkw und einen eActros 600. Von der Reichweite her kommt der eActros sogar ein Stück weiter, aber er lädt halt im Depot anschließend acht Stunden, während der H2-Lkw schnell aufgetankt ist und schon wieder die nächste Schicht antreten kann. Es kommt bei der Fahrzeugwahl im Endeffekt immer auf das Zusammenspiel der Lkw mit der Infrastruktur im Kontext des jeweiligen Einsatzszenarios an.
Die Regierung bereitet neue Sonderabschreibungen für E-Fahrzeuge vor, was den Kauf fördern soll. Könnte das Ihr Geschäft bremsen?
Wir gehen nicht davon aus, dass das unser Modell bremsen wird – aus zwei Gründen: Große Flottenbetreiber, wie DHL, DB Schenker oder DSV, die alle bei uns Fahrzeuge mieten, haben eigentlich das Bestreben, „asset light“ zu sein. Sie möchten ihr Kapital also nicht unbedingt in den Lkw binden. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum sie Fahrzeuge bei uns mieten – und da hat auch die potenzielle Sonderabschreibung keinen Einfluss darauf. Kleine Unternehmen – also Einzelunternehmer oder Subdienstleister – haben im Gegenzug oft nicht die finanziellen Mittel, sich die Fahrzeuge selbst zu beschaffen. Und für diese Kunden ist es dann über uns ein einfacher Weg, die Fahrzeuge mit geringen Investitionskosten zu beziehen. Und auch daran würde eine Sonderabschreibung nichts ändern. Das sind gleichzeitig die beiden Zielgruppen, für die unser Mietmodell besonders relevant ist.
Und das Geschäft fokussieren Sie auf Deutschland, richtig?
Unser Fokus ist bisher auf Deutschland, ja. Wobei wir erste Fahrzeuge auch in Frankreich, Luxemburg, Belgien und in den Niederlanden im Einsatz haben. Und zur europäischen Expansion haben wir wahrscheinlich in den nächsten Wochen nochmal ein Update.
Frau Schiffer, vielen Dank für das Gespräch!
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