Analyse von REEsilience: Europa kann bei Seltenen Erden unabhängiger werden
Seltene Erden, etwa Neodym, Dysprosium oder Praseodym, sind für die Herstellung von Permanentmagneten unverzichtbar. Diese Magnete treiben Elektromotoren in E-Autos besonders effizient an und sind bislang kaum durch Alternativen zu ersetzen, wobei aber die Zulieferer Mahle und ZF bereits erste magnetfreie E-Motoren vorgestellt haben. Ein typischer Elektromotor kann bis zu zwei Kilogramm seltenerdhaltige Magnete enthalten. Ohne sie sind bislang kompakte, leistungsstarke Motoren kaum denkbar.
Der weltweite Markt für Seltene Erden wird aktuell von China dominiert, das zuletzt den Export dieser Rohstoffe eingeschränkt hatte und bis heute die Preise diktiert. Diese einseitige Abhängigkeit birgt erhebliche Risiken für europäische Hersteller – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch.
Neue Analyse: Schon wenige Lagerstätten könnten die EU-Versorgung sichern
Das 2022 ins Leben gerufene Projekt REEsilience, gefördert durch die EU und UKRI, hat nun in einer umfassenden Studie 149 Seltenerd-Vorkommen weltweit auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (ESG) untersucht. Das überraschende Ergebnis: Schon die Erschließung eines kleinen Teils risikoarmer Lagerstätten könnte die Versorgung Europas deutlich stabilisieren.
Vor allem Regionen wie Skandinavien, Kanada, Australien und Grönland verfügen über Vorkommen mit günstigen ESG-Profilen. Der norwegische Fen-Komplex oder das schwedische Kiruna-Projekt gelten als besonders vielversprechend. Für Projekte diese Standorte sprechen nicht nur geologisch gute Voraussetzungen, sondern sie liegen auch in politisch stabilen Demokratien mit hohen Umweltstandards.
Als einziges nennenswerten Vorkommen Seltener Erden in Deutschland wird Delitzsch-Storkwitz nördlich von Leipzig genannt, jedoch wurde ein Abbau dort bereits vor Jahren als unattraktiv bewertet – und später entdeckte Vorkommen wie im schwedischen Kiruna sind deutlich größer, wie auch die Karte oben zeigt.
E-Autos als Treiber der Nachfrage
Laut IEA wird sich die Nachfrage nach Seltenen Erden für Elektrofahrzeuge in den nächsten Jahren vervielfachen. Allein für die EU bedeutet das: Wenn sie ihre Klimaziele erreichen will, müssen bis 2030 rund 30 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge auf den Straßen sein. Ohne gesicherte Versorgung mit Seltenen Erden ist dieses Ziel gefährdet.
Zugleich ist der Abbau dieser Rohstoffe oft mit Umweltzerstörung und sozialen Konflikten verbunden – insbesondere in Entwicklungsländern mit schwacher Governance. Deshalb setzt REEsilience auf Lagerstätten mit möglichst geringen ESG-Risiken, um eine nachhaltige Alternative zu chinesischen Lieferketten aufzubauen.
Recycling, Digitalisierung und Ausbildung im Fokus
Neben dem Abbau neuer Quellen verfolgt REEsilience einen umfassenden Ansatz. Dazu gehören die Entwicklung digital gestützter Produktionsprozesse, die Erhöhung von Recyclingquoten und die Ausbildung künftiger Fachkräfte für die Magnetherstellung. Ziel ist es, die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Magneten – in Europa zu etablieren.
Ein Simulationsmodell der niederländischen TU Delft verdeutlicht: Wird nur auf bestehende Importstrukturen gesetzt, könnten Marktstörungen zu drastischen Preisschwankungen führen. Resilienzmaßnahmen wie Recycling und Lebensdauerverlängerung der Produkte mildern diese Risiken deutlich ab.
Europas Chance auf technologische Souveränität
Eine unabhängige Versorgung mit Seltenen Erden ist nicht nur eine Frage der Versorgungssicherheit, sondern auch der technologischen Souveränität, wie auch der Critical Raw Materials Act der EU aus dem vergangenen Jahr betont. Wer die Kontrolle über diese kritischen Rohstoffe gewinnt, sichert sich die Schlüsselrolle bei Zukunftstechnologien wie der Elektromobilität.
Wie Maarten Koese von der Universität Leiden betont: „Eine kritische Mineralienversorgungskette kann nur dann wirklich widerstandsfähig sein, wenn sie im weitesten Sinne auch nachhaltig ist. Deshalb ist es wichtig, ESG-Aspekte zu berücksichtigen, bevor neue Seltene Erden-Vorkommen erschlossen werden.“
Die EU hat nun die Chance, durch gezielte Erschließung risikoarmer Lagerstätten und Investitionen in Recycling, Innovation und Ausbildung ihre Abhängigkeit zu verringern – und so die Grundlagen für eine emissionsfreie Mobilität zu sichern.
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