Wie man Speditionen für E-Lkw begeistern kann – Tobias Wagner, Elektrotrucker
Wagners Motivation, das Büro gegen die Fahrerkabine zu tauschen, war simpel: „Ich wusste, ich muss in die Praxis. Sonst verstehe ich das Ganze nicht.“ Die elektrische Schwerlastmobilität sei an einem Punkt angekommen, an dem man nicht mehr nur auf PowerPoint-Folien spekulieren dürfe. „In den letzten Jahren wurde so viel theoretisch diskutiert – Wasserstoff, Batterie – und dann sind wieder alle in ihren Diesel gestiegen“, kritisiert Tobias Wagner. Ihm reichte das nicht mehr. Also machte er ins Blaue hinein einen Lkw-Führerschein für 7.000 Euro, bewarb sich bei Dutzenden Speditionen – und hatte Glück.
Die ostfriesische Spedition Nanno Janssen hatte nicht nur mehrere vollelektrische 40-Tonner geordert, sondern auch den Mut, Wagner als Quereinsteiger einzustellen. Seither dokumentiert er seine Touren, seine Pannen, seine Ladevorgänge. Dabei liefert er echte Erfahrungswerte statt Marketingfloskeln. Und das nicht nur intern in der Spedition, sondern auch auf YouTube: Dort folgen ihm auf seinem Kanal „Elektrotrucker“ mittlerweile rund 70.000 Menschen. So ist Wagner in kurzer Zeit zum wohl bekanntesten Lkw-Fahrer Deutschlands geworden.
Einfach fahren – aber elektrisch
Der Arbeitsalltag auf Achse hat Tobias Wagner überzeugt. „Ich kann genau die gleichen Strecken fahren in der gleichen Zeit wie mit dem Diesel“, berichtet er während unserer Online-Konferenz electrive LIVE direkt aus dem Führerhaus seines eActros 600, mit dem er zum Zeitpunkt des Vortrags in Spanien unterwegs ist. Bei voller Auslastung – „42,1 Tonnen, wirklich am Limit“ – kommt der Truck auf 500 bis 600 Kilometer Reichweite. Ladepausen fügen sich dabei gut in die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten ein. „Nach viereinhalb Stunden Fahrt mache ich 45 Minuten Pause – und der Akku ist wieder bei 80 Prozent“, so Wagner.
Dabei setzt er längst nicht mehr auf improvisierte Lösungen: „Ich habe in den letzten zwölf Monaten nicht ein einziges Mal abgesattelt – die Zeiten sind vorbei.“ Dank neuer Ladeparks etwa von Aral Pulse oder Milence sei die nötige Infrastruktur inzwischen vorhanden, auch wenn sie nicht immer leicht zu finden sei. Wagners Lösung: eine eigene App für E-Trucker, die Ladepunkte, Übernachtungsmöglichkeiten und truckspezifische Faktoren berücksichtigt. Gemeinsam mit zwei Partnern will er damit die Suche nach verlässlichen Lademöglichkeiten vereinfachen.
Realität statt Wunschdenken
Trotz aller Euphorie spart Wagner auch die Schwächen nicht aus. Die Parkplatzsituation in Deutschland? „Angespannt.“ Die Datenqualität von POI-Diensten? „Teilweise katastrophal.“ Dass viele Ladeparks technisch nicht auf die Lastspitzen mehrerer E-Lkw ausgelegt seien, sei ein weiteres Problem – insbesondere aus Sicht der Betreiber. „Die wollen natürlich Umsatz machen, aber nicht für einmal im Jahr 2.000 kW Peak bezahlen“, erklärte Wagner. Die Folge: Zurückhaltung gegenüber großflächigem E-Lkw-Zulauf – zumindest noch.
Auch mit Blick auf alternative Antriebe wie die Brennstoffzelle wird Wagner deutlich: „Wenn das Kilo Wasserstoff 25 Euro kostet und der Lkw acht Kilo auf 100 Kilometer verbraucht, dann sind das 200 Euro Betriebskosten – gegenüber 39 Euro mit Strom. Da muss man aufhören zu diskutieren.“ Effizienz sei das stärkste Argument für batterieelektrische Lösungen, und der CO₂-Fußabdruck ebenfalls: „Ein intensiv genutzter E-Lkw ist nach vier Monaten CO₂-positiv.“
Speditionen mit Fakten überzeugen
Wie also lassen sich Speditionen für E-Lkw begeistern? Wagners Antwort ist pragmatisch: durch Fakten und Fahrspaß. „Wenn man mit 42 Tonnen die Kasseler Berge hochschießt, dann ist das absolut überzeugend.“ Die Skepsis sei vielerorts noch da, insbesondere in der Disposition. Doch die Neugierde wachse – auch bei den Kollegen im Diesel-Truck. „Die schauen eh viel YouTube, sprechen mich an, wollen wissen, wie das wirklich läuft.“
Wichtig sei es, die ganze Kette mitzunehmen – von Fahrern über Disponenten bis hin zu Ladepunktbetreibern. Dual-Use-Ladeparks, die für Pkw und Lkw geeignet sind, könnten in Zukunft ein Schlüssel sein. Nicht zuletzt auch aus wirtschaftlicher Sicht: „Bei einem Ladevorgang ziehe ich 600 Kilowattstunden – Katsching!“
Wagners Credo: machen statt reden. Denn die Technik ist längst da. „Alles ist schon erfunden: Dächer, Ladesäulen, Trafos. Nur die Zeitachse fehlt.“ Und das Ziel ist klar – ein elektrifizierter Fernverkehr, der nicht nur nachhaltig ist, sondern auch ganz praktisch funktioniert. Woche für Woche, von Ostfriesland bis Gibraltar.
Sie möchten sich den Impulsvortrag von „Elektrotrucker“ Tobias Wagner bei unserer Online-Konferenz electrive LIVE „Logistik unter Strom“ anschauen? Den Mitschnitt finden Sie oben in unserem Videoplayer.
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