Volle Power vs. clevere Planung: Wie lädt man Elektro-Flotten richtig?
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Matthias Kreimeier ist ein Branchen-Profi durch und durch – mit feinem Radar für die wirtschaftspolitischen Entwicklungen unserer Zeit. Zu Beginn dreht sich der Podcast denn auch um die aktuelle Diskussion, ob Firmen und Mietwagenanbieter in der EU womöglich schon ab 2030 ausschließlich auf Elektroautos setzen sollten. Kreimeier sieht in dem durchgesickerten Vorstoß der EU-Kommission ein starkes Signal, mahnt aber zur Umsetzungsrealität: „Ob man das jetzt grundsätzlich über eine Quote und über Regularien erzielen muss, sei mal dahingestellt.“
Statt Zwang bevorzugt Kreimeier den Weg über Anreize. Unternehmen müssten motiviert werden, E-Fahrzeuge freiwillig einzusetzen – durch passende Fahrzeugangebote, wirtschaftlich sinnvolle Betriebskosten und vor allem durch eine gut funktionierende Ladeinfrastruktur. Dabei sollte das Angebot skalierbar und auf reale Nutzungsprofile abgestimmt sein.
Laden ist komplexer als viele Leute denken
Laut Kreimeier denken viele beim Thema Laden zu einfach – Stichwort Stecker rein, Strom fließt. Doch tatsächlich sei das Ganze viel komplexer: „Ich zitiere immer gerne das Bild des Eisbergs. Was sichtbar ist – also Kabel und Wallbox –, ist nur ein kleiner Teil.“ Die Herausforderungen lägen vielmehr in der Tarifgestaltung, der Nutzerfreundlichkeit, der Abrechnung und vor allem in der Integration in Unternehmensprozesse.
Ein zentrales Anliegen ist dabei, frühzeitig eine umfassende Bedarfsanalyse durchzuführen: Welche Fahrzeuge sollen geladen werden? Dienstwagen, private Fahrzeuge von Mitarbeitenden, Kund*innenfahrzeuge? Wie oft und wann stehen die Fahrzeuge? Welche Strommenge wird tatsächlich benötigt? Das Lastmanagement spielt hier eine große Rolle, um Investitionskosten gering zu halten.
Smallbox statt Wallbox
Die Lösung von ChargeBIG basiert auf einem zentralisierten Ansatz. Statt an jedem Ladepunkt eine voll ausgestattete Wallbox zu installieren, setzt das Unternehmen auf die sogenannte Smallbox – eine einfache Steckdose mit Kabel, die nur einen Bruchteil der Technik beinhaltet. Die Steuerung, Kommunikation und Absicherung erfolgt zentral. „Unsere Smallbox ist im Prinzip nur ein Stecker und ein Kabel“, beschreibt Kreimeier das Konzept. Das senke nicht nur die Kosten, sondern ermögliche eine flexible Skalierung.
Das Herzstück des ChargeBIG-Systems ist ein zentrales Lastmanagement, das für bis zu 100 Ladepunkte konzipiert ist. Statt jede Wallbox mit eigener „Intelligenz“ auszustatten, sitzen Steuerung und Kommunikation gebündelt in einer zentralen Leistungseinheit. Das reduziert Kosten, vereinfacht die Installation und erhöht die Betriebssicherheit.
„Wir führen die Intelligenz zusammen und machen die Boxen am Parkplatz so einfach wie möglich“, so Matthias Kreimeier, CEO von MAHLE ChargeBIG.
Dabei enthält die Smallbox vor Ort lediglich die Ladetechnik, keine aufwendige Kommunikationstechnik. Das senkt die Fehleranfälligkeit und erlaubt eine schlanke Infrastruktur, die leicht erweiterbar ist: Wenn ein Unternehmen zunächst mit zehn Ladepunkten startet und später auf 50 oder 100 erweitern will, müssen lediglich weitere Smallboxen installiert werden, ohne das Gesamtsystem neu zu planen.
Ladeleistung clever gedacht: Weniger ist oft mehr
Das System setzt bewusst auf Wechselstromladen mit moderater Leistung, typischerweise 2 bis 7,2 kW. Denn viele Fahrzeuge stehen ohnehin acht Stunden oder länger am Arbeitsplatz. Rechnet man realistisch: Ein E-Auto mit 50 km Tagesfahrleistung benötigt rund 15 kWh. Verteilt auf einen Arbeitstag reichen dafür 2 kW Ladeleistung – bei minimaler Belastung des Netzanschlusses. Entscheidend sei, dass das Fahrzeug bei Arbeitsende ausreichend geladen ist: „Dann ist sichergestellt, dass der Mitarbeiter nachmittags gut gelaunt nach Hause fahren kann.“ Und: Der modulare Aufbau erlaubt es Unternehmen, klein anzufangen – etwa mit sechs Ladepunkten – und bei wachsender E-Flotte einfach zu skalieren, ohne Umbau am Netzanschluss oder langwierige Genehmigungen.
Mobile Lösungen für neue Einsatzfelder
Ein besonderes Highlight ist die portable Variante der Smallbox – entwickelt mit Würth für den Einsatz auf Baustellen. Hier wird das Ladesystem in einen Baustromverteiler integriert. Bauleiter oder Lieferanten können direkt vor Ort laden, ohne zusätzliche Stopps oder aufwendige Infrastruktur.
„Vier Ladepunkte in einem tragbaren Gehäuse – einfach, robust und sofort einsatzbereit.“
Damit wird Elektromobilität auch im Baugewerbe schnell praxistauglich.
Aus der Praxis: Flexibel bei Industrie und Flughafen
Zwei Projektbeispiele verdeutlichen die Stärken des Systems:
- Automobilhersteller: Für die Auslieferung von E-Fahrzeugen wurden 70–100 Parkplätze mit AC-Ladepunkten ausgestattet. Um unnötiges Umparken und Unfälle nach der Produktion zu vermeiden, wurden die Ladekabel über Deckenroller geführt – ohne Bodeninstallation. Fahrzeuge laden über Nacht und sind am nächsten Tag abfahrbereit.
- Flughafenparkhaus: Trotz nur 30 kW Netzanschluss konnten 18 Ladepunkte realisiert werden. Reisende und Mitarbeitende stehen oft mehrere Tage – das genügt für langsames, aber vollständiges Laden. Bislang gab es keine Beschwerden über unzureichende Ladezustände.
Ladelösung mit System – einfach, skalierbar, zuverlässig
ChargeBIG zeigt, dass Ladeinfrastruktur nicht kompliziert oder teuer sein muss. Durch zentrale Steuerung, einfache Installation und flexible Erweiterbarkeit eignet sich das System ideal für Flotten, Parkhäuser, Unternehmensstandorte – und sogar für temporäre Einsätze.
„Der Nutzer steigt ein, das Auto ist voll, alles hat funktioniert – das ist für uns gute Elektromobilität“, fasst Kreimeier zusammen.
Finanziell soll die Umstellung ebenfalls attraktiv sein. Laut Kreimeier lassen sich Betriebskosten gegenüber Verbrennern um 20 bis 30 Prozent senken. Die Hardwarekosten pro Ladepunkt beziffert er auf etwas über 1.000 Euro, zuzüglich Installation. Damit lasse sich bereits auf einem „Bierdeckel“ eine wirtschaftlich tragfähige Lösung kalkulieren.
Zunehmend auch Mitarbeiter-Autos aufladen
Innerhalb von Unternehmen beobachtet Kreimeier einen interessanten Trend: Zunächst würden meist nur Dienstwagen elektrifiziert, doch mit der Zeit würden auch immer mehr private Fahrzeuge von Mitarbeitenden geladen. Dies geschehe freiwillig, insbesondere wenn die Unternehmen vergünstigte Strompreise anbieten: „Wenn mich die ganze Zeit am Stellplatz im Büro ein Ladepunkt angrinst, den ich nicht nutze, dann stellt sich schon die Frage, ob es sich nicht lohnt, mal beim nächsten Fahrzeug über ein Elektroauto nachzudenken.“
Neben den technischen und wirtschaftlichen Aspekten betont Kreimeier auch die emotionale Komponente der E-Mobilität: „Meine Frau sagt immer, wir fahren seit Jahren voll elektrisch. Der ganz große Vorteil eines Elektroautos ist: Ich muss nie wieder tanken fahren.“
Insgesamt plädiert ChargeBIG-Chef Matthias Kreimeier für einen ganzheitlichen, durchdachten Ansatz – und weniger für Aktionismus. Ladeinfrastruktur müsse nicht kompliziert oder teuer sein – wenn sie gut geplant werde.
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